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Spaziergang im…. Historischen Grünen Gewölbe
In zwei Wochen werden die Tore zu Augusts Schatzkammer wieder geöffnet. Disy durfte vorher rein.
Neugierig lugen die Menschen durch die Fenster, legen schützend die Hand über die Augen und versuchen wenigstens etwas zu erspähen von der legendären Pracht und dem Glanz des neuen Historischen Grünen Gewölbes. „Schon früher haben mich die üppigen Schätze überwältigt“, so Rentnerin Gisela Kreuzinger. „Aber dass die jetzt auch wieder in Augusts Schloss zurück sind ...“ Die alte Dresdnerin ist tief bewegt. Menschen aus aller Welt warten gespannt auf die Wiedereröffnung am 15. September. Was Gisela Kreuzinger und Millionen Menschen noch nicht vergönnt war, durfte Disy schon vorab genießen: einen Spaziergang durch die rekonstruierten Schatzkammern. Begleiten Sie Disy-Redakteurin Dagmar Möbius.
Wo der Mohr Smaragde trägt
Das Historische Grüne Gewölbe ist ein „begehbarer Tresor“. Wer wie ich hinein will, kommt um aufwändige Sicherheitsvorkehrungen nicht herum. Tasche und Mantel muss ich an der Garderobe abgeben und mich für den Spaziergang von Handy und Fotoapparat trennen.
Dann stehe ich im ca. 300 Quadratmeter großen „Vorgewölbe“. Der Fußboden ist grau. Echter Marmor. Mein Blick wandert zur Decke. Ich bewundere die wieder hergestellten Gewölbe. „Renaissance“, lass ich mir sagen. Dann wird mir ein Höhepunkt angekündigt. Gespannt spitze ich die Ohren. „Die fast vollständige Sammlung an Emailwerken aus Limoges“, erfahre ich. Aha. Ich habe keine Ahnung, wo Limoges liegt. Aber ich nehme mir vor, es herauszufinden.
Nach Personenkontrolle und ausgestattet mit einem Gästeausweis werde ich zur Schleuse begleitet, die an einen gläsernen Fahrstuhl erinnert. Die Tür öffnet sich, ich trete ein. Die Außentür schließt sich. Unsichtbar und unmerklich findet ein Luftaustausch statt und der Staub wird aus Kleidung und Schuhen entfernt. Nach ungefähr drei Sekunden öffnet sich die gläserne Innentür der Schleuse und ich stehe im „Bernsteinkabinett“. Der Raum ist relativ dunkel, die Beleuchtung gewollt dezent. Die Kunstwerke aus Bernstein liegen hinter doppelt entspiegeltem Glas. Beinahe stoße ich mit dem Kopf an die Scheibe. Ich habe das Gefühl, die Gegenstände direkt anfassen zu können. Daneben glitzern matt die Bernsteine auf dem legendären Schrank, den König Friedrich Wilhelm I. von Preußen 1728 August dem Starken schenkte.
Das sich anschließende „Elfenbeinzimmer“ gehört zu den Räumen, die wie ein großer Teil der Schatzkammer am Ende des Zweiten Weltkrieges zerstört wurden. Der Raum wirkt warm durch hölzerne Wandvertäfelungen. Ich finde, sie sieht „echt alt“ aus. Auf den Wandkonsolen und auf barocken Tischen stehen Drechselkunststücke und Skulpturen aus Elfenbein. Einige Konsolen sind frei. „Sie verdeutlichen die in der Geschichte des Grünen Gewölbes eingetretenen Verluste und werden auch künftig frei bleiben“, so die Erklärung.
Als Nächstes betrete ich das „Weißsilberzimmer“. Zinnoberrote Wände und eingebaute Spiegel faszinieren mich sofort. Einst standen hier Pokale aus Seeschnecken- und Straußeneiern sowie Kokosnussgefäße. Heute sind nur noch drei Originale aus Weißsilber vorhanden. Ich erfahre, dass die restlichen im 18. Jahrhundert eingeschmolzen wurden, weil man das Material brauchte. „Zur Vermünzung“, heißt die offizielle Begründung. Auch in diesem Raum gibt es etwas Besonderes. Die großen restaurierten Holz-Elfenbeingruppen von Simon Troger, dem Haus- und Hofbildhauer der bayrischen Kurfürsten, sind erstmals seit dem 2. Weltkrieg wieder zu sehen. Lediglich eine gläserne Brüstung trennt mich von den Schätzen und sorgt dafür, dass ich der Versuchung widerstehe, etwas zu berühren. Die Schätze stehen frei, sind nicht hinter dickem Vitrinenglas verborgen. „Das Sicherheitssystem ist so modern und mit hohen Kosten installiert worden, dass trotzdem ein Diebstahl ausgeschlossen ist“, verrät uns später ein Insider.
Im nächsten Raum, dem ungefähr hundert Quadratmeter großen „Silbervergoldeten Zimmer“, stehe ich vor leuchtend grün lackierten Wänden. Schön. Die historischen Spiegel, im Gegensatz zu den heutigen, wirken auf mich irgendwie bronzefarben und geben ein plastisches Bild wieder. Früher wurden sie mit Quecksilber hergestellt. Das ist heute verboten. Steffen Noack von der Firma „Spiegel Art“ aus Weißwasser war ehrgeizig und entwickelte in zwei Jahren eine Technologie, mit der historische Spiegel so wieder hergestellt werden können, dass sie von Originalen nicht zu unterscheiden sind. Natürlich mussten wegen des giftigen Quecksilbers umfangreiche Arbeits- und Umweltschutzmaßnahmen bei der Produktion eingehalten werden.
Die Silberfiguren scheinen sich vor den Spiegeln jedenfalls wie in alten Zeiten zu fühlen. Auf dem Wandfeld zwischen den Fenstern fallen mir prachtvolle Goldrubinarbeiten auf. Ich bemerke, dass kein Ausstellungsstück beschriftet ist. „Das ist Absicht, um den Gesamteindruck im Historischen Grünen Gewölbe nicht zu stören“, wird mir erklärt. Mehr als doppelt so groß ist der nun folgende „Pretiosensaal“, der Höhepunkt des Rundganges.
Ich laufe auch hier auf originalem Marmorfußboden. Die Beleuchtung imitiert Kerzenlicht. Die Wände sind fast vollkommen verspiegelt und mit aufgelegtem vergoldeten Schnitzwerk verziert. Die Original-Renaissance-Stuck-Decke stammt aus dem 16. Jahrhundert und steht im Kontrast zum barocken Charakter des Raumes. Was wird August der Starke in diesem riesigen Saal gemacht haben? Die in den Fensternischen hängenden Bildnisse der sächsischen Kurfürsten beantworten meine Frage leider nicht. Durch die Fenster schauen wie zu Augusts Zeiten Neugierige von außen hinein. Ob Gisela Kreuzinger auch noch dabei ist? „Schauen Sie herein“, hatte ich draußen auf einem großen Schild gelesen. Ein Wunsch der Direktion, damit wie früher das „Volk“ seine Neugier befriedigen kann. Ein guter Tipp für diejenigen, die noch keine Zeiteintrittskarte haben.
In das bloß 18 Quadratmeter kleine „Eckkabinett“ kann ich nur einen Blick durch ein goldenes Tor werfen. Der Raum ist aus Sicherheitsgründen verschlossen und wird auch künftig nicht begehbar sein. Das Zimmer ist zu klein. Die Wände könnten beschädigt werden.
Als Nächstes betrete ich das „Wappenzimmer“. Es gehörte zu den vollständig zerstörten Räumen. Auf den originalgetreu nachgebauten Wandschränken sind historische Wappen angebracht. Einige konnten vollständig wieder hergestellt werden. Andere blieben als Symbol in dem Zustand, in dem sie waren, als man sie aus Schutt und Asche zog. Verglichen mit den anderen Räumen kommt mir das Wappenzimmer sehr schlicht und sachlich vor.
Durch eine doppelte Holztür gelange ich ins „Juwelenzimmer“. Hier treffe ich einen alten Bekannten, den berühmten „Mohren mit Smaragdstufe“, eine Figur, die von oben bis unten mit Edelsteinen besetzt ist und schon immer als Symbol des Grünes Gewölbes galt. Die Juwelengarnituren in den vier Wandvitrinen sind auf dunkelblauer Seide gebettet und wirken dadurch besonders edel. Im „Bronzenzimmer“ stehen rund 80 Plastiken auf prachtvollen Säulen. Die Wände sind hier mit behandeltem Eichenholz verkleidet. Der neue „Raum der Renaissancebronzen“ mutet dagegen modern an. Hier stehen kleine Figuren aus Bronze wie der „Fliegende Merkur“ von Giambologna, einem italienischen Bildhauer.
Wie am Anfang meines Spazierganges lädt die ruhige Atmosphäre zum Stehenbleiben ein. Ankommen. Abkühlen. Durch die Luft- und Klimaschleuse geht’s zurück in das Vorgewölbe, wo ich noch einige Minuten verweile, um die einmaligen Eindrücke des Historischen Grünen Gewölbes setzen zu lassen. Gisela Kreuzinger wird staunen, wenn sie nach der Eröffnung endlich auch durch diese Räume wandeln darf. Ich jedenfalls bin tief beeindruckt.
Dagmar Möbius (Disy Herbst 2005)