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Das sächsische Nizza
Immer mehr Dresdner Promis entdecken ihre Liebe zum Weinbau. Sie kaufen Weinberge, gründen Vereine und Initiativen, werden Hobbywinzer. Im dritten Teil der Radebeul-Serie berichtet Disy vor allem über architektonisch interessante Weingüter, die viel zur mediterranen Ausstrahlung von Radebeul beitragen, und wer sich auf welchem Gut engagiert.
Winzerhäuser und Weingüter gibt es in Radebeul eine ganze Menge. „Die größeren glanzvollen Weingüter wie Hohenhaus, Schloß Wackerbarths Ruhe, Hofl ößnitz oder Haus Sorgenfrei sind oft schon beschrieben worden. Die kleineren – für die Landschaft indes nicht weniger wichtigen – Einzelhäuser wurden hingegen bisher selten oder gar nicht erfaßt“, steht in einem Katalog über 34 Radebeuler Winzerhäuser. Neben der Hoflößnitz werden hier deshalb drei weitere Winzerhäuser vorgestellt, in denen heute wieder exzellenter sächsischer Wein erzeugt wird: das Meinholdsche Turmhaus (Weingut Karl Friedrich Aust), das Haus Steinbach (Weingut Dr. Volker Gerhardt) sowie das Weingut „Drei Herren“. Mit dem Bennoschlösschen sowie dem Minckwitzschen Weingut schließen sich zwei architektonisch bemerkenswerte Gebäude an, in denen aber kein Weinbau mehr betrieben wird. Natürlich tragen noch viel mehr Winzer in Radebeul mit ihren zumeist steillagigen Rebfl ächen zum einzigartigen Flair des sächsischen Nizza bei. Zu ihnen gehören beispielsweise Klaus Seifert, Frank Förster, Marietta und Wolfgang Kruse oder Dr. Bernd Kastler. Auch Martin Schwarz, der Kellermeister des Weingutes Schloß Proschwitz, welcher seit 2003 eigene Flächen bewirtschaftet, ist hier zu nennen. Schließlich sollten auch die Nebenerwerbswinzer nicht vergessen werden, welche in drei Verbänden organisiert sind: in der Weinbaugemeinschaft Radebeul-Zitzschewig (50 Mitglieder), in der Weinbaugemeinschaft Niederlößnitz (63 Mitglieder) und im Weinbauverein Oberlößnitz (90 Mitglieder). Zum letztgenannten Verein gehören als die zwei einzigen „Haupterwerbswinzer“ auch die Hofl ößnitz und das Weingut Karl Friedrich Aust, mit denen der dritte Teil der Disy-Serie beginnt.
Foto oben: Italien im WEINGLAS
Er schätzt gute Weine. Am Wachwitzer Elbhang hat Italien-Liebhaber Dr. Richard Althoff seinem Heim südländisches Flair eingehaucht: mit 15 Weinstöcken, gepflanzt neben der Terrasse der Mietvilla. Als viel gefragter Rechtsanwalt muss er sich mit dem optischen Genuss seiner Rotwein-Reben begnügen. Die Herstellung der guten Tropfen überlässt er deshalb den Profis. Dr. Althoff, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, ist neu gewählter Präsident des Lions Club Dresden-Carus. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin, Opernsängerin Anke Kirsten, bewirtet er seine Freunde gern auf der Terrasse mit Pasta und Wein.
Spätlese im PARK
Der zum Weingut von Dr. Volker Gerhardt gehörende traditionelle Dreiseitenhof – bestehend aus Winzerhaus, Gesindehaus sowie einer Scheune – stammt aus der Zeit um 1735. Dagegen wurde das klassizistische Herrenhaus, heute das Hauptgebäude des Weinguts, erst 1835-40 erbaut. Nach dem Reblausbefall Ende des 19. Jahrhunderts nutzte man das dazugehörige Grundstück bis 1969 als Obstbaumplantage. Anschließend begann Familie Gerhardt die Wiederaufrebung des Weinbergs unter Berücksichtigung der alten Parkstruktur. 1991-93 ist das Herrenhaus saniert worden, 1998-2007 der Dreiseitenhof. Der Winzer Dr. Volker Gerhardt betreibt heute auf rund einem Hektar Rebflächeumweltschonenden Weinbau, wobei seine Weine meist als Spätlese verarbeitet werden. Neben fünf Weißweinsorten baut er außerdem roten Spätburgunder an. Auf dem denkmalgeschützten Grundstück lebt auch der französischstämmige Winzer Frédéric Fourré, welcher im Hauptberuf als Sommelier im Dresdner Kempinski-Hotel Taschenbergpalais tätig ist. Ausgehend von der ursprünglichen Bezeichnung des Winzerhauses firmiert heute die gesamte Anlage des Weingutes unter dem Namen „Haus Steinbach“.
Weingut Dr. Volker Gerhardt, Bennostr. 41
www.weinbau-gerhardt.de
Unter dem goldenen WAGEN
Das unterhalb des „Goldenen Wagens“ gelegene meinholdsche Turmhaus, Sitz des Weingutes von Karl Friedrich Aust, ist nach dem Hofbuchdrucker Carl Christian Meinhold benannt, der es 1792 erworben hat. Die Geschichte des Guts beginnt allerdings schon um 1650, als auf dem Gelände ein zweigeschossiger Fachwerkbau errichtet wurde, an den man 1720 einen Nordfl ügel anbaute. Ungefähr zur selben Zeit wurde auch der markante Turm errichtet, welcher dann 1750 ein Uhrwerk mit Glocken erhielt. Ende des 18. Jahrhunderts ließ Carl Christian Meinhold die Fassade im sogenannten Zopfstil umgestalten, der den Übergang vom Rokoko zum Klassizismus charakterisiert. Seit jener Zeit fl ankieren die beiden Sandsteinplastiken „Sommer“ und „Winter“ die Toreinfahrt zum Gut. Gegenüber dem Hauptgebäude, dem Turmhaus, wurde 1851-52 ein villenartiger Neubau errichtet. Mitte der 1990er-Jahre hat Karl Friedrich Aust begonnen, die zum Gut gehörenden Weinberge wieder aufzureben. Heute bewirtschaftet er insgesamt vier Hektar Rebfl äche und baut neben sieben Weißweinsorten auch den roten Spätburgunder an. Im Südfl ügel des Turmhauses, in welchem der Winzer selbst wohnt, hat er 2006 die Wirtschaft „Weinhaus Aust“ eröffnet.
Weingut Karl Friedrich Aust, Weinbergstr. 10
www.weingut-aust.de
Im Zeichen der SCHNECKE
„Drei Herren“ liegt am Fuß des Ballberges, der von der „Steinernen Schnecke“, dem Wahrzeichen des Guts, bekrönt wird. In seinem Kern ist das Anwesen schon 1714 nachweisbar gewesen, der Anbau stammt aus der Zeit um 1800. Bemerkenswert sind, neben einem alten großen Gewölbekeller, die noch erhaltenen Wandmalereien im Chinoiserie-Stil, welche ungefähr gleichzeitig zur Ausschmückung von Schloß Pillnitz entstanden sein sollen. 1877 übernahm Paul Hermann Rau das Weingut, das bald darauf den Namen „Hermannsberg“ erhielt. Nach starkem Verfall in den 1970er-Jahren wurde das Gebäude zwischen 1993 und 2005 durch den an der Dresdner Kunsthochschule lehrenden Kunsthistoriker Prof. Dr. Rainer Beck denkmalsgerecht restauriert. Der Name „Drei Herren“ steht für die drei Neugründer des Weingutes im Jahre 2005: Neben Prof. Beck sind dies der Radebeuler Winzer und ehemalige sächsische Weinbauberater Claus Höhne sowie der fränkische Winzerfreund Gerhard Roth gewesen. Kurz danach stieß die sächsische Weinkönigin 2003 und deutsche Weinprinzessin 2004, Antje Wiedemann, zur Männerrunde hinzu. Mittlerweile bewirtschaften sie vier Hektar Rebfl äche am Radebeuler Ballberg sowie am Taubenheimer Berg bei Sörnewitz, wo neben sieben Weißweinsorten auch die beiden roten Sorten Regent und Spätburgunder angebaut werden.
Weingut „Drei Herren“, Weinbergstr. 34,
www.weingutdreiherren.de
Der Hof des EINÄUGIGEN GRAFEN
Die inmitten eines malerischen Weinberges gelegene Hoflößnitz zählt zu den großen Touristenmagneten des Elbtals. Zum einen liegt das an ihrer jahrhundertealten Geschichte: Die Hofl ößnitz wurde schon 1401 durch den Markgrafen Wilhelm den Einäugigen gegründet und diente den Wettinern über Jahrhunderte als Gutshof für den Weinbau sowie für Feiern und Feste. Zum anderen beruht ihre große Anziehungskraft auf dem einzigartigen architektonischen Ensemble, das deutschlandweit seinesgleichen sucht. Als Wahrzeichen der Hoflößnitz gilt das Berg- und Lusthaus mit seinem sechseckigen Treppenturm, welches 1650 unter Kurfürst Johann Georg I. erbaut worden ist. In seinem Inneren verbirgt sich ein reich geschmückter Festsaal, dessen Deckengemälde 80 brasilianische Vögel des niederländischen Malers Albert Eyckhout zeigen. Das Erdgeschoss des Berg- und Lusthauses beherbergt einen Teil der ständigen Ausstellung zum Weinbau im Elbtal. Zur Hofl ößnitz gehört auch ein spätklassizistisches Kavaliersgebäude aus dem Jahr 1840 mit dem Wein- und Museumsladen, der sowohl hofeigene Weine als auch solche des gesamten Elbtals führt. Des Weiteren befinden sich auf dem Areal das Pressenhaus (heutiger Bau aus dem 19. Jahrhundert) sowie das 1688 errichtete Winzerhaus, welches gleichzeitig als Wirtschaftsgebäude genutzt worden ist. Dort betreibt die JKG GmbH von Matthias Gräfe und Ines Kuka seit einigen Jahren die „Weinstube Hofl ößnitz“, deren hohes Niveau sich mittlerweile weit herumgesprochen hat. Alle Gebäude sowie Grundstücke gehören der Stiftung Weingutmuseum Hoflößnitz, deren Vorstand aus Dr. Wilhelm Zörgiebel, Geschäftsführer der Grundbesitz Hellerau GmbH, sowie aus dem Dresdner Notar Michael Becker besteht. Als Stiftungsverwalterin vor Ort agiert Ingrid Zeidler, die unter anderem für die fünf Mitarbeiter der Stiftung Weingutmuseum Hofl ößnitz verantwortlich ist. Zur Anlage zählt natürlich auch der eigentliche Weinbaubetrieb, die „Weingut Hofl össnitz Betriebsgesellschaft-mbH Radebeul“, welche seit Jahren konsequent ökologischen Weinbau praktiziert und mittlerweile ca. 8 ha Rebfl äche bewirtschaftet. Der neue Kellermeister des Weingutes, Ralf Ropohl, wurde als Schatzmeister in den Vorstand des Weinbauverbandes Sachsen e.V. gewählt.
Stiftung Weingutmuseum Hoflößnitz, Knohllweg 37
www.hofl oessnitz.de
BENNOS altes Schlösschen
Die volkstümliche Namensgebung erinnert an den Meißner Bischof Benno (1010-1107) und dessen Verdienste um den Weinbau. Das zweigeschossige Renaissancegebäude, dessen charakteristische Giebel in alle vier Himmelsrichtungen zeigen, hat einen nahezu quadratischen Grundriss. 1570 ließ es der Verwalter der kurfürstlichen Güter errichten. Anfangs wurde das Gebäude auch „Steinernes Haus“ genannt. Diese Bezeichnung weist darauf hin, dass es sich von der damals üblichen Fachwerkbauweise unterschied. Das Bennoschlösschen gilt heute als das älteste erhalten gebliebene Herrenhaus der Lößnitz. Obwohl es inmitten eines wunderschönen Weinbergs liegt, hat es aber mit dem Weinbau nichts mehr zu tun.
Adresse: Bennostr. 35
Das Erbe des KAMMERHERREN
Der ausgedehnte Weinberg verfügt über eine der besten Lagen in der Lößnitz. 1407 das erste Mal urkundlich erwähnt, wurde 1729 auf dem Berg das zweigeschossige Lusthaus mit dem über eine Freitreppe zugängigen Saal im Obergeschoss erbaut. Im Park hat sich noch ein achteckiger Pavillon erhalten. Am unteren Ende des Berges steht das 1713 erbaute Herrenhaus. Die Weinberganlage wurde 1853 vom königlichen Kammerherrn von Minckwitz erworben und verblieb zum Teil bis heute im Besitz seiner Nachfahren. Einer von ihnen, Wolfram von Minckwitz, begann 1988 mit Restaurierungsarbeiten am an der Finsteren Gasse gelegenen einberghaus und erhielt für dessen Sanierung den Radebeuler Bauherrenpreis 1997. Unterhalb des Weingutes haben die beiden Jungwinzerfamilien Hendrich und Klitzsch 2005 begonnen, den Weinberg wieder aufzureben.
Minckwitzsches Weingut, Obere Bergstraße
www.radebeuler-jungwinzer.de
Hans-Holger Malcomeß