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Er gilt als Raubein und verkörpert in seinen Filmen meistens den Bösewicht: die Rede ist von Claude-Oliver Rudolph. Bekanntheit erlangte der Schauspieler vor allem durch seine Rollen in Erfolgs-Produktionen wie „Das Boot“ und der „König von St. Pauli“ sowie an der Seite von Pierce Brosnan im James-Bond-Film „Die Welt ist nicht genug“. Vor einiger Zeit macht er mit den Plagiats-Vorwürfen gegen seinen Schauspiel-Kollegen Til Schweiger Furore: Rudolph behauptete, Schweiger hätte die Idee zum Kino-Hit „Honig im Kopf“ von ihm geklaut. Jetzt zeigte sich der 58-Jährige einmal von einer anderen und eher „braven“ Seite. Er heuerte auf einem gemütlichen Hausboot an – rein beruflich. In Berlin stand er für eine der insgesamt sechs Episoden der neuen History-Eigenproduktion „Käpt’n Kasi  - auf hoher Spree“ (zu sehen ab 16. November immer montags um 22 Uhr bei History) vor der Kamera. Für die vierte Folge der Doku-Soap ging Rudolph mit Käpt’n Kasi alias Tobias Kasimirowicz auf Fischfang am Müggelsee, stieß mit diesem auf dessen Hausboot an und brauste im Cadillac durch die Gegend.

 

Wir haben Oldtimer-Fan Rudolph aus diesem Anlass zum Interview getroffen. Wie kamen Sie zu Käpt’n Kasi aufs Boot, Herr Rudolph?

C-O.R: Ich  habe eigentlich alle Bootsführerscheine, habe das Steuermann-Patent. Schon als Kind habe ich mein erstes Boot gehabt, denn meine Eltern hatten eine große Yacht in Holland. Mit etwa 13 habe ich bei der Marine in Glücksburg meinen Segelschein gemacht und die erste große Tour auf der Ostsee unternommen. Später bei der Marine habe ich dann noch den Sportbootführerschein und den internationalen Sportbootführerschein gemacht. Und ich habe selbst verschiedene Boote besessen: das Kleinste hatte 65 PS, das Größte zweimal 350 PS. Ich habe Touren im Mittelmeer gemacht  - Sardinien und Ibiza  - und im Norden bin ich bis nach Island gefahren. 

Warum fühlen Sie sich auf dem Wasser wohl?

C-O.R: Als Kind wollte ich immer Pirat sein. Es ist natürlich auch eine Mutfrage: Das Meer ist so gewaltig und kann so böse sein.... 

Bei Käpt’n Kasi auf dem Hausboot ist es ungefährlich. Sind Sie früher schon mal auf See in eine brenzlige Situation geraten?

C-O.R: Ja, ich war bei Marseille mit dem Boot unterwegs, und dort kommt man ganz schnell in den Nebel. Ich habe sehr schnell gar nichts mehr gesehen. Meine ganze Familie war mit an Bord und hat gezittert und gebibbert. Aber ich habe sie beruhigt: „Wir kommen schon wieder sicher an Land.“ Wenn man den ersten Hafen nicht findet, dann findet man eben den nächsten. Auf der rechten Seite kommt irgendwann immer ein Hafen. Und einmal war ich mit meinem Kollegen Richy Müller unterwegs, das war auf Sardinien. Wir wollten gerade zurückfahren, waren mitten auf dem Meer, und auf einmal ging uns der Sprit aus. Wir sind ganz langsam gefahren und sind mit dem letzten Tropen Sprit heil in Port Cervo angekommen. Es ist immer alles gut ausgegangen. Wenn man sich ein bisschen auskennt... 

Sie waren auch schon mit Herbert Grönemeyer auf dem Boot unterwegs...

C-O.R: Ja, wir sind schon in der Schule nebeneinander gesessen. Als Kinder sind wir auch mal gemeinsam nach Amsterdam gefahren und dort auf ein Touristenboot gestiegen. Und dann sind wir beide auch auf „Das Boot“ gestiegen. 

Wie sehen Sie Ihre Rolle in „Das Boot“ heute? War das Ihr Durchbruch?

C-O.R: Ja, das kann man so sagen. Es ist nach wie vor der erfolgreichste deutsche Film international aller Zeiten. Das hat jedem von uns etwas gebracht. Aus dem hinterletzten Komparsen ist ja etwas geworden. Und Wolfgang (Petersen) hat damit seine Eintrittskarte für Hollywood bekommen. 

Das „Raubein“–Image haftet an Ihnen wie kaum an einem anderen deutschen Schauspieler. Jetzt schippern Sie gemütlich bei Kasi auf dem Hausboot herum. Ist das ein Imagewechsel?

C-O.R: Überhaupt nicht! Ich war der Einzige, der an Bord nicht rumgeschleimt hat. Ich habe sofort zu Kasi gesagt: „Was ist das denn für eine Gammelkarre, was ist das für ein Schrott? Damit kommst Du doch nicht einen Meter weit. Das musst Du total neu renovieren, erst dann kann man eventuell von einem Hausboot sprechen. Aber jetzt ist es ’ne Pennergruft.“ 

Könnten Sie es sich vorstellen, selbst auf einem Hausboot zu leben?

C-O.R: Ja, das fände ich geil. Vor drei Jahren habe ich mich umgeguckt, als ich in Hamburg beim Theater war, und wollte unbedingt auf einen Hausboot wohnen. Es ist aber schwer einen Liegeplatz in einer guten Ecke zu bekommen, direkt an der Alster. Es gibt nur welche in hässlichen Gegenden. 

Haben Sie noch ein eigenes Boot?

C-O.R: Nein, dafür habe ich heute keine Zeit mehr. Das letzte Boot, das ich hatte, haben wir im Winter bei einem Freund auf einem Bauernhof untergestellt. Zuerst wurde der Motor geklaut. Die Pferde dort fressen gerne Mahagoni und haben den ganzen Rumpf angeknabbert. Nach der Wintersaison war das Boot nur noch Schrott. Seither habe ich kein Boot mehr. Wenn ich auf Mallorca bin, dann leihe ich mir manchmal eines. 

Was gibt es beruflich Neues?

C-O.R: Ich arbeite gerade an einem amerikanischen Film, zusammen mit meinen Freund Tarek Ehlail, mit dem ich schon „Chaostage“ gemacht habe. Und ich arbeite an einem deutsch-französischen Kriminalfilm, einer internationalen Co-Produktion. Ich spiele darin einen superbrutalen Cop. 

Sie sind seit Jahrzehnten im Geschäft, aber viele Ihrer Kollegen sind nach einem halben Jahr wieder von der Bildfläche verschwunden. Welches ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

C-O.R: Ich glaube, ein Geheimnis gibt es nicht, nee. Ich bin jetzt 37 Jahre dabei. Es ist einfach mein Genre. Das funktioniert. 

Nervt es nicht, immer den Ganoven spielen? Sie haben mal gesagt, Sie wären gerne mal der Liebhaber.

C-O.R: Das habe ich so nie gesagt. Ich habe gesagt, ich würde gerne mal Beethoven spielen. Ich habe den Liebhaber gespielt. Ich dachte mir damals: „Dann schreibe ich mal was anderes.“ Es war ein Liebesfilm mit Christine Neubauer, und es wurde einer der erfolgreichsten TV-Movies überhaupt. Das hat aber gereicht. Einmal Liebhaber reicht! Das ist nicht meine Welt und ich muss es nicht noch einmal machen. Aber ich wollte es einmal ausprobieren, um zu sehen, ob das weibliche Publikum das überhaupt sehen will, ob das angenommen wird. Man kann damit ganz schön auf die Nase fallen. Beim Schwarzenegger wollte es keiner sehen. 

Und es hat funktioniert?

C-O.R: Großartig sogar. Ich bin mit Christine Neubauer über den Kölner Ring spaziert und wir sind zusammen in ein Parfümeriegeschäft gegangen. Die Verkäuferin hat gesagt: „Toll gespielt.“ 

Vor einigen Monaten gab es Schlagzeilen wegen Til Schweiger: Plagiatsvorwürfe Ihrerseits bei seinem Film „Honig im Kopf“.

C-O.R: Es gab da einen riesigen Pressehype, aber das hat sich wieder gelegt. Ich habe das was Til wollte, den Tatort, abgesagt.  Ich habe gesagt, wir können zusammen einen Arthouse-Film machen, aber das wollte er nicht. Ich war aber nie sauer auf ihn, und ich habe auch das Wort „Plagiat“ nicht in den Mund genommen. Ich habe lediglich gesagt: „Der Til hat beim Schreiben von Honig in Kopf meinen Film im Kopf gehabt“. Man muss immer bei der Wahrheit bleiben. 

Wie ist das Verhältnis zu Til Schweiger heute? Sind Sie sauer auf Ihn?

C-O.R: Ach Quatsch! Ich hab Til doch entdeckt, ich habe ihn damals aus der Lindenstraße rausgeholt. Warum sollten wir jetzt Feinde sein? Man muss aber auch mal den Mut haben, die Wahrheit zu sagen. Wenn man einem Schüler, der einen Riesenerfolg hat, seinen Erfolg nicht gönnt, dann wäre man doch krank. Wir berühren uns aber auch gar nicht, haben künstlerisch bzw. beruflich nichts miteinander zu tun. Der Til ist Helene Fischer und ich bin Iggy Pop. Das ist so, als wenn der eine Zuckerbäcker ist und der andere der Drei-Sterne-Koch. 

Wie hat sich die Schauspielbranche über die Jahre verändert?

C-O.R: Es sind jetzt eben noch mehr Idioten, die da herumhampeln und sich Schauspieler nennen. Jeder Idiot, der fehlerfrei stolpern kann, nennt sich heute Schauspieler. Wenn ich dieses Promi-Kochen gucke, dann kenne ich keinen Einzigen von diesen sogenannten Promis. Wenn dann da steht „Schauspieler und Moderator“, dann denke ich mir: Das kann ja nicht wahr sein. Im richtigen Schauspielberuf hat sich aber nichts geändert. Die richtigen Schauspiele sind nach wie vor die gleichen. Oben angefangen mit Adorf und Götz George, dann Senta Berger und Iris Berben. Und dann der Lauterbach und der Ochsenknecht. 

Und von den Jungen? Wer hat da das Talent?

C-O.R: Beim Mittelalter finde ich Timo Jacobs gut, er ist eine Entdeckung von Klaus Lemke. Und der Elyas. Ein hübscher Kerl, ob er allerdings ein großer Tragöde ist, das wage ich zu bezweifeln. Aber er ist das was früher mal der Til war, 1993. Seinen Weg schlägt jetzt Elyas ein. 

Glauben Sie, Elyas M’Barek hat Chancen in Hollywood?

C-O.R: Ne, in Hollywood nicht. Die haben ja alle keine Ahnung wie hart und brutal das Geschäft dort ist. Vor allen Dingen wenn man die Sprache nicht beherrscht. Aber warum auch Hollywood? Wir sind der zweitgrößte Markt. Hollywood, das ist doch nicht die Krone der Schöpfung.  Die Amerikaner kommen doch zu uns und drehen bei uns Filme weil ihnen drüben das Geld ausgegangen ist. Alle bedienen sich heute der deutschen Filmförderung. Oder meinen Sie, ein Clooney dreht freiwillig in Kreuzberg oder einem Vorort bei Kassel? Da würde er doch nie freiwillig hinfahren! Das macht er doch nur, um schön die Subvention abzugreifen.... 

Kann man es als Deutscher in Ihren Augen drüben schaffen?

C-O.R: Ja, aber nur im Genre. Das muss man wissen, darauf muss man Bock haben. Adorf hatte darauf keinen Bock, er wollte sich breiter aufstellen. Ich spiele in den Ami-Filmen auch immer nur den Russen. Einmal Russe, immer Russe. Ich habe mich aber damit abgefunden. Das ist unser Fluch. Bei den Amis müssen nun mal immer die Deutschen als Bösewichte ran. 

 

Text: Andrea Vodermayr