- Januar 15, 2022
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Durch die Coronapandemie rücken die Prävention und die Therapie anderer Erkrankungen in den Hintergrund. Das kann fatal sein – wie das Beispiel der Tuberkulose zeigt.
In den letzten 20 Jahren ist die Inzidenz der Tuberkulose weltweit zurückgegangen. Der Verlauf bis 2019 war sehr positiv, sagte Professor Dr. Hortense- -Slevogt vom Funktionsbereich Pneumologie des Universitätsklinikums Jena. Alles, was man bisher weltweit an Programmen aufgesetzt habe, wirke.
Durch die Coronapandemie sehen Experten den Erfolg dieser Programme jedoch gefährdet. So ist zum Beispiel damit zu rechnen, dass es durch Lockdowns zur vermehrten häuslichen Übertragung der Tuberkulose, zu verspäteten Diagnosen und verzögerten und/oder unvollständigen Therapien kommt. Im Global Tuberculosis Report 2020 wurde für einige Länder wie Südafrika oder die Philippinen bereits ein drastischer Rückgang der Tuberkulosemeldungen gezeigt, berichtete die Kollegin.
Eine Studie aus Nord-italien ergab, dass es während des ersten Lockdowns im März und April 2020 weniger Neudiagnosen gab als sonst und weniger Patienten in Tuberkuloseprogramme eingeschlossen wurden. Zudem war der Anteil der Studienteilnehmer, die nachbeobachtet werden konnten, deutlich geringer und die Todesrate höher. „D.h., insgesamt ist die COVID-19-Pandemie für die effektive weltweite Bekämpfung der Tuberkulose eine Bedrohung und eine Gefahr“, schloss die Referentin.
Bisher wird eher konservativ gerechnet
In einer 2020 publizierten Modellrechnung kommt ein internationales Forscherteam zu alarmierenden Schlussfolgerungen: So könnten ein dreimonatiger Lockdown und eine anschließende zehnmonatige Wiederherstellung des Ausgangszustands in den Jahren 2020 bis 2025 zusätzlich zu 6,3 Millionen Tuberkuloseerkrankungen und 1,4 Millionen Tbc-Todesfällen weltweit führen. Allein in Indien käme es laut dieser Rechnung durch jeden Monat, der bis zur Rückkehr zur normalen Tuberkuloseversorgung verstreicht, zu zusätzlichen 40 685 Todesfällen. Eine andere Studie, in der man unter anderem die Entwicklung für China, Indien und Südafrika modellierte, kam zu ähnlichen Ergebnissen.
Unter anderem auf Basis dieser Daten hat die WHO im Dezember 2020 eine Warnung herausgegeben, in der sie dringend dazu auffordert, die Tuberkuloseprogramme auch während der Coronapandemie aufrechtzuerhalten. Die Organisation stellt zudem klar, dass die genannten Modellierungen wahrscheinlich sogar eher konservative Schätzungen sind. Die Tbc-Inzidenz- und -Todeszahlen könnten also noch weit höher klettern als bislang errechnet wurde. Das gilt es unbedingt zu verhindern, betonte Prof. Slevogt.
Tuberkulose-Impfung gegen Corona – Vakzine wird in einigen Ländern getestet
Um die Corona-Pandemie wirkungsvoll aufhalten zu können, sind weltweit zahlreiche Impfstoffprojekte angelaufen. Ein Impfstoffkandidat – ursprünglich eine Vakzine gegen Tuberkulose – soll in Deutschland getestet werden. Mit ihm ließe sich zumindest Zeit gewinnen.
In einer Phase-3-Studie soll untersucht werden, ob eine Vakzine, die das Immunsystem unspezifisch aktiviert, den Krankheitsverlauf von -COVID-19 mildern kann.1 Der Wirkstoffkandidat VPM1002 ist ursprünglich gegen Tuberkulose entwickelt worden. Die Vakzine wurde bereits in mehreren klinischen Studien untersucht. Derzeit wird sie an Erwachsenen in Indien getestet. Die für Deutschland geplante Studie soll nun Sicherheit und Wirksamkeit von VPM1002 bei Älteren und Beschäftigten des Gesundheitswesens untersuchen. In Australien, Griechenland und den Niederlanden konzentriert sich die Forschung auf den Vorläufer von VPM1002, den abgeschwächten Tuberkulose-Erreger Bacillus Calmette-Guérin.2 In Griechenland befand sich diese Vakzine schon vor der Coronapandemie im Test an älteren Probanden. Sie sollte die allgemeine Resistenz gegen Infektionen stärken.