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Editorial Winter 2005
Liebe als Titelgeschichte. Dazu gehört ein Editorial. Doch was soll ich über die Liebe zwischen Mann und Frau erzählen, was nicht schon Millionen Mal geschrieben wurde, was ich nicht mehr hören kann, Sie nicht mehr lesen wollen.
Es soll nicht seltsam klingen, aber als Single hört man schnell mal Dinge wie: „Ich habe mich verliebt in dich.“ Oder gar: „Ich liebe dich.“ Es fällt mir nicht im Traum ein, das zu antworten, was erwartet wird. Genauso wie in Amerika keiner wirklich wissen will, wie es einem geht, wenn sie fragen: „How is it going?“ Eigentlich heißt das nur „Hallo.“
Nicht, dass ich das wirklich mit einem Liebesbekenntnis gleichsetze. Aber in meinen Augen gehen die Menschen heute so flüchtig mit diesen Begriffen um.
In vielen Beziehungen wird Liebe mit einem konfliktarmen Alltag gleichgesetzt. „Wir lieben uns, wir streiten fast nie.“ Aha. „Es prickelt zwar nicht, aber ich liebe meinen Mann.“ So, so. „Es passt alles. Es ist Liebe.“
Ist es also Liebe, wenn das gemeinsame Leben leicht ist? Oder sind die Menschen einfach zu bequem und zu müde für die richtige Liebe? Geben sie sich mit dem einfachen Weg zufrieden? Mittelmaß. Besser als gar nichts. Und mit ein bisschen Schönreden hier und etwas Selbstbetrug da hat man das Wichtigste im Leben zumindest schon mal sicher?
Ich hab doch auch keine Ahnung. Nur so ein Gefühl, da muss mehr sein. Irgendwo, irgendwas. Oder besser: Irgendwer. Ist denn heute keiner mehr bereit, auf die richtige Liebe zu warten? Für sie zu kämpfen, zu leiden oder wenigstens an sie zu glauben?
Sind wir krank, nehmen wir Medizin. Nur keine Unannehmlichkeiten oder Schmerzen. Logisch. Wenn es nicht sein muss. Warum also Sehnsucht, Eifersucht, Verlangen, Verzehren – das tut doch weh.
„Es ist zwar keine Leidenschaft, aber Liebe.“ Okay. Soll das doch jeder interpretieren, wie er will. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Liebe ohne Leidenschaft existieren soll. Das ist für mich Freundschaft. Gut, enge Freundschaft. Aber bitte, doch keine Liebe. Oder?
Meine Oma hat immer gesagt: „Jeder wird auf seine Weise glücklich.“ So soll es sein. Ich, ganz persönlich, kann nicht so wie die meisten. Es ist sicher dumm, auf irgendwas zu warten, das vielleicht nie kommt. Aber mit weniger gebe ich mich eben nicht zufrieden.
Und Sie?
Ein liebevolles Weihnachtsfest all denen, die das Glück schon haben, denen, die darauf warten, und Mut und Kraft allen, die gerade dafür kämpfen.
Herzlichst
Ihre Anja K. Fließbach