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Editorial Sommer 2013
Wird Ihnen auch so viel gestohlen? Am Anfang hatte ich noch ein müdes Lächeln übrig, wenn Zeitungen und Magazine unsere Geschichten zum Teil wörtlich übernommen haben. Rechtlich ist es ja klar, sie dürfen das nicht. Aber warum wird es inzwischen schon fast als cool und normal angesehen, Ideen und Geschichten anderer Leute zu kopieren? Manche Coaches empfehlen das sogar als Business-Strategie.
Okay, das Rad muss nicht immer neu erfunden werden. Aber selbst mit Picassos Meinung kann ich mich nur schwer arrangieren, wenn er sagte: "Gute Künstler kopieren, große Künstler stehlen." Und Steve Jobs, dessen Unternehmen Apple als eines der innovativsten der Welt gilt, kopierte das Zitat und spitzte weiter zu: "Gute Künstler kopieren, großartige Künstler stehlen. Und wir haben immer schamlos gute Ideen geklaut."
Ich kenne einen Coach, der schreibt immer mit, wenn in Seminaren andere Leute reden. Er ist der Meinung, dass bei Schwarmintelligenz keiner die Rechte an Titeln und Ideen hätte. In Wahrheit ist es noch viel schlimmer. Der Dresdner Patent-Anwalt Markus Hoffmann formuliert: "Egal wer die Idee hatte, der, der sie zuerst offiziell anmeldet, hat daran die Rechte." Also, mein Rat an Sie, liebe Leser: Den Mund halten bis Sie Ihre Idee selbst umsetzen.
Mit dem Kopieren ist es so eine Sache. Nachgemachte Designerklamotten sind peinlich und Plagiate bringen Minister zu Fall. Aber wenn wir in die Geschichte der Menschheit schauen, hat schon immer einer vom anderen abgeguckt und gelernt. Hatte einer eine gute Idee, wie man ein Tier fängt, dann begannen alle anderen, das Tier auch so zu fangen. Die Evolutionsforschung hat dafür einen Begriff: "Kumulatives Lernen". Das bedeutet, jeder Erfinder kann auf dem aufbauen, was seine Vorgänger bereits erreicht haben. Daimler konnte bei seinen Autos auf die Erfahrungen der Techniker mit Kutschen und Motoren vor ihm bauen, Picasso lernte erst von anderen die Grundregeln des Malens. Trotzdem, wenn schon einer ein regionales Frauenmagazin machen will, dann soll er doch ein eigenes Editorial schreiben und nicht meins von damals nehmen. Wenn einer meine Artikel toll findet, dann kann er doch wenigstens für seine Ausgabe meine Formulierungen abwandeln. Und wie viele Leute versuchen, Disy zu kopieren, ist auch unglaublich. Da halte ich es aber mit Tim Crull, Chief Executive Officer von Nestlé: "Wer künftig nicht die Nummer eins oder zwei im Regal ist, kann meist gleich wieder einpacken." Und die Nummer eins ist eben auf Dauer besetzt. Punkt!
Also, wenn Sie Ideen haben, liebe Leser, die in Ihrem Kopf oder Herzen schlummern, setzen Sie sie endlich um! Nicht, dass Sie sich ärgern, wenn ein anderer plötzlich mit der gleichen Idee um die Ecke kommt. Und wenn Sie kopiert werden, versuchen Sie es mal mit Stolz. Offensichtlich machen Sie Ihre Sache dann richtig gut.
Herzlichst!
Ihre
Anja K. Fließbach