- Januar 13, 2022
- 3688 Aufrufe
Ministerium fördert Entwicklung von Covid-19-Medikament
rnatics, ein Start-up der Technischen Universität München (TUM), hat einen RNA-basierten Wirkstoff entwickelt, um entzündliche Lungenschäden zu verhindern. Diese treten besonders bei schweren Corona-Verläufen auf. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) unterstützt die weitere Entwicklung des Medikaments mit rund 7 Millionen Euro. Das rnatics-Team setzt dabei auf eine Substanz, die entzündungsfördernde microRNA blockiert.
Schwere Lungenentzündungen und Vernarbungen des Lungengewebes (Fibrosen), sind eine der möglichen Folge von Covid-19-Erkrankungen. Sie können die Lungenfunktion langfristig einschränken und sind eine der Ursachen für das Phänomen „Long Covid“. Ein Team um Stefan Engelhardt, Professor für Pharmakologie und Toxikologie an der TUM, hat einen neuen RNA-Wirkstoff entwickelt, mit dem sich diese entzündlichen Lungenschäden verhindern lassen. Wenn er über die Atemwege verabreicht wird, bindet dieser Stoff schnell und gezielt an Immunzellen der Lungenbläschen und hemmt dort ein bestimmtes microRNA-Molekül.
Bei einer Corona-Erkrankung tragen fehlgeleitete Immunzellen, genauer: Makrophagen, wesentlich zur Bildung von übersteigerten Entzündungen und Lungenschädigung bei. Wurde jedoch durch den neuen Wirkstoff das microRNA-Molekül gezielt in Makrophagen blockiert, traten bei Mäusen deutlich weniger Entzündung und Lungenschädigung auf, die Lungenfunktion verbesserte sich deutlich. Stefan Engelhardt ist zuversichtlich, dass auch bei Menschen, die den Wirkstoff über einen Inhalator einatmen, schwerwiegende Entzündungen und damit letztlich Lungenschäden bei Long Covid verhindert werden können.
Erstes Medikament seiner Wirkstoffklasse
Ausgehend von dem Wirkstoff RCS-21, einem sogenannten zuckergekoppelten Oligonukleotid-Inhibitor, entwickeln Engelhardt und seine Partner jetzt ein Medikament für die Behandlung von Covid-19-Erkrankungen. Das RNA-Medikament wäre das erste seiner Wirkstoffklasse, das gezielt in Makrophagen aufgenommen wird. „Dadurch, dass es nicht das Virus, sondern die Immunzellen beeinflusst, sollte RCS-21 auch bei Erkrankungen durch Omicron oder zukünftige, aggressivere Virusvarianten wirksam sein“, sagt Deepak Ramanujam, Miterfinder und Gruppenleiter am Institut für Pharmakologie und Toxikologie. Ein weltweites Patentierungsverfahren läuft. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) wird die klinischen Tests für das Medikament als Teil der „Richtlinie zur Förderung von Forschung und Entwicklung dringend benötigter Therapeutika gegen SARS-CoV-2“ mit rund 7 Millionen Euro fördern.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat in einem sogenannten Advice-Meeting eine positive Einschätzung für den Wirkstoff RCS-21 ausgesprochen – eine wichtige Bedingung für die abschließende Entwicklung eines Medikaments. „Wir gehen davon aus, dass wir die präklinische toxikologische Bewertung im dritten Quartal 2022 abschließen können. Gibt das BfArM die Genehmigung, können wir in etwa einem Jahr in Phase eins der klinischen Prüfung einsteigen“, sagt Stefan Engelhardt. In dieser ersten von drei klinischen Phasen vor der Zulassung wird ein Medikament zunächst einem kleinen Kreis von Personen verabreicht.
Entscheidende Unterstützung durch TUM Venture Lab Healthcare
Mit Unterstützung des TUM Venture Labs Healthcare konnte das Start-up rnatics in kürzester Zeit ausgegründet werden und die notwendigen Vorbedingungen für die Entwicklung eines Medikaments erfüllen. Mitgründer sind der erfahrene Biotechnologie-Unternehmer und Investor Dr. Thomas Frischmuth und Prof. Klaus Rabe, Direktor der Lungenklinik Hamburg/Großhansdorf und Experte auf dem Gebiet der Therapieentwicklung für Lungenerkrankungen. Zudem beteiligt sich die ISAR Bioscience GmbH an der Entwicklung von RCS-21.
TUM Venture Labs sind eine europaweit einmalige Initiative für Unternehmensgründungen aus der Forschung. Ziel ist es, die Umsetzung von Spitzenforschung in marktfähige Anwendungen drastisch zu beschleunigen, München zum führenden europäischen Standort für Deep-Tech-Innovationen zu entwickeln und so zur technologischen Souveränität Europas beizutragen. Die TUM Venture Labs bieten dafür maßgeschneiderte Unterstützungsangebote, Inkubationsflächen, Labore und technische Infrastruktur, Ausbildungs- und Venturing-Programme sowie Zugang zu globalen Netzwerken aus Unternehmen und Kapitalgebern.
Mehr Informationen:
Da sich die Entwicklung des Medikaments in der vorklinischen Phase befindet, ist eine Teilnahme an klinischen Studien zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich.
Die Vorarbeiten zu dem Wirkstoff wurden durch die Bayerische Forschungsstiftung gefördert.
Die TUM und ihr An-Institut UnternehmerTUM, Europas größtes Zentrum für Innovation und Gründung, haben in Sachen Ausgründungen bereits eine einzigartige Erfolgsgeschichte geschrieben: 70 bis 80 technologiebasierte Start-ups werden hier jedes Jahr gegründet. Mit den TUM Venture Labs wollen die Partner ihre Entrepreneurship-Aktivitäten auf ein neues Niveau heben und ganze Deep-Tech-Familien von potentialreichen Unternehmensgründungen auf zukunftsfähigen Technologiefeldern fördern. Seit dem Start im Oktober 2020 sind acht Venture Labs auf den Technologiefeldern Healthcare, Software/AI, Robotics/AI, Quantum, Aerospace, Built Environment, Chemistry und Food/Agro/Biotech operativ tätig. Geplant sind drei weitere Labs in den Fokusbereichen Additive Manufacturing, Smart Mobility und Sustainability/Bioeconomy/Energy. Rund 100 potentialreiche Gründungsteams sind bereits jetzt in der Betreuung der Venture Labs und profitieren von maßgeschneiderten Unterstützungsangeboten, Inkubationsflächen, Laboren und technischer Infrastruktur, Ausbildungs- und Venturing-Programmen sowie Zugang zu globalen Netzwerken aus Unternehmen und Kapitalgebern, um ihre Gründung vorzubereiten.
Ein weiteres Team mit Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der TUM entwickelt derzeit ein Medikament, das eine Infektion mit dem SARS-Cov2-Virus verhindern soll. Das Team hat einen Wirkstoff geschaffen, der das Spike-Protein des Virus blockiert. In Zellkulturversuchen konnten damit das Virus komplett neutralisiert werden.