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Helma Orosz: Dresden im Jahre 2025

Die strategischen Ziele unserer Stadt

Von Ex - Oberbürgermeisterin Helma Orosz

 

 

Zu einer meiner schönsten Aufgaben als Oberbürgermeisterin gehörte es, ab und an Schulklassen und Kita-Gruppen durch das Dresdner Rathaus zu führen. Vor dem Stadtmodell fragte ich einmal vier- bis sechsjährigen Knirpse: "Wisst ihr, welche Stadt das ist?" Wie aus der Pistole geschossen antwortete ein kleiner Junge: "Das ist mein Dresden." "Aber Dresden gehört doch ganz vielen Menschen", erwiderte die Erzieherin. "Nö, das ist nur mein Dresden."

 

Ich musste an diesen Knirps immer wieder denken und merkte eines Tages, dass er genau die richtige Antwort gegeben hatte, eine Antwort, die genau die Grundlage meiner Arbeit bescheibt und an der ich meine Amtszeit ausrichten muss. Ich stellte mir die Frage: Bedeutet Erfolg das Gewinnen von Wahlen und ist danach die Politik auszurichten, oder bedeutet Erfolg, die Chancen einer Stadt mittel- und langfristig zu fördern; über die eigene Amtsperiode hinaus nachzudenken, was getan werden muss, um eine Stadt zukunftsfähig zu machen?

Und die Antwort darauf war die Entwicklung strategischer Ziele. Ausgehend von der Überlegung, wie soll Dresden einmal aussehen, damit der heute kleine Knirps auch in Zukunft stolz über sein Dresden berichten kann, habe ich gemeinsam mit meinen Bürgermeistern überlegt, was wir bis 2025 dafür alles erreicht haben müssen. Denn 2025 wird dieser Junge vielleicht gerade sein Abitur machen, er wird vor der Entscheidung stehen, in Dresden zu bleiben oder in eine andere Stadt zu ziehen. Ist für ihn Berlin oder London dann spannender? Findet er hier einen guten Job? Will er in seiner Heimatstadt eine Familie gründen? Kurzum: Bleibt Dresden sein Dresden? Darüber wird nicht erst in 10 Jahren entschieden. Heutige Weichenstellungen haben enormen Einfluss auch darauf, welchen Weg der Junge einschlagen wird. Deshalb halte ich es für meine Pflicht, den Blick nach vorne zu richten, über meine eigene Amtszeit hinaus zu schauen und auch die Fraktionen davon zu überzeugen, dass nicht Wahlperioden entscheidend sind, sondern es darauf ankommt, die richtigen Weichenstellungen für die Zukunft zu stellen. Zwei Voraussetzungen sind dafür notwendig. Erstens die entsprechende Haushaltspolitik, und zweitens klare Prioritäten in Form konkreter Ziele. Dresden ist schuldenfrei.

Es war ein haushaltspolitischer Befreiungsschlag, als Dresden 2006 den kommunalen Wohnungsbestand für 981,7 Millionen Euro netto verkauft und von heute auf morgen die erste schuldenfreie Großstadt Deutschlands wurde. Die Entscheidung war umstritten, aber richtig. Dresden konnte wieder investieren, ohne erdrückende Schuldenlast, die die Entwicklung der Stadt für Jahrzehnte ausgebremst hätte.

Heute, vier Jahre später, in den stürmischen Zeiten einer Krise zeigt sich, wie klug und nachhaltig diese Entscheidung war. Gerade jetzt gilt: Die Schuldenfreiheit bleibt oberstes Ziel der Dresdner Haushaltspolitik. Viele deutsche Städte ersticken an einer unvorstellbaren Schuldenlast. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes ist der Schuldenberg der Kommunen im Jahr 2009 um 3 Prozent bzw. 3,2 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr angewachsen und saldiert sich somit alleine für die Kommunen auf 112, 1 Milliarden Euro.

Bis 2013 muss Dresden ca. 358 Millionen Euro bei Bauvorhaben einsparen. Ursache dafür sind dramatische Steuerausfälle und verringerte Zuweisungen des Freistaates Sachsen im Rahmen des Finanzausgleiches. Zudem müssen wir die städtischen Fördermittelerwartungen um ungefähr 124 Millionen Euro reduzieren. Zugleich kommen auf die Landeshauptstadt in den nächsten Jahren steigende Ausgaben wie z.B. der abgeschlossene Tarifvertrag für die Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen hinzu. Die dafür notwendigen Einsparungen sollen nicht zu Schließungen oder Streichungen führen. Vielmehr sollen einige bereits geplante Baumaßnahmen zeitlich auf die Zeit nach 2013 verschoben werden, wenn wieder mit einer wirtschaftlichen Erholung zu rechnen ist.

Maßnahmen, für die bereits Fördermittel bewilligt worden sind, bleiben davon unberührt und werden wie geplant weitergeführt. Weder der Umbau des Kulturpalastes in der Stadtmitte, noch die Investitionen im Kita- Bereich sollen gefährdet werden. Diese Zahlen verdeutlichen, in welcher vergleichsweise komfortablen Lage sich die Landeshauptstadt Dresden befindet. Während an anderen Orten Schwimmbäder, aber auch renommierte Theater und viele andere öffentliche Einrichtungen geschlossen werden, kann Dresden aufgrund seiner Haushaltspolitik weiter investieren. Das Tempo wird gedrosselt, aber der Dampfer fährt unvermindert weiter. Und trotz trüber Aussichten werden wir an der Schuldenfreiheit festhalten.

Und wir investieren weiter: Die Wirtschaftskrise geht auch an Dresden nicht vorbei. Auch die Landeshauptstadt wird Millionen Euro Einnahmeverluste hinnehmen müssen. Trotzdem werden in den kommenden drei Jahren 641 Millionen Euro in Projekte investiert. Weiterhin haben wir als Landeshauptstadt die Anteile an dem Dresdner Energieversorger DREWAG wieder zurückgekauft. Diese Entscheidung ermöglicht es uns, die Einnahmen der dann entstehenden Energieverbund Sachsen GmbH mittelfristig in den städtischen Haushalt zurückzuführen. Dass dies natürlich nur mit der Setzung von Prioritäten geht, ist klar. Klar ist auch, dass viele wünschenswerte Projekte nicht in der Geschwindigkeit verwirklicht werden können, wie wir uns das für das Jahr 2010 vorgestellt haben. Aber ist eine Diskussion über notwendige Verschiebungen im Ergebnis nicht besser als eine Diskussion über Streichungen?
Somit ist die erste Säule einer langfristig ausgerichteten Politik beschrieben: Eine kluge und nachhaltige Haushaltspolitik.

Die zweite Säule ist die Setzung klarer Prioritäten in Form von strategischen Zielen: Dresden hat, auch dank der großartigen Unterstützung aus dem gesamten Bundesgebiet und aller Welt, eine unglaubliche Aufholjagd gestartet. Die Frauenkirche gilt als sichtbarstes Symbol dieses Erfolges, aber in ihrem Schatten ist so viel mehr entstanden. Dresden ist einer der erfolgreichsten Standorte der Chipindustrie, trotz der Insolvenz von Qimonda. Wir haben eine enorm hohe Forschungsdichte und mit den höchsten Anteil an Hochqualifizierten auf die Einwohnerzahl gerechnet. Wirtschaftlich wird Dresden immer wieder mit Städten wie München oder Stuttgart verglichen. Warum erzähle ich das, was alle schon längst selbst wissen und selbst zu diesem Erfolg beigetragen haben? Sicherlich, und das sei mir erlaubt, bin ich stolz, für eine solche Stadt arbeiten zu dürfen. Mir geht es aber um etwas ganz anderes, nicht um Stolz oder Lobhudelei. Heiner Geißler sagte einmal sehr passend: "Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Körperstelle." Denn bei all dem Erfolg dieser Stadt, die Luft zum Atmen wird dünner, je höher man steht. Dresden steht in einem globalen Wettbewerb. Es geht um Arbeitsplätze, um Investitionen und um Lebensqualität.

Es geht um Köpfe, genauer: um kluge Köpfe. Kommunalpolitik kann sich somit nicht mehr auf die Stadt alleine beziehen. Kommunalpolitik in einer Wissenschafts- und Forschungsstadt wird immer komplexer und internationaler.

Also gilt: Dresden ist eine erfolgreiche deutsche Großstadt, die sich mehr und mehr in einem internationalen Wettbewerb der Städte behaupten muss. Wer sich auf dem Erfolg ausruht, ohne sich weiterzuentwickeln, der verliert einen sicher geglaubten Sieg schneller, als man denkt.

Aus diesem Grund habe ich mich als Oberbürgermeisterin intensiv mit dem Status quo unserer Landeshauptstadt beschäftigt, die zahlreichen Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmern und Wissenschaftlern ausgewertet und die Zukunftsprognosen für unsere Stadt analysiert. Das Ergebnis dieser Überlegungen sind insgesamt neun Ziele, die das Dresden im Jahr 2025 beschreiben, das seine Chancen erkannt und genutzt hat. "Nicht über die Dresdner reden, sondern mit ihnen." Mit diesem Motto bin ich vor knapp zwei Jahren zur Oberbürgermeisterwahl angetreten, und ich bin dem bis heute gefolgt.

Seit meinem Amtsantritt im August 2008 habe ich zahllose Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern geführt. Fazit: die Chancen unserer Stadt sind gut, aber noch lange nicht ausgeschöpft.

Dies zwang mich, mein Wahlprogramm auf den Prüfstand zu stellen, es zu konkretisieren und zur Diskussion zu stellen. Wir, die Dresdnerinnen und Dresdner, müssen uns gemeinsam darüber klar werden, wie sich unser Dresden entwickeln soll. Denn entweder wird Dresden eine durchschnittliche Großstadt, oder Dresden wird zu einer mitteleuropäischen Metropole.

Anmerkung der Redaktion: Wir möchten darauf hinweisen, dass Frau Orosz den Text schon im März 2010 verfasst hat.