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Editorial Frühjahr 2015
Ich bin mutig und ich verrate Ihnen, wo ich dieses Editorial schreibe. Kein Flugzeug oder Schiff, kein fernes Land oder sonniger Strand - ich sitze im Gruppenraum im Haus 18 der Uniklinik, Station 1. Eine der besten Trauma-Stationen Deutschlands. Ich bin hier nicht zu Besuch. Ich "wohne" hier für vier Wochen.
Bumm! Und nun? Wenn Sie wissen wollen, wie ich hierher gekommen bin, muss ich eine Weile überlegen. So leicht erklärt sich das nicht. Ehrlich gesagt, bin ich überhaupt noch nicht an dem Punkt, wo sich eine eindeutige Erklärung auftut. Ein Trauma irgendwann, irgendwie - eine Situation, in der der Mensch Todesangst hat. Bei vielen Menschen wirken sich diese Traumata viele Jahre später aus und können unglaubliche Folgen annehmen. Manche Menschen dissoziieren sogar. Abspaltung.
Nun, solche Folgestörungen habe ich zum Glück nicht. Auch keine anderen Erkrankungen dieser Art. Aber es ist hilfreich, das Trauma aufzuspüren und zu bearbeiten. Unglaublich, was es da heute für Techniken gibt und zu was für Leistungen das Gehirn fähig ist.
Auf jeden Fall ist der Aufenthalt hier eine sehr intensive Erfahrung. Intensiv, was die Wissenserweiterung betrifft (Psychologie ist ein Feld, mit dem ich mich bisher wenig befasst habe). Noch intensiver sind die Therapien. Am überwältigendsten aber sind die Menschen - Mitpatienten und Therapeuten.
Mit Intelligenz, Professionalität, Fingerspitzengefühl und überdurchschnittlichem Engagement für die Patienten über die Pflicht hinaus sind mir in erster Linie Dr. Marina Tselmina, Michael Klose, Nadja Mirring und Katharina Friedrich aufgefallen. Vom Pflegepersonal fand ich Pfleger Jarg Pflicke, Schwester Inge Seidel und Schwester Doris Klöß besonders gut. Dass es solche Profis in der Medizinischen Akademie Dresden gibt, lässt mich wieder an die MedAk glauben. Danke!
Und natürlich meine lieben Mitpatienten. Allesamt wertvolle Menschen mit wirklich schlimmen Schicksalen. Ich fühle mich so wohl, wenn wir im Gruppenraum diese familiäre, ruhige und harmonische Gemeinschaft genießen. Ich wachse auch immer, wenn wir in Gesprächsrunden kontrovers, aber immer ergebnisbezogen, diskutieren. Ich habe viele von Euch tief in mein Herz geschlossen. Wegbegleiter ohne Attitüden. So selten.
Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie ein Trauma haben, obwohl sie unter den Auswirkungen leiden. In der nächsten Disy klären wir Sie über die möglichen Erkrankungsbilder auf und sagen, wie und wo man Hilfe bekommt.
Sie sollten das lesen, es ist vielleicht wichtig!
Herzlichst!
Ihre Anja K. Fließbach