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Horst Lichter: Horst, das Huhn und das Ei...
Horst, das Huhn und das Ei...
Vor ein paar Wochen hat dieses wundersame Leben mir mal wieder eine lehrreiche Erfahrung beschert: Ich wache am Sonntagmorgen nach einer herrlich- durchschlummerten Nacht frisch und fröhlich auf. Das Sonnen- licht strahlte sich frech einen Weg durch zwei Rolladenspalten und draußen in den Bäumen jubilierten Amsel, Drossel, Fink und Star um die Wette. Neben mir schlummerte noch wohlig und zufrieden mein Schatz den Schlaf der Schönen und Gerechten.
Kurzum: ein Tag, um dem lieben Herr Gott zu danken, dass das Leben so schön sein kann. Leise, um meine Süße nicht zu wecken, taperte ich in die Küche, um mir einen frischen Kaffee zu brühen. Und dann passierte es. Wie aus dem Nichts erschien vor meinen Augen das Bild einer großen Pfanne Rührei mit Speck. Gleichzeitig bekam ich auf der Stelle einen Riesenappetit, dass könnt ihr euch nicht vorstellen. Ich war selber so überrascht von dieser Heißhungerattacke, dass ich sofort beschloss, mit einer großen Pfanne von Eiern und Speck Abhilfe zu schaffen und meinen kulinarischen Gelüsten auf der Stelle nachzugeben.
Runter in die Küche, die schwere Pfanne auf den Gasherd und einer ordentlichen Messerspitze gold gelber Butter beim Schmelzen zuzuschauen war eins. Dann ein paar nicht zu dünne Streifen vom Schwarzwälder Bauernspeck abgeschnitten und bereit neben die Pfanne gelegt. Jetzt fehlten nur noch die Eier. Flugs die Schachtel aus dem Kühlschrank und ... und das Verhängnis nahm seinen Lauf. Leer! Das heißt, fast leer – bis auf ein kleines, mickriges Ei in der linken hinteren Reihe. Gut – wie sagt doch der Volksmund: Besser ein halbes Ei als gar keins. Also greife ich nach dem Ei, das aber irgendwie am Eierkarton festklebt, sich des wegen auch nicht lösen lässt, sondern zerbricht und dotterweich über meinen Daumen auf die Arbeitsplatte tropft. Konsterniert und der Verzweiflung nahe betrachte ich das Malheur. Das sind nieder schmetternde Momente im Leben eines heißhungrigen Kochs. Aber – das kann dem besten Horst passieren.
Mit dem Moped auf Eiersuche
Was nun, sprach das Huhn? Aufgeben? Aber nicht mit mir, Kinders. Von einem kaputten Ei lasse ich mich nicht ins Bockshorn jagen. Wozu lebe ich auf dem Land? Der nächste Bauernhof mit Hühnern ist doch bestimmt hier irgendwo ganz in der Nähe – und wer suchet, der findet. Also rein in die Lederklamotten, rauf aufs Moped und los ging die Suche nach dem Weg zum gelobten Hühner und Eierparadies.
Nach einer Viertelstunde kam ich an einem Traum Bauernhof vorbei, und wie der liebe Gott das so will, stand auch noch ein dickes, verwittertes Holzschild mit der vertrauenserweckenden Inschrift „Hofladen“ an der Zufahrt zum Hof. Ich stellte das dampfende Moped am Schild ab und schlenderte durch die wärmende Morgensonne zum Hof. Als ich um die Ecke ging, jubilierte mein Herz – auf einer Wiese sah ich ungefähr zehn Hühner eifrig pickend durch eine wilde Wiese staksen. Alleine dieses idyllische Bild sah besser aus als jede Eier-Werbung, die ich mir in meinen rühreiumnebelten Gedanken vorstellen konnte. Natürlich hatte der Laden zu, aber das war mir von vornherein klar gewesen. Ich beschloss, einfach anzuklingeln. Natürlich hoffte ich inständig, dass die guten Bauersleute Mitleid mit einem freundlichen, aber heißhungrigen Fernsehkoch haben würden.
Und genau so kam es. Nach einer Schrecksekunde wurde ich freundlich in die gute Stube gebeten und während die liebenswerte Hausherrin mir aus dem Hofladen zehn frische Eier holte, schenkte mir der Bauer einen frisch gebrühten Kaffee ein und erzählte mir ein bisschen von seinem Tierbestand, seiner Philosophie einer natürlichen Landwirtschaft und lud mich zu einer Hofführung ein. Ich sagte begeistert Ja und versprach, bald wiederzukommen. Aber erst mal wollte ich ja schnell nach Hause und mit meiner Süßen ein himmlisches Rührei zum Frühstück verputzen.
Zu Hause betrachtete ich die prachtvollen Eier und eine Sache fällt mir sofort auf: Herrschaften, wann habt ihr das letzte Mal einen Zehnerkarton Eier in der Hand gehabt, in der jedes Ei anders aussah? Ich hatte alles dabei: groß und eher schlank, klein und dick, dick und riesig, gesprenkelt braun, nur weiß, weiß und gesprenkelt ... aber alle verschieden! Faszinierend, oder? Mir kam sofort der alte Spruch in den Sinn: Kein Ei gleicht dem anderen. Flugs die Eier aus dem Karton, sanft am Pfannenrand aufgeschlagen und nur fünf Minuten später stand endlich mein Morgentraum verführerisch vor mir auf dem Frühstückstisch. Dieser Geruch von Ei, Butter und Speck, der nun durchs Haus waberte, war unbezahlbar. Dazu ein Kanten frisches Bauernbrot, lecker Kaffee, Fenster auf und die Sonntagszeitung. Das sind Momente des Glücks, die so einfach geschaffen werden können. Ein Königreich für ein gutes Ei. Aber was ist ein gutes Ei? Was soll ich kaufen? Gleicht nicht doch ein Ei dem anderen? Nein, ihr Lieben! Auf keinen Fall.
Das haben wir Verbraucher schon vergessen, weil wir uns so sehr an die Einheits-Eier aus den unsäglichen Legebatterien gewöhnt haben, in denen aus Hühnern arme Schweine gemacht werden, die brutal zusammengepfercht und jeder Würde beraubt Eier nach DIN-Norm legen sollen.
Aber die Eier in meiner Pfanne, das waren Eier von Tieren, die „einfach“ auf dem Hof leben, natürlich gefüttert werden und noch Huhn sein dürfen. Wer nicht weiß, was das bedeutet, der sollte sich einfach mal kritisch informieren: Was ist der Unterschied zwischen Eiern aus dem Legekäfig, aus Bodenhaltung, Freilandhaltung oder vom BioHof. Das ist aber nichts für empfindliche Gemüter. Ich weiß jedenfalls, dass es eigentlich keine Alternative zu Eiern von glücklichen Hühnern gibt. Natürlich weiß ich auch, was jetzt einige von euch denken: Lieber Horst, hast du einen an der Eierwaffel? Wo soll ich denn mitten in der Großstadt einen Bauernhof finden? Und muss ich jetzt einen Kredit aufnehmen, wenn ich Pfannkuchen oder Rührei für die Familie machen möchte?
Das sind berechtigte Einwände. Aber auch hier ist wichtig: Es gilt erst mal, ein Bewusstsein zu schaffen, dass Tiere nicht gequält werden dürfen. Auch in der Großstadt gibt es Märkte, auf denen noch anständige Eier verkauft werden. Sprecht mit den Verkäufern, hakt nach. Ja, die richtig guten und natürlichen Eier sind teurer, das ist mir schon klar. Aber gute Qualität und Tierschutz haben nun mal ihren Preis, und wenn ihr es euch leisten könnt, dann tut etwas gegen den Wahnsinn der verkrüppelten Tiere in den Legebatterien. Wer es sich nicht leisten kann, informiert sich und kauft das, was er am besten mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Jeder wie er kann, aber nicht vergessen: Am Ende hauen wir uns auch ein Stück weit selber in die Pfanne.
Disy-Buchtipp:
Der TV-Koch ist enorm populär - auch, weil er weiß, dass es beim Kochen nicht auf Brimborium ankommt. Sondern darauf, mit Liebe bei der Sache zu sein und aus Zutaten das Beste herauszuholen. In seinem Kochbuch „Die Lust am Kochen“ weckt er diese Geschichten jetzt zu neuem Leben. Die rund 50 Rezepte sind mal leicht, mal anspruchsvoll, aber immer raffiniert. Die Kapitel folgen den Zutaten, mit denen Horst Lichter sein Leben lang gerne gekocht hat.
Verlag: Gräfe und Unzer, Preis: 19,99 Euro