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Ruth Maria Kubitschek: Morgengedanken

Entspannt sitzt sie in ihrem Schweizer Refugium. Das erste Interview des Tages führt Ruth Maria Kubitschek mit Disy. Sie ist entspannt, mit unserer Redakteurin Christine Salzer auf einer Wellenlänge und plaudert über das Leben, das Alter und ihr neues Buch.

 

„Ich hatte Erfolg und fand das auch schön. Aber ich habe gespürt, dass Erfolg am nächsten Tag vorbei ist, dass er etwas Flüchtiges ist, das du nicht festhalten kannst, auch nicht festhalten sollst, dass ich aber mehr will vom Leben und tiefer gehen.“

 

 

Ist es Zufall, dass Ihr neues Buch kurz nach Ihrem Fernsehpreis erscheint?

Kubitschek: Nach einem Bandscheibenvorfall konnte ich vor Schmerzen kaum gehen. Ich habe das einfach hingenommen, angenommen. Meine Lektorin hatte deshalb die Idee, ein Buch über das Alter zu schreiben. Wir dachten an Frauen in Venedig und in südlichen Ländern. Frauen, die auf Stöckelschuhen trippeln. Auch wenn sie alt sind, gehen sie anmutig. Ich mag das Wort „anmutig“. Es hat Eleganz, Biegsamkeit und Fröhlichkeit, enthält aber auch „Mut“, damit man im Laufe des Lebens biegsam bleibt und nicht verknöchert auf sein Recht pocht.

 

Was fasziniert Sie am Schreiben?

Kubitschek: Wenn man schreibt, ist man allein mit sich. In unserem Beruf redet jeder rein. Da sind Sie ein kleines Licht. Im Buch sind Sie von Anfang bis Ende Schöpfer. Sie schreiben und erfinden, geben her, was Sie erlebt haben, sind der alleinige Regisseur, Produzent und Spieler. Da ist alles enthalten, das finde ich schön. Außerdem geht man beim Buchschreiben in die Stille. Ich finde besonders schön, wenn man mit den Geschichten lebt.

 

Sie beschreiben, wie Sie in München eine 240 Quadratmeter große Wohnung hinter sich ließen und in die Schweiz zogen. Was war dabei der größte Einschnitt?

Kubitschek: Ich hatte Erfolg und fand das auch schön. Aber ich habe gespürt, dass Erfolg am nächsten Tag vorbei ist, dass es etwas Flüchtiges ist, das du nicht festhalten kannst, auch nicht festhalten sollst, dass ich aber mehr will vom Leben und tiefer gehen. Ich hatte bereits ein Zimmer in Salenstein in der Natur und liebte den See, die Weite und das einfache Leben. Dabei spürte ich, dass sich in meinem Leben etwas ändern musste. Ich wollte den ganzen alten Schamott, alles was ich bis zu meinem 60. Lebensjahr erlebt hatte, hinter mir lassen. An all den Möbeln, Teppichen und Bildern hing die ganze Vergangenheit. Ich war oft sehr traurig - wenn man jung ist, versteht man oft das Leben gar nicht. Es war ein Befreiungsschlag. Ich fing neu an und nahm nur Licht mit.

 

Licht und Einfachheit – was bedeutet das genau?

Kubitschek: Hier auf dem Dorf gehst du im Dorfladen einkaufen. Du gehst nicht abends auf irgendeine Party oder ins Kino, weil es das alles hier nicht gibt. Du bist also auf dich geworfen, auf den Sonnenaufgang, auf den Sonnenuntergang. Im Grunde lebst du mit der Natur. Das ist für mich das einfache Leben.

 

Sie sprechen von der Kraftquelle Natur?

Kubitschek: Auf der Hausrückseite schaue ich auf einen Wald mit wunderschönen alten Bäumen in verschiedenen Grüntönen. Das beruhigt. Genauso schön ist es, von meinem überdachten Balkon auf der Nordseite über den See zur Insel zu schauen. Drüben ist das kleine Gebirge mit einem heiligen Berg. Ihn jeden Tag in verschiedenem Licht zu sehen, wenn der Himmel einem unglaubliche Farben und Bilder vorspielt, macht glücklich.

 

Brachte Sie das auf die Meditation mit der violetten Flamme?

Kubitschek: Die sieben Flammen sind auch in der Bibel. Es sind sieben Energien, sieben Erzengel, die zu diesen Energieströmen gehören, mit denen man arbeiten kann. Die violette Flamme wandelt vieles um.

 

Wobei hilft Meditation mit Flammen im Alltag?

Kubitschek: Wenn Sie draußen waren und nach Hause kommen, haben Sie sehr viel Fremdenergie. Man merkt das auch, wenn man spürt, dass man wieder etwas Negatives gedacht hat, dass man über einen Menschen schlecht geredet hat. All die alten Muster, die wir in uns haben, Eigenschaften wie Hass, Neid, Eifersucht oder Wut, kann man erlösen - wenn man sich beobachtet und genau weiß, wann man wieder mal was Blödes gesagt hat, indem man alles mit der Bitte um Verzeihung an die violette Flamme übergibt. Man kann immer wieder auch sein Haus reinigen, den Garten und auch Freunde. Man kann das weiterschicken in die Natur, wenn man so will. Aber da muss man schon etwas von Meditation verstehen.

 

Machen Sie das mit anderen gemeinsam?

Kubitschek: Ja, viele Jahre habe ich einen ganzen Kreis gehabt. Viele Menschen. Ich habe auch Seminare gehalten. Nur in den letzten Jahren hatte ich so viel zu tun, dass ich nicht dazu kam. Jeden Morgen meditiere ich allein. Heute bin ich sechs Uhr aufgestanden, war sieben Uhr mit allem fertig. Dann ging ich bis acht Uhr meditieren und hatte immer noch genügend Zeit zum Frühstücken. Man kann sich nicht immer rausreden und sagen, man hätte keine Zeit zum Meditieren.

 

Was ist aus Ihren Münchner Kontakten geworden?

Kubitschek: Mit einer Münchner Freundin, die ich fünfzig Jahre kenne, war ich gerade mit dem Auto in der Provence. Wir lieben die Lavendelfelder so. Wenn Sie wirkliche Freunde haben, bleiben die. Für Freunde muss man sich einsetzen, muss etwas geben.

 

Sie haben über Otto Waalkes und seinen Liebesfilm geschrieben ...

Kubitschek: Ja, da war ich hier in die neue Wohnung eingezogen und hatte Sorge, ob ich die teure Miete bezahlen kann. Dann habe ich das Engagement für den Film bekommen. Otto war in den Proben unglaublich erfindungsreich und hat irrsinnig komische Sachen gemacht. Er hat mich und das Haus ausgemessen, nur aus Quatsch – vor dem Spielen. Nachher war er aber wieder ganz Profi. Er hat auch Regie geführt. Er weiß sehr viel von dem Beruf, malt und hat eine richtige philosophische und malerische Ausbildung. Otto ist ein toller Bursche.

 

Was hat Sie das Leben gelehrt?

Kubitschek: Es hat mich gelehrt: Man musst erstmal geben, bevor man nehmen kann, und eigentlich ziemlich viel geben. Wenn du Bauer bist, säst du. Du weißt nicht, was wird, ob Regen oder Stürme kommen, ob alles kaputtgeht oder es eine tolle Ernte wird. Du musst es tun! Ich weiß nicht, ob mein Buch ein Erfolg wird, ob es die Menschen anspricht. Du musst es tun! Wenn du eine Rolle spielst, weißt du auch nicht, ob du gut bist oder verrissen wirst, aber du tust es. Man kann sich nur im Tun entwickeln. Ich habe einen Garten gebaut, damit ich nicht nur rede, dass die Natur wertvoll ist, sondern dass ich es beweise mit meinem Geld, mit meinem Einsatz. Das ist das, was mein Lebensmotto ist: Tun.

 

Haben Sie eine Lebensregel?

Kubitschek: Wir leben einfach so dahin. Wir atmen, denken, atmen. Was ist Atem? Wenn ich nicht mehr atme, bin ich tot. Also muss der Atem wertvoll sein.

 

Unser Ministerpräsident in Bayern hat Sie für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Kubitschek: Es hat mich sehr berührt, wie er gesprochen hat. Ich war wirklich kurz davor ein bisschen die Fassung zu verlieren, weil ich das sehr schön fand.

 

“Zwischen 40 und 50 war ich richtig

down, weil ich Enttäuschungen erlebt

hatte. Damit konnte ich noch nicht

umgehen. Da haben mir Bücher geholfen.

Da lernst du, warum wir leben, warum wir

hier sind und was wir zu tun haben.“

 

Worauf freuen Sie sich am meisten?

Kubitschek: Eigentlich freue ich mich auf jeden Tag, den Sonnenaufgang, der golden in meinem Zimmer leuchtet. Ich lebe gern. Da spielt das Alter keine Rolle. Das ist das, was ich gern den Menschen weitergeben will: Das Leben ist kostbar und man soll sich einfach freuen. Natürlich habe ich Glück, dass ich diesen Beruf hatte und dass ich geworden bin, was ich bin. Aber das war mit viel Arbeit an mir selbst und überhaupt verbunden.

 

Welche Rolle spielt Ihre Familie im Augenblick?

Kubitschek: Meine Familie ist in der Nähe. Mein Sohn wohnt zwölf Minuten entfernt. Wir treffen uns immer sonntags zum Essen. Meine Enkelin war auch in der Nähe, studiert jetzt aber. Wenn sie herkommt, sehen wir uns. Wir kleben nicht aneinander, aber lieben uns.

 

Was ist Ihr nächstes großes Ziel?

Kubitschek: Ich habe keinen Ehrgeiz, noch irgendeine Rolle zu spielen oder irgendein tolles Buch zu schreiben.Ich lebe im Jetzt und warte, was das Leben mir beschert. Es ist nicht so, dass ich jetzt unbedingt etwas will. Ich möchte gut hinübergehen eines Tages. Ich habe keine Angst vor dem Tod.

 

Sie müssen doch Pläne haben ...

Kubitschek: Das möchte ich noch und das möchte ich noch? Das habe ich gelernt im Leben: Wenn du einen Plan machst, der wird meistens umgeworfen. Also lass doch das Leben dich überraschen.

 

Die Phase zwischen 40 und 50 beschreiben Sie als eine Phase der relativen Ruhe, in der Sie weniger geschauspielert haben. Was war für Sie in dieser Phase die größte Kraftquelle?

Kubitschek: Zwischen 40 und 50 war ich richtig down, weil ich Enttäuschungen erlebt hatte. Damit konnte ich noch nicht umgehen. Da haben mir Bücher geholfen. „Leben und die Lehren der Meister im Fernen Osten“ - das ist ein Buch, das ich nur jedem empfehlen kann. Ein Amerikaner hat es geschrieben, er war mit zwölf Wissenschaftlern nach Tibet gegangen. Was ihm da begegnet ist, ist umwerfend. Da weißt du, warum wir leben, warum wir hier sind und

was wir zu tun haben. Nämlich, um uns zu entwickeln. Das hat mir geholfen. Wenn man offen ist, findet man wirklich die Bücher, die einem helfen.

 

Was mögen Sie an München?

Kubitschek: Mich verbindet viel mit München, ich liebe diese Stadt. Das hat nichts damit zu tun, dass ich weg gegangen bin. Ich komme immer wieder gern nach München. Ich finde Lehel wunderschön, da hinten, wo das Bistro ist und der Markt. Die St. Anna Kirche liebe ich über alles. Ich liebe die Straße von der Feldherrnhalle nach Schwabing hoch und den Englischen Garten, jeden Baum. Da bin ich rumspaziert oder habe Märchen geschrieben. München ist ein Teil von mir, ich war viele Jahre da. Ich habe immer geträumt, dass ich noch in meiner Wohnung wohne, weil ich die so liebte.

 

Und die Münchner?

Kubitschek: Das sind ganz herzliche Menschen, ganz gerade Menschen und wirklich liebevoll. Jeder Münchner fühlt sich ein bisschen als Stenz. Das finde ich schon sehr witzig. Jeder wünscht sich, glaube ich, eine Frau wie das Spatzl. Damit identifizieren mich auch die Jüngeren.

Es ist einfach sehr schön. Das Essen ist schön, die Menschen sind prima. München hat etwas bewahrt, was auch dorf-ähnlich ist: eine gewisse Einfachheit im Leben. Du kannst ins Bratwurst Glöckl gehen und da deine Würschtel mit Kraut essen oder Weißwürschtel oder einfach eine Brez´n. Das ist wunderbar. Das kannst du in keiner anderen Stadt.

 

Buch-Tipp: „Anmutig älter werden“

160 Seiten mit 30 s/w-Fotos

ISBN: 978-3-485-01423-6

Ruth Maria Kubitschek erzählt in „Anmutig älter

werden“, wie sie die vielen Herausforderungen

ihres Lebens zu der Frau gemacht haben, die sie

heute ist. Mit Humor beschreibt Ruth Maria Kubitschek,

wie sie lernte, unwichtige Dinge loszulassen,

Schmerzen zu akzeptieren und Toleranz

und Achtsamkeit sich selbst und allem Leben

gegenüber zu entwickeln.