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Editorial Herbst 2007

Euphorisch rief ich mein Kind auf den Balkon. Louisas kleines Gesicht schob sich durch die Tür. „Komm raus und sieh, wie schön die Sonne aussieht.“ Ich winkte ihr. „Die Sonne geht auch morgen unter“, antwortete mein Kind und ließ mich verblüfft zurück. Dieser Satz wäre mir nie im Leben eingefallen, und ehrlich gesagt, war ich überhaupt nicht dieser Meinung. Okay, die Sonne würde vielleicht wieder untergehen. Aber: Würden wir morgen noch gesund sein und die Sonne genießen können? Würde es morgen regnen? Würden schwarze Wolken die Sonne verdecken oder Nebel sie verhüllen? Würde ich morgen das gleiche Lied in meinem iPod finden? In welcher Stimmung würden wir morgen sein und wären die Farben die gleichen? Okay, die Sonne würde wieder untergehen. Aber der Sonnenuntergang würde nie mehr so sein wie jetzt. Andere Wolkenformationen werden die Sonne umrahmen, teils verdecken, vielleicht besser präsentieren als heute. Vielleicht würde die Sonne aber neben ihnen kleiner wirken und unscheinbarer. Vielleicht würde sie wieder gut mit ihren Wölkchen zusammenspielen, sich mit ihnen necken, sich liebkosen, sich streiten. Auch der Wind wäre anders. Andere Richtung, Stärke, Temperatur. Wir hätten uns fortbewegt und mindestens einen Tag lang neue Erfahrungen gemacht, Gespräche geführt und vielleicht neue Leute getroffen. Also auch wir würden uns weiterentwickelt haben und wären nicht mehr wie heute, wie jetzt. Es ist schade um jede vergeudete Minute. Jede Minute, die wir nicht optimal genießen. Jede Minute, wenn wir mit Menschen am Tisch sitzen, mit denen wir eigentlich nicht zusammen sein wollen. Jede Minute abwägen, aufschieben, verpassen. Jede Minute, in denen uns das Geld vielleicht leid tut, wir erwarten, dass die Umstände später besser werden, oder wir sogar hoffen, woanders zu sein, glücklicher zu sein. Warten und denken, morgen ist auch noch Zeit?

Nächste Woche, nächste Reise, nächstes Leben? Wer weiß das schon sicher?

Die Sonne geht auch morgen unter? Bestimmt. Hoffentlich. Aber es wird nie wieder so sein wie jetzt in diesem Augenblick. Niemals mehr. Ich erklärte das meiner Tochter und sie saß auf meinem Schoß, als die Sonne ihre letzten Strahlen zu uns auf den Balkon schickte. Die Sonne ging unter. Einmalig.

Jetzt oder nie - das haben wir uns auch bei unserem Relaunch gesagt. So viele Ideen, Geschichten, Fotos ... „Nehmen wir das nächste Mal.“ „Heben wir auf.“ Nein! Jetzt machen wir alles neu. Nach knapp fünf Jahren bekommt Disy ein neues „Gesicht“. Neues Layout, neue Struktur, spezifischer Inhalt - was man sich halt so überlegt bei einem Relaunch. Und die Party zum neuen Heft feiern wir gleich mit Gästen bei einer Kreuzfahrt auf hoher See. Wie‘s war, lesen Sie in der nächsten Ausgabe!

 

Herzlichst Ihre Anja K. Fließbach