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Wolfram Schnelle: Eine Wertediskussion ist wichtig
Wolfram Schnelle, Geschäftsführer der IHK Dresden
Erfolg, Macht und Einfluss - wie stehen Sie zu den Attributen des modernen Mannes?
Schnelle: Es wäre schade, wenn nur diese Attribute tatsächlich den modernen Mann heute ausmachen würden. Sicher gibt es sie, die Alpha-Menschen, welche diesen Motiven nahezu alles unterordnen. Aber das "Mann sein" ist in meiner Überzeugung und mit meiner Sicht im Alter von 58 Jahren wesentlich mehr, wesentlich facettenreicher und vielschichtiger.
Erfolg ist nicht mehr wichtig?
Schnelle: Jeder wird arbeiten und leben und dabei einen Mindestanspruch haben, dabei erfolgreich zu sein. Entscheidender nach meiner Erfahrung ist jedoch die Anerkennung, die im Tagtäglichen und im Speziellen mehr für Befriedigung sorgt, als das Gefühl, über allem, insbesondere über anderen Menschen zu stehen. Als Geschäftsführer eines Bereiches begegnet mir viel häufiger, teils auch sehnsüchtiger, der Wunsch nach mehr Anerkennung und Würdigung. Davon sind weder Mann noch Frau ausgenommen.
Sie sprechen von Ihren Mitarbeitern?
Schnelle: Ja. Mein Erfolg ist im Arbeitsprozess untrennbar mit dem Erfolg meiner Mitarbeiter verbunden. Und meine Genugtuung besteht darin, ihnen kreativen Raum zu lassen, den Weg für neue Ideen zu ebenen und auch Grenzen aufzuzeigen. Nur so konnten Veranstaltungen wie die "Lange Nacht der Industrie" in Dresden zum Erfolg geführt werden. Dazu bedarf es aber keiner Macht, sondern Einfühlungsvermögen und Akzeptanz. Aber dazu müsste ich wiederum nicht zwingend "Mann" sein.
Wie sieht es im privaten Bereich aus?
Schnelle: Im Privaten ist das Erfolgsmoment sehr direkt beeinflussbar. An Haus und Hof ist schnell ein Erfolg sehr selbstbestimmt, aus eigener Kraft und sehr kurzfristig zu erzielen. Der familiäre Konsens, dazu stehe ich, ist dann von meiner eigenen Kreativität und meinem Tatendrang geprägt; sicher auch mit der dafür notwendigen Dominanz. Natürlich ist das ein Ergebnis, welches erst nach vielen Ehejahren funktioniert. Nur bin in diesen Fällen ich derjenige, der die Anerkennung erwartet und erhofft.
Welche Werte sind heute erstrebenswert?
Schnelle: Mir ist wichtig, dass die Werte- Diskussion überhaupt wieder zur öffentlichen Debatte wird. Im Kontakt mit den eigenen Kindern und Enkeln sieht man sich dabei zum Teil in der konservativen Ecke. Aber, deshalb ist der Ansatz aus meiner Sicht in keiner Weise falsch. Das Zusammenleben und das Zusammenarbeiten bedarf Regeln, so wie wir die gesamte Gesellschaft versuchen mit (zum Teil zu vielen) Regeln bzw. Gesetzen am Funktionieren zu halten. Dennoch halte ich bestimmte Werte oder Tugenden nach wie vor für alltagstauglich.
Welche Regeln betrifft das?
Schnelle: Warum sollten Zuverlässigkeit, Ordnung, Höflichkeit, Pünktlichkeit nicht zum Standard unseres Wertesystems gehören? Selbst über aus der Mode gekommene Begriffe wie Gehorsam, Ehrfurcht, Achtung scheint es mir sinnvoll, in unserer schnelllebigen Zeit nachzudenken. Leider ist dieser Ansatz für die persönliche Entwicklung, für die Karriere, nicht mehr zwingend förderlich, teilweise sogar schädlich. Durch meine Arbeit bin ich wiederholt im Ausland unterwegs gewesen und würde fernab von Deutschland mit unserem vermeintlichen Wesen konfrontiert. So schätzen beispielsweise die Asiaten uns Deutsche für Werte, die diese unserer Kultur, der Musik und Literatur entnommen haben. Wird man dort damit konfrontiert, erschrickt man häufig und erkennt sich so gar nicht als der wieder, als der man dort gesehen wird.
Hat sich neben dem Wahrnehmen der Werte noch etwas geändert im Laufe der Jahre?
Schnelle: Das Bewusstsein für das genussvolle Wahrnehmen ist eine Eigenschaft, die zumindest bei mir mit den Jahren eher zugenommen hat. Ein Essen mit begleitenden Weinen kann über Stunden zelebriert werden und im Vergleich mit den über die Jahre gewachsenen Erfahrungen eine äußerst freudvolle und zutiefst befriedigende Veranstaltung werden.
Und was ändert sich bei Männern nie?
Schnelle: Dass Männer immer Kinder bleiben. Das macht uns so liebenswert. Kinder sind in der Regel auf die Mutter mehr fixiert, als auf den Vater. Warum sollte sich das später ändern, ist doch die Orientierung auf das andere Geschlecht überlebenswichtig für unsere Gesellschaft. Genauso sehe ich das mit dem Spielzeug. Die erste Begegnung mit Spielzeug beginnt unmittelbar nach dem Stillen, egal ob Plüschtier oder Blumenschnuller. Beim Mann ist diese Begegnung offensichtlich nachhaltiger, als bei den Frauen. Zumindest kenne ich viele Geschlechtsgenossen, welche - wie ich auch - im fünfzigsten Lebensjahrzehnt noch heimlich in irgendeinem Schieber oder Kasten auf dem Boden oder im Keller die Träume der Kindheit versteckt halten und auf heimliches Wiedererwachen hoffen. Bei dem Einen sind es die Matchbox-Autos, bei dem anderen die Eisenbahn, bei mir ist es beides.
Also darf der moderne Mann heute mehr Mensch mit Emotionen sein als früher?
Schnelle: Berufliche Herausforderungen in Einklang zu bringen mit den Vorstellungen und Erwartungen im privaten Umfeld ist die Herausforderung für viele in dieser Weise Tätige. Aber ich habe dabei auch Freunde gefunden, die die Verbindung von Job und Privatem helfen, zu überbrücken, den Spagat manchmal erst ermöglichen und die Arbeit somit bereichern. Freizeit und Familie heißt für mich, das zu genießen, was ich mir geschaffen habe, mit Frau, Kindern und Enkeln.
Sweet home?
Schnelle: So sehr ich in meinen vier Wänden aufgehe, so sehr bin ich auch ein Frankreich- Liebhaber, den es jedes Jahr in den sommerlichen Süden zieht. Es ist die Lebensart, die Einheit von Natur und Genuss, welche mich anzieht. Das Pendant im Winter ist eine Woche Aktivurlaub. Beim Skifahren finde ich ähnliche Genugtuung wie im Sommer. Abfahrten bis zur Erschöpfung mögen aus medizinischer Sicht fragwürdig sein, ich empfinde es als einen wundervollen Ausgleich.
Und trotzdem lieben Sie Ihren Job und Ihre Aufgabe sehr...
Schnelle: Natürlich ist die Einbindung in den Arbeitsprozess von entscheidender Bedeutung. Ich verstehe mich als Auftragnehmer der regionalen Wirtschaft und ich will insbesondere für die Industrieunternehmen Rahmenbedingungen und Service so beeinflussen, dass wir eine gesunde ökonomische Entwicklung im Kammerbezirk verzeichnen können. Diese Aufgabenstellung macht viele Querverbindungen und Netzwerke erforderlich, die nur dann leben, wenn sie aktiv und kreativ gestaltet werden.
Vita: Wolfram Schnelle hat an der TU Dresden Elektronik-Technologie und Feingerätetechnik studiert und ist Geschäftsführer Industrie und Außenwirtschaft an der Industrie- und Handelskammer Dresden. Vorher war er als Objektingenieur für den MLW Anlagenbau in Dresden, Berlin und Tiaret/Algerien tätig und Abteilungsleiter Ausstellungsbau am Deutschen Hygiene- Museum Dresden. Wolfram Schnelle ist verheiratet und hat zwei Kinder.