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Starkoch Alfons Schubeck: "Ich streiche jeden Tag mein Leben durch ein Sieb."

Disy-Interview mit Alfons Schuhbeck Über das Leben, Leidenschaften und natürlich das Kochen

Ihre Dinner-Show „Taetro“ geht jetzt schon in die 16. Runde. Ist alles schon Routine?
Schuhbeck:
Wir arbeiten jetzt schon viele Jahre an unserer Show. Entweder man macht das gerne oder man lässt es bleiben. Ich bin selbst 98 Prozent der Abende vor Ort. Der persönliche Kontakt zu den Gästen ist mir sehr wichtig. Ich bin froh, dass die Leute zu uns kommen und will sie deswegen auch begrüßen und verabschieden. Ich gehe jeden Tag zuletzt und habe deswegen genug Zeit, mit meinen Gästen zu sprechen.


Jeder möchte ein Foto mit Ihnen machen. Finden Sie das gut oder anstrengend?

Schuhbeck: Früher wurden nicht immer Hunderte von Bildern gemacht. Heute kommen die Leute zu mir und zücken ganz selbstverständlich ihr Handy. Ich musste mich entscheiden, ob ich diese Entwicklung unterstützen wollte oder nicht. Warum sollte ich mir etwas einbilden? Wenn ein Gast gerne ein Foto haben möchte, mache ich eins mit ihm.


Sie müssten sich eigentlich nicht mehr um Fans bemühen. Sie sind schon berühmt.

Schuhbeck: Gästekontakt gehört zu meinem Job, sonst steht das Ganze auf einem Bein. Ich fühle mich weder berühmt noch prominent.


Sie haben einen hohen Qualitätsanspruch. Ist es schwer, in dieser schnelllebigen Zeit Qualität zu wahren?

Schuhbeck: Wenn man einmal diese Stufe erreicht hat, auf der ich mich befinde, möchte man sie nicht mehr verlassen. Es hat mich viel Mühe gekostet, sie zu erreichen. Jeder muss sich eine Technik für den Erfolg erkämpfen. Wenn man die einmal drauf hat, muss man sie beibehalten und spezialisieren. Außerdem braucht man ein gutes Produkt und Menschen, die gerne mitarbeiten. Dann kann man stets hohe Qualität bieten.


Gilt das im Geschäft und beim Kochen?

Schuhbeck: Es handelt sich um das gleiche Prinzip. Von uns Deutschen wird das oft unterschätzt. Ohne gutes Grundprodukt kann ich nicht kochen. Auch wenn ich alles andere richtig mache. Man kann das mit einem Auto vergleichen. Die Leute kaufen sich für 39 Euro einen Liter Öl für ihr Auto - kein Problem, weil es ja ihr Auto ist. Für sich selber zum Kochen wollen sie dann einen Liter Öl für 2 Euro haben. Das kann nicht gut sein.


Sie kochen selbst, arbeiten in Ihren Firmen und sind präsent im Fernsehen. Sie sind scheinbar überall. Haben Sie noch ein Privatleben?

Schuhbeck: Nein! Das hat sich so ergeben. Es gibt nicht mehr viel andere Dinge, die da noch Platz haben. Mein ganzer Tag ist ausgefüllt. Für mich bedeutet das jedoch keinen Stress. Heute habe ich zum Beispiel einen Kochkurs gegeben, dann ging es weiter zum FC Bayern und dann ins Teatro. Ich bin froh, dass bei mir immer etwas los ist. Ich habe mir das alles im Laufe der letzten 30 Jahre erarbeitet und empfinde es daher kaum noch als Stress. Für andere wäre mein Tagesablauf der Horror. Selbst wenn der Tag bis um zwei Uhr nachts geht, muss ich um 7 Uhr raus.


Bei Ihnen ist Job und Freizeit also eins?

Schuhbeck: Mein Tag ist immer ausgefüllt. Wenn mein Tagesablauf nicht gut organisiert wäre, würde Stress entstehen. Wenn jedoch alles organisiert ist, freue ich mich, die Schlacht gewonnen zu haben. Mit einem Unentschieden bin ich schon weniger zufrieden und wenn etwas schlecht läuft, ist das ganz bitter. Ich bin nur dann froh, wenn meine Gäste zufrieden sind.


Ihr Anspruch an Qualität und Organisation kann sicher nur funktionieren, wenn Sie auch Verantwortung an andere Menschen übertragen. Können Sie das?

Schuhbeck: Ja, ich kann meine Mitarbeiter zum Mitmachen motivieren und inspirieren, Freude an der Arbeit zu haben. Die Welt hat sich verändert. Wer hätte vor 50 Jahren geglaubt, als Koch ins Fernsehen zu kommen? Heutzutage gibt es eine Kochsendung nach der anderen. Wir sollten uns bemühen, einen positiven Spirit an junge Leute weiterzugeben. Wir müssen junge Köche motivieren, denn sonst gibt es bald keine Köche mehr.


Sie haben erheblich dazu beigetragen, das Image der Köche zu verbessern. Sind Sie stolz darauf?

Schuhbeck: Mehr oder weniger. Früher standen 50 Bewerber vor meiner Tür. Heute steht dort niemand mehr. Der Kochberuf ist hart. Die Arbeitszeiten gehen über Samstag und Sonntag und die Karriere ist ein langer Weg. Manche schaffen es und manche eben nicht. Heute bist du oben, morgen unten. Wenn du ein Jahr mal nicht im Fernsehen warst, kennt dich gleich keiner mehr. Generell hilft das Fernsehen dem Geschäft sehr.


Sie wirken immer sehr ausgeglichen. Kochen Sie innerlich auch mal?

Schuhbeck: Selten. Ich gehe jeden Tag eine knappe Stunde trainieren, das hilft. Oft nachts, da es mein Tagesablauf dann erst zulässt. Ich bin dann nur für mich, werde nicht angerufen und gehe danach ins Bett. Dann kann ich problemlos schlafen.


Und wie lange schlafen Sie dann?

Schuhbeck: An die vier, fünf Stunden. Um acht Uhr kommen meine Mitarbeiter und wir arbeiten den ganzen Tag durch.


Das klingt nach sehr viel Disziplin. Haben sie dennoch Verständnis für junge Leute, die alles oft entspannter sehen?

Schuhbeck: Oft ist dieser Ablauf keine Selbstverständlichkeit für sie und ich muss ihn erst erklären. Wenn man seinen Beruf jedoch gerne macht, vergisst man die Zeit. Nur wer keinen Spaß hat, schafft sein nötiges Arbeitspensum nicht.


Sie empfehlen also, die Leidenschaft zum Beruf zu machen bzw. den Beruf zur Leidenschaft?

Schuhbeck: Beides ist möglich. Um in den Beruf einzusteigen, sollte man sich ein Hotel mit geregelten Arbeitszeiten suchen. Wenn man dann drei Jahre älter ist und etwas erreichen will, sollte man richtig Gas geben. Sei fleißiger als alle anderen. Das Eis wird dann dünner und du wirst langsam fokussiert. Wenn du erst bekannt bist, kannst du nicht mehr in der Masse abtauchen. Aber, wenn man sich den Weg sucht - das ist wie bei einem Fußballspieler in der Bundesliga - dann wird man auch kritisiert. Beim Fußballspieler sofort von 70.000 Menschen. Man weiß, dass man sich unheimlich anstrengen muss, damit die Mannschaft und man selbst gewinnt. Wer das nicht kapiert, der hat seinen Beruf nicht kapiert - egal welcher das ist.


Ärgert Sie Kritik oder können Sie sie gut wegstecken?

Schuhbeck: Nein, nein! Ich höre mir Kritik an. Manchmal ist etwas dabei, das mir weiterhilft. Auf jeden Fall darf man nicht grantig reagieren. Wenn man nett ist, reagiert der Kritiker meist friedlich.


Wie motivieren Sie sich neu, wenn Sie sich über Jemanden geärgert haben?

Schuhbeck: Ich lasse gar nicht zu, dass ich mich ärgere. Wenn die Kritik unberechtigt ist, bekommt der Kritiker keine Nahrung von mir. Ich bekomme ihn und seine Kritik dann schnell wieder aus meinem Kopf und Herzen heraus. Ich weiß ja selber, ob sein Kommentar berechtigt ist. Wir gehen aber auf jede Reklamation ein.


Ihr Kunde ist also immer König?

Schuhbeck: Ja. Als Dienstleister musst du dich bis zu einem gewissen Punkt immer entschuldigen. Überschreitet dein Gegenüber deine Grenzen, musst du ihm klarmachen: Ich bin hier nicht der Hampelmann.


Sind sie ungeduldig mit dummen Menschen?

Schuhbeck: Da es immer dumme Menschen gibt, muss man auch immer mit ihnen rechnen. In Deutschland gibt es Meinungsfreiheit. Ich finde es jedoch schade, wenn Jemand ein Gespräch sucht, in dem nur dumm dahergeredet wird.
Viel von dem, was Sie sagen, klingt nach Lebensweisheit. Schuhbeck: Je reifer ich geworden bin, desto mehr haben sich meine Einstellungen verändert. Ich kommuniziere auch anders. In Situationen, in denen ich früher wütend geworden bin, bin ich heute gelassener.


Wie wollen Sie Ihre Zukunft gestalten?

Schuhbeck: Ich hoffe, dass es die nächsten zehn Jahre weiter geht wie bisher. Zehn weitere Jahre muss ich noch richtig Gas geben. Mit 70 kann ich den Löffel noch nicht weggeben. Solange ich gesund bin und Leistung erbringen kann, arbeite ich aktiv.


Haben Sie noch einmal etwas ganz Neues vor, um alle zu verblüffen?

Schuhbeck: Schuster bleib bei deinen Leisten! Was ich gelernt habe, möchte ich umsetzen - mit der Technik und der Denkweise von Heute. Ich schaue, wie sich die Menschen ernähren und wie ich ihnen dabei helfen kann.


Wie sollen sich die Menschen denn ernähren?

Schuhbeck: Gesund. Gewürze sind die einzige Medizin, die schmeckt. Hunderte Jahre hat sich der Mensch nur von Kräutern und Gewürzen ernährt. Da gab es kein Antibiotika und kein Penizillin. Die Menschen damals haben gewusst, was man aus der Nahrung nehmen muss.


Gewürze sind Ihr großes Thema, stimmt´s ?

Schuhbeck: Gewürze sind ja auch ein großes Thema. Es ist immer das Selbe: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Wenn ich fettig esse, nehme ich nicht ab. Natürlich fällt es neben all den Verlockungen oft schwer, sich nur gesund zu ernähren. Erstmal muss man sein Leben in den Griff kriegen, bevor man sehen kann, was einem gut tut und was nicht. Dann muss man sich entscheiden.


Ernähren Sie sich gesund?

Schuhbeck: Ja, sonst könnte ich nicht 18 Stunden am Tag Gas geben.


Die Disy-Abschlussfrage ist immer: Was haben Sie vom Leben gelernt?

Schuhbeck: Man lernt jeden Tag, wenn man ein bisschen aufpasst. Jeden Tag stehst du vor anderen Herausforderungen und wirst auf den Prüfstand gestellt. Es gilt herauszufinden, was gut ist und was schlecht. Ich streiche jeden Tag mein Leben durch ein Sieb und weiß dann, was ich am nächsten Tag zwischen 8 und 12 Uhr erledigen muss. So habe ich nicht den Druck wie andere, die alles gleichzeitig tun wollen. Ich lebe nur im Heute und in der Zukunft. Was gestern war, kann ich ja nicht mehr reparieren. Wenn ich etwas Unangenehmes nicht heute erledige, wird es sowieso nichts. Ich fahre ganz gut damit, die Dinge möglichst schnell zu erledigen. Dann kann ich mich wieder neuen Aufgaben stellen.