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Disy-Interview mit Rodney Aust: Mit Marilyn Manson durch die Neustadt

Disy-Interview mit Rodney Aust 

Seit über zwanzig Jahren ist er nun schon im Geschäft und mittlerweile aus der Kulturwelt von Dresden nicht mehr wegzudenken. Mit Herzblut und Engagement organisiert Rodney Aust Konzerte und Veranstaltungen in Sachsen. Ob Herbert Grönemeyer, Marilyn Manson oder die Fanta Vier – Aust holt sie alle. 

Wie viel Aufwand ist es, ein Konzert zu organisieren?
Aust:
Die Arbeit für ein Konzert lässt sich in zwei Schritte teilen. Zum einen die Zeit, die man braucht, um das Konzert vorzubereiten. Für die Tour von Herbert Grönemeyer dieses Jahr brauchten wir eineinhalb Jahre von der Anfrage bis zur Durchführung. Kleine Acts benötigen entsprechend weniger Zeit. Der zweite Teil ist das, was vor Ort bewältigt werden muss. Bei der Tour von Herbert Grönemeyer waren wir eine Woche mit dem Aufbau und eine weitere halbe Woche mit dem Abbau beschäftigt. Dabei arbeiten 600 bis 700 Personen daran – für Produktion, Einlass, Security, Aufbau und Bühnenhelfer. 

 

Koordinieren Sie alles oder haben Sie Helfer?
Aust:
Wir sind der Veranstalter und geben die einzelnen Aufgaben entsprechen an Bühnenmeister und Projektmanager ab. Bei ihnen liegt die technische Abwicklung. Hier arbeiten wir seit Jahren mit erfahrenen Dienstleistern zusammen. Wir haben ein cooles und erfahrenes Team im Büro, dann schafft man sowas auch. 

 

Gehen Sie noch auf die von Ihnen organisierten Konzerte?
Aust:
Natürlich. Zwar schafft man nicht jedes Event, aber die Highlights unseres Unternehmens, da bin ich dabei. 

 

Sind Sie erleichtert, wenn das Konzert vorbei und alles geschafft ist?
Aust:
Zwei mal sogar. Das erste Mal, wenn der Künstler auf die Bühne kommt und das zweite Mal wenn er von der Bühne geht. Nicht immer klappt alles reibungslos. Unwetter oder unvorhergesehene Dinge wie liegen gebliebene LKWs können alles verkomplizieren. Meistens geht aber alles in einem Fluss von der Hand. Das Wetter ist gut, die Crew ist gut drauf, alle sind pünktlich und ausgeschlafen. 

 

Ist es schwer, Sie aus der Ruhe zu bringen?
Aust:
Ich bin eher schwer aus der Ruhe zu bringen. Es gibt ja nicht nur im Ablauf kritische Situationen. Das finanzielle Risiko ist da. Wenn wir ein Konzert planen, garantiert uns niemand, dass wir 40.000 Karten verkaufen. Wenn nur 30.000 kommen, merken wir das in der Kasse. Aber dafür sind wir Unternehmer. Ich kann mit diesen Sachen ruhig umgehen, habe mir da eine gewisse Gelassenheit angeeignet. Die Besucher sehen und wissen nicht, ob der Veranstalter gerade Miese macht oder verdient. Ob 10.000 oder 8.000 Besucher am Elbufer stehen – die Show bleibt für den Gast identisch. Das Geheimnis ist: Es muss auch gar nicht jeder wissen. An manchen Tagen verliert man sehr schnell sehr viel Geld, an vielen anderen kompensiert man es. Ausverkauft ist das schönste Wort der Welt! 

Woran entscheidet sich Erfolg oder Misserfolg?
Aust:
Konzerte lassen sich nicht wie Maschinen berechnen, bei denen in jeder Stunde der gleiche Maschinenstundensatz durchläuft. Wir fällen emotionale Entscheidungen. Wie stark sehe ich den Künstler? Was kann ich an Eintritt verlangen? Manchmal passiert es, dass wir einem Künstler sagen müssen, dass das Risiko zu groß ist. Es hat viel mit dem Bauchgefühl zu tun. 

 

Arbeiten Sie 24 Stunden am Tag?
Aust:
Ja, wenn es sein muss schon. Ich liebe meinen Beruf und ich würde nie einen anderen machen wollen. Nur deshalb funktionieren diese Arbeitstage. Trotzdem habe ich ein Privatleben. Ohne würde es nicht gehen. 

 

Wie gleichen Sie den stressigen Alltag aus?
Aust:
Ich habe Hobbys, wie jeder andere auch. Ab und zu spiele ich Fußball im Verein und mit Freunden. 

 

Ihre andere große Leidenschaft ist die Musik. Sie sind in einer Musiker-Familie geboren. Ihr Vater war Berufsmusiker. Prägt das? 

Aust: Selber zu musizieren, ist leider keines meiner Hobbys. Aber natürlich bin ich schon als Jugendlicher auf Konzerte gegangen. In so fern ist vielleicht mein Beruf ein Teil meines Hobbys, Musik live zu erleben. Ich bin schließlich damit aufgewachsen. Als Veranstalter lebt man seinen Job, egal ob

man im Clubbereich, als Konzertveranstalter oder im Festivalbereich arbeitet. 

Sie gehen also noch regelmäßig selbst auf Konzerte?
Aust:
Natürlich. Kürzlich habe ich mir eine Karte für U2 gekauft, weil ich sie einfach liebe. Da frage ich auch keine Kollegen, sondern kaufe mir eine Karte für den Innenraum und genieße die Show als Konsument. 

 

Wie sehen Sie die Musiklandschaft in Deutschland?
Aust:
Im Liveentertainment ist der Markt in den letzten Jahren extrem gewachsen. Dafür werden nicht mehr so viele CDs verkauft. Die Künstler sind häufiger auf Tour. Eine Rolle spielt das Freizeitverhalten der Leute. Das hat sich positiv entwickelt. Sie können es sich leisten, auszugehen und Konzertkarten zu kaufen. Allerdings kommt es auf den Künstler an. Die Kartenpreise schwanken zwischen 15 und 150 Euro. Wenn wir als Veranstalter es schaffen, ein Angebot zu präsentieren, inklusive Infrastruktur, bei dem sich die Leute wohlfühlen, dann investieren sie auch. 

 

Welchen Künstler würden Sie gerne nach Dresden holen?
Aust:
Wir wollten schon immer mal Tom Waits in der Semperoper sehen. Es würde uns als Veranstalter finanziell nichts bringen, aber es wäre eine Herzenssache für unsere Stadt. Ansonsten müssen wir uns an den Umständen in der Branche orientieren. Wer geht in welchem Jahr auf Tour? Manche Acts laufen hier besser, manche schlechter. Revolverheld zum Beispiel haben lange gebraucht, um hier den Durchbruch zu schaffen. 

Hat Dresden das Potenzial für mehr Konzerte?
Aust:
Umso größer ein Act ist, umso mehr Besucher kommen auch von außerhalb Dresdens. Als vor Jahren Robbie Williams hier war, hat er vor 2 x 75.000 Menschen gespielt. Auch bei AC/DC kamen die Leute aus Thüringen, Sachsen-Anhalt, der Tschechien und Polen hier her. Irgendwann ist eine Stadt auch gesättigt, aber es hängt mehr da- von ab, wen man auf die Bühne bringt. Ich denke, dass Dresden sehr gut mit Livekonzerten versorgt ist, viel besser als Chemnitz, Erfurt, Cottbus oder Halle und vielleicht sogar besser als Leipzig. Dort finden viele große Konzerte statt, die Infrastruktur ist einfach besser. Ins dortige Stadion gehen 45.000, hier 25.000. Wieso sollte ein Künstler auf 20.000 Zuschauer verzichten? Aber Dresden ist mit den Filmnächten am Elbufer, da können zwölf Konzerte stattfinden, und der Jungen Garde, dort sind es dieses Jahr 20 Konzerte, gut aufgestellt. Das sind schon über 30 Veranstaltungen im Sommer. Das schafft Leipzig nicht. 

Wo sehen Sie sich in 20 Jahren?
Aust:
Genau dort, wo ich jetzt bin. Ich träume nicht davon, Millionär zu werden. Wir müssen natürlich unsere Marktposition sichern und unsere Spielstätten entwickeln. Wir brauchen kein Büro in Berlin und Frankfurt oder Leipzig. Mir persönlich ist die Zugehörigkeit zu Dresden wichtig. Ich könnte mir höchstens vorstellen, noch eine Spielstätte zu übernehmen. Vielleicht eine kleine Open-Air-Bühne. 

 

Sehen Sie sich als Förderer Musik in Dresden?
Aust:
Zumindest nicht in dem Sinne, dass wir junge Künstler an die Hand nehmen, ihnen Proberäume zur Verfügung stellen und für sie Veranstaltungsreihen ins Leben rufen. Das ist die Aufgabe von Vereinen und Clubs, die dafür auch von der Stadt Förderung bekommen. Aber natürlich versuchen wir, junge, interessante Künstler nach Dresden zu holen und in das Vorprogramm von großen Acts einzubauen oder sie beim Stadtfest Auftrittsmöglichkeiten zu geben. 

 

Was gefällt Ihnen an einem Konzert am besten?
Aust:
Musik ist immer mit Emotionen verbunden und mit persönlichem Geschmack. Zum ersten Mal freue ich mich, wenn mir Acts wie Arcade Fire, Rammstein oder Kraftwerk überhaupt bestätigt werden. Diese Künstler auf der Bühne zu sehen, sind die Momente, bei denen ich wirklich glücklich bin. 

 

Sie haben schon viele Künstler getroffen. Wie wichtig ist das Verhältnis zu den Künstlern?
Aust:
Ich bin jetzt niemand, der sich pausenlos mit seinen Künstlern fotografieren lässt. Wir arbeiten lieber im Hintergrund und versuchen nicht, Freundschaften aufzubauen. Ich glaube, es ist zielführender, aber das ist meine persönliche Meinung, sich nicht aufzudrängen. Wichtiger ist, dass die Künstleragenturen uns vertrauen können. Früher mussten wir mit Geldkoffern überzeugen. Heute überweisen wir online nach der Show. Letztendlich geht es auch der Tournee-Agentur nicht um ein gutes Verhältnis zwischen Veranstalter und Künstler, sondern ums Geld. Es ist ein harter Markt und umso mehr freuen wir uns, zu den Tournee-Agenturen fast schon freundschaftliche Beziehungen aufgebaut zu haben. 

 

Hatten Sie schon ein kurioses Erlebnis mit den Musikern?
Aust:
Sowas gibt es. Marilyn Manson spielte mal in der Messe. Er reiste bereits einen Tag vorher an und wollte abends ausgehen. Gerade fand die Bunte Republik Neustadt statt. Wir warteten vor seinem Hotel, ein paar Stunden lang. Seine Tournee-Leiterin meinte noch, er und seine Kollegen würden ungeschminkt kommen, so dass niemand sie erkennt. Als sie kamen, sahen sie genauso aus, wie auf der Bühne und auf Pressefotos. Und dann ziehen Sie mal mit denen durch die Stadt... 

 

Ist etwas passiert?
Aust:
Es war sehr, sehr, sehr, aufregend. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Wir haben uns jedenfalls sehr gefreut, dass er am nächsten Tag gespielt hat. Nicht jeder wäre nach der Nacht aufgestanden. 

 

 

Rodney Aust 

Der 44-jährige Rodney Aust betreibt seit über 20 Jahren mit seinem Vater Bernd Aust eine Konzertagentur in Dresden. Zum Repertoire gehören Rock und Pop-Konzerte, Jazz, Klassik und mehr. Seit siebzehn Jahren betreiben sie den Alten Schlachthof, seit sieben Jahren die Freilichtbühne Junge Garde im Großen Garten.