- Dezember 28, 2021
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Viele denken nach, was die Pandemie mit Ihnen gemacht hat? Erschrocken, wie fragil unsere Lebensstrukturen sind? Erkannt, dass das Leben endlich ist? Innegehalten und Werte und Ziele reflektiert und nachjustiert?
Ganz ehrlich? Dazu brauchte ich keine Pandemie. Mich wundert, dass viele Menschen das als für sie neue Erkenntnisse und grundlegenden Wandel beschreiben. Bei mir liegt dieser Erkenntnis-Sprung schon Jahre zurück.
Was also hat die Pandemie mit mir gemacht? Sorge, um die Gesundheit habe ich immer. Fast ein wenig erleichtert war ich, dass endlich viele Menschen diese Sorge geteilt haben. War ich sonst die Einzige mit Desinfektionsmittel in der Tasche für Zug und Flug, EC-Geräte und Türklinken von öffentlichen Gebäuden, waren es nun fast alles. Ging mein Kopf schon immer hoch, wenn ein Mensch in der Nähe hustete (seit meiner schweren Lungenentzündung), schauten sich nun alle um.
Das war also nicht das Negative. Aber etwas hat mich sehr beschwert, mich umgehauen, tief verunsichert und wütend gemacht. Etwas war mir vorher nicht bewusst gewesen. Es war die Erkenntnis, wie extrem unfrei wir sind. Ich stamme aus der DDR und bin als Kind mit meinem Vater für die Freiheit auf die Straße gegangen. Und bis zur Pandemie hatte ich das Gefühl, diese relative Freiheit erlangt zu haben.
Und nun? Es waren nicht die Maßnahmen, die zum Schutz der Bevölkerung ausgerufen wurden. Solidarität für andere? Alles gut. Alles wichtig. Ein Staat muss seine Menschen schützen. Soweit gebe ich ein bisschen Freiheit für Sicherheit her.
Es war etwas anderes. Ein für mich dramatischer Punkt, der mich täglich fast zu Tränen trieb. Es war die Zeit zwischen Herbst und Winter letzten Jahres. Die Corona-Inzidenzen waren hoch, stiegen höher, würden bis zum Chaos steigen. Das war den Experten klar, den Medizinern, Modellierern und logisch denkenden Menschen. Ich hatte es in vielen Interviews gehört. Ich hatte es verstanden.
Und ich hörte und sah die Vielzahl der Politiker, die das nicht verstehen konnten oder wollten. Sie sind aber die Chefs, sie haben die Macht, sie können über uns bestimmen. Das machte mich fertig. Was auch immer ihre Gründe waren: Unfähigkeit, fehlendes Vorstellungsvermögen, das Kleben an eigenen Überzeugungen, der Blick auf Wahlergebnisse, Verpflichtungen gegenüber Koalitionspartnern oder einfach das bloße Auskosten der eigenen Macht, sie konnten über mein Leben und das Leben meiner Kinder bestimmen.
Praktisch sah ich das in der Schulpflicht verkörpert. Ich war per Gesetz gezwungen, meine Kinder jeden Tag in unterschiedliche Schulen zu schicken bis Mitte Dezember - und zwar mit vollen Klassen, ohne Masken etc.. Und das mit dem Wissen, dass die Kliniken hier in Sachsen kurz vor dem Kollaps standen (Interview mit Prof. Michael Albrecht, Med. Vorstand Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, ab Seite 18), die Annahmen über Wirkung und Zielgruppe des Virus`, die öffentlich verkündet wurden, längst überholt waren. Kurz gesagt, ich wusste aus vielen direkten Quellen: Unser Leben war ernsthaft in Gefahr.
Und ich wurde von Politikern gezwungen, meine Kinder und mich dieser direkten Gefahr täglich auszusetzen.
Ich höre Sie schnaufen und sehe Sie den Kopf schütteln. Klar ist das dramatisiert. Aber ich habe es so empfunden. Dramatisch. Ich war wütend, machtlos und unfrei. Das Leben meiner Familie, für das eigentlich ich verantwortlich bin, hat der Staat gefährdet und ich konnte nichts dagegen tun. Ich konnte uns nicht schützen und war abhängig von der In- telligenz und dem Fleiß für umfassende Informationssuche von fremden Menschen, denen ich das nicht zutraute.
Das war eine schlimme Ohnmacht. Die politischen Entscheidungen dieser Wochen sollte man im Nachhinein aufarbeiten.
Sie kennen das Beispiel von der Heinrich-Hertz-Schule in Hamburg, bei der im September 2020 in einer Sequenzierungs-Studie nachgewiesen wurde, dass es ausgehend von einem Schüler 40 angesteckte Schüler gab, der zuständige Hamburger Senat das wusste und es erst im Januar 2021 der Öffentlichkeit bekannt gab? Und wenn man, wie ich, mehrere solcher Fälle kennt, glaubt man den Kultusministern und den Ministerpräsidenten nicht mehr, dass Sie nach Ehre und Gewissen handeln. Dass wir dennoch abhängig von ihnen sind bis hin zu unserem Leben - diese Erkenntnis hat mich hart getroffen. Und ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehe.
Ich wünsche Ihnen weiterhin von Herzen Gesundheit!
Ihre
Anja K. Fließbach