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Detlef Bothe: “Die meisten Menschen finden mich ziemlich nett.”

Er spielte den Schurken im Bond-Film „Spectre“ mit Daniel Craig und Christoph Waltz: der deutsche Schauspieler Detlef Bothe. Der 50-Jährige scheint auf die Rolle des Bösewichts abonniert. Für sein nächstes Projekt schlüpfte der gebürtige Braunschweiger nun sogar in die Rolle eines Serienmörders! Er drehte eine der insgesamt fünf Folgen des neuen Crime-Formats „Protokolle des Bösen“ des TV-Senders A&E, in der die schockierendsten Fälle der Kriminalgeschichte analysiert werden. Der anerkannte Kriminalist und Autor Stephan Harbort führte Interviews mit 50 deutschen Serienmördern, um herauszufinden, weshalb Menschen zu Killern werden. Fünf dieser Gespräche wurden im Rahmen eines Kammerspiels nachgestellt. Detlef Bothe spielt den Sexualmörder Johann Fischer, der wegen mehrfachen Morden und Vergewaltigungen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. Ausgestrahlt werden die Folgen (auch Michaela May und Uwe Ochsenknecht schlüpfen in die Rolle von Serienmördern) ab September, wir haben mit Bothe aber schon jetzt über das Projekt gesprochen. Im Interview erzählt der Schauspieler nicht nur, wie er sich auf die Rolle des Massenmörders vorbereitet hat, sondern er verrät auch, wie “Spectre” sein Leben verändert hat.

 


Herr Bothe, was war das Reizvolle für Sie, in „Protokolle des Bösen“ zu spielen? Vorab war von Ihnen der Satz zu lesen, so eine Rolle "wird einem selten angeboten".

DB: Ja, exakt, genau so: Ein derartiger auswuchernder Part ist die absolute Ausnahme und auch in dieser Konsequenz. Eigentlich ein Schauspielertraum. 

 

Haben Sie sofort zugesagt? Oder zögert man doch ein bisschen, einen Serienmörder zu spielen, gerade eine reale Figur?

DB: Nach dem ersten Lesen war ich empört und habe das Script in die Ecke gefeuert. Ich habe dann schlecht geschlafen, aber am nächsten Morgen dachte ich: „Okay, das ist verdammt harter Stoff, aber du bist Schauspieler und nicht der Täter.“ Und dann wollte ich die Rolle unbedingt spielen. 

 

Einen Mörder kann man nicht einfach zu einem Hintergrundgespräch treffen, um für eine Filmrolle zu recherchieren. Wie haben Sie sich auf die Rolle des Johann Fischer vorbereitet?

DB: Der Text ist natürlich entscheidend und auch die Kernsituation, also der Raum. Die Sprache des Mörders ist der innere Faden; darüber ist ein Zugang möglich, und dann war es vor allem die trostlose Kindheit, die wahrscheinlich keine war. Über diesen Bogen konnte ich dieses Monster spüren... Er wurde zum Monster aus Vernachlässigung, könnte man schließen. Darüber ließ sich der Zugang zu diesem Menschen öffnen und nachempfinden.

 

Wie versetzt man sich in die Psyche eines Mörders hinein?

DB: Sein Gemütszustand war mein Schlüssel. Wenn er diese Taten nicht begangen hätte, wäre er im Grunde genommen ein kaputter und bemitleidenswerter Typ. Das Gefängnis hat offenbar zu seiner Verrohung beigetragen: der ständige Umgang mit dem Bösen, dem Kaputten... Das Umfeld kreiert Menschen, das kennt man ja. Um den Charakter besser zu greifen, habe ich meine Stimme verändert: alles ist härter, roher, abgerissen, angestrengt, verspannt, ungelebt. Bei diesem Typ gibt es eine Menge Ansätze. 

 

Oft sind Mörder in Filmen fiktive Figuren, bei „Protokolle des Bösen“ handelt es sich um Personen, die die Taten real begangen haben. Macht es das für Sie als Schauspieler einfacher oder schwieriger?

DB: Im Grunde genommen spielt es überhaupt keine Rolle, ob fiktiv oder nicht. Denn du steigst ja sowieso in den Charakter ein.

 

Welches war für Sie die größte Herausforderung an Ihrer Rolle?

DB: Den Part in einem Bogen zu spielen. An einem Tag ohne Proben gleich loszulegen, war schon nicht ohne. Da klar war, dass die Bedingungen solche sind, war ich gut vorbereitet und bin quasi schon als Serienmörder zum Set gekommen (lacht), um die Rolle wieder so schnell als möglich loszuwerden.

 

Als Schauspieler muss man in jede Rolle schlüpfen können, das ist der Job, aber hat gerade diese Rolle Sie nicht belastet?

DB: Die Rolle hat belastet! Eindeutig! Diese Rohheit ist wie ein Virus, sie breitet sich aus... In einem gesunden Umfeld werden sie aber sofort abgefangen bzw. kenne ich das schon ganz gut: die Notwendigkeit, Rollen auch wieder abschütteln zu müssen. 

 

Was glauben Sie, warum man gerade Sie für die Rolle ausgewählt hat?

DB: Tja, gute Frage. Das würd‘ ich auch gern mal wissen. Die meisten Menschen finden mich ziemlich nett – glaub‘ ich.

 

Drei Gründe, warum das das neue Format „Protokolle des Bösen“ in Ihren Augen sehenswert ist. 

DB: Der Profiler und Autor Stephan Harbort hat da eindeutig eine sehr spezielle Arbeit geleistet. Er hat sich mit einer bemerkenswerten Akribie und Geduld diesen Menschen genähert und eine Basis geschaffen, auf der sie sich öffnen konnten. Das Konzept der Umsetzung finde ich ebenfalls sehr attraktiv – zumal der eigentliche Autor und Profiler der Spielpartner ist. Darüber gibt es denn tatsächlich ein Realkonsens. Ein Teil der Story ist wahr, der andere ist fiktiv gespielt. Ich finde das ungeheuer spannend, und es setzt sich maximal von ähnlichen Formaten ab, die tatsächliche Taten präsentieren oder nachstellen. Der Grad ist hier so schmal, wie das zuletzt vielleicht bei dem „Totmacher“ von Karmakar der Fall war, mit Götz George als Täter. Der Götz George hat das ja auch als große Herausforderung gesehen.

 

In Filmen und im Fernsehen wird viel gemordet. Warum, glauben Sie, reizt das Böse so?

DB: Es gibt da sicherlich einige Aspekte. Bei Verbrechen geht es immer um viel: um das Leben, um das Vermögen, die Gesundheit, und es lässt sich dramaturgisch auch gut verarbeiteten. Man könnte auch Scheidungsfälle wunderbar in diese Richtung treiben, aber da brauchen sie auch die großen Konflikte und Auseinandersetzungen, damit es spannend bleibt. Also, die Spannung macht das Verbrechen so anschaulich, und natürlich ist der Zuschauer froh, zu Hause gemütlich zu hocken und nicht am Haken zu sein.

 

Erst Schurke, jetzt Serienmörder. Sind die "bösen Rollen" die besseren?

DB: Sie sind in der Regel griffiger, besser und deutlicher zu gestalten. Was natürlich nicht heißt, dass gute Charaktere nicht auch ihren Reiz haben. Aber die müssen dann schon auch Futter haben. 

 

Früher haben Sie den Sunnyboy gespielt, jetzt immer öfter den Bösewicht. Würden Sie jetzt gerne mal wieder den Guten spielen?

DB: Nichts dagegen, aber erzwingen lässt es sich ja auch nicht (lacht). 

 

In „Spectre" haben Sie eine eindrucksvolle Leistung hingelegt. Wie hat Bond ihr Leben verändert?

DB: Vielen Dank! Es hat natürlich einen Aufmerksamkeitsschub gegeben. Die Medienaufmerksamkeit ist nun ein ganz andere.

 

Wie geht es beruflich weiter? Gibt es Angebote -  auch aus Hollywood?

DB: Es gab und gibt einige Projekte, meist Kino. Demnächst startet „Anthropoid" in Amerika und England, in dem ich Reinhard Heydrich spiele. „Die Vierhändige" ist ein deutscher Kinofilm von Oliver Kienle, in dem ich ebenfalls einen Gewaltverbrecher spiele. Die Produktion von "sky sharks" geht im Frühjahr weiter, in der ich eine der Hauptrollen spiele: die Figur des Dr. Kammler, der Architekt der KZ-Anlagen und unterirdischen Fertigungsanlagen für die deutsche Luftwaffe. Der wird für Furore sorgen und weltweit laufen. Dann gibt es immer wieder Castings für England und Amerika und mittlerweile auch für Frankreich. Zudem gibt es natürlich noch das deutsche TV sowie meine eigenen Filme, die ich zum Teil auch selber herausbringe, wie jetzt „into the suite", eine Produktion meines Labels „b-filme“. Indie-Filme sind meine zweite Leidenschaft.

 

Text: Andrea Vodermayr