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Go West

Wie die Dresdner Irmtraut (67) und Jürgen Wahl (69) 350 Kilometer durch die amerikanische Prärie ritten

Langsam verschwindet die heiße Wüstensonne hinter dem Felsmassiv des Grand Canyon. Ein leichter Wind weht Gestrüpp über die Prärie. Eine Hand voll Cowboys sitzt um das Lagerfeuer, Sparerips schmoren saftig in einer alten Pfanne und im Hintergrund schnaufen friedlich die erschöpften Pferde nach einem langen Tag. Was sich wie ein Kinospot einer amerikanischen Zigarettenmarke anhört, war der Alltag eines Dresdner Ehepaares. Weit weg vom deutschen Massentourismus machten Sie auf die etwas andere Art den Urlaub ihres Lebens.

Das Thermometer würde sicherlich weit über dreißig Grad anzeigen, die Luft ist trocken und bis zum Horizont ist weit und breit nichts zu entdecken, was auf Zivilisation hindeutet. Seit mehreren Stunden sitzen Irmtraut und Jürgen Wahl aus Dresden im Sattel auf ihren Taxis durch den Wilden Westen der USA. Tennessee Foxtrott Walkers heißt die Pferderasse, welche zuverlässig und genügsam die „Fahrgäste“, das Rentnerehepaar Wahl, befördert.

Auf die Vorbereitung kommt es an

Das Paar erfüllte sich mit diesem 14-Tage-Trail durch Arizona einen Traum. „Auf Mallorca in der Sonne liegen ist nicht ganz unser Ding“, berichtet Jürgen Wahl. Aber so ohne Weiteres sollte man sich auf diese Tour nicht einlassen. Die Wahls haben sich im Vorfeld gründlich über Land und Gegebenheiten informiert. Irmtraut Wahl kann sich noch gut an das Problem Schlafsack-Kauf erinnern. „Das Wetter in Arizona ist tückisch. Sobald die Sonne scheint, wird es wahnsinnig heiß, aber nachts wird es bitterkalt.“ Wahls sind seit früher Jugend aktive Reiter. Anstrengend war es trotzdem und ohne Vorbereitung, im letzten halben Jahr wurde jede Woche 2 mal trainiert, wäre es nicht gegangen. Doch trotz ihrer fast 70 Jahre haben die beiden keine Sekunde daran gedacht, es nicht zu tun. „Ein wenig die eigenen Grenzen ausloten, das ist doch der Reiz.“

Zehn Stunden im Trab

Acht Uhr am Morgen, irgendwo im Westen der USA. Zum Frühstück gibt es typisch Amerikanisches auf den Campingtisch: Rührei mit Speck, dazu Kaffee. Der Blick über die weite Steppe ist einmalig. Dafür bleibt jetzt aber wenig Zeit. Der erfahrene Trail-Führer tippt auf die Uhr. Es gilt, die Pferde zu satteln und das Gepäck zu verstauen. Wieder wartet ein zehnstündiger Ritt auf die kleine Gruppe, welche sich diesem Trip gestellt hat. 50 bis 60 Kilometer werden Tag für Tag zurückgelegt. Da ist Fitness besonders wichtig. Die Gruppe schwingt sich auf die Pferde, als Letztes wird der Cowboy-Hut aufgesetzt. Nicht um ein Klischee zu bedienen, sondern als unerlässlicher Schutz gegen die brennende Sonne.

Das Risiko reitet mit

Wurde in der ersten Woche viel über weite Steppen und durch Wüstengegenden geritten, hat die zweite Hälfte des Abenteuers ein deutlich anspruchsvolleres Profil. Tiefe Schluchten und Berge von bis zu 3500 Meter Höhe heißt es zu überwinden. Da bleiben brenzlige Situationen nicht aus. Als ein umgestürzter Baum mit seiner kahlen Krone den Weg versperrt, müssen die Pferde von ihren Reitern zu Fuß durch das sperrige Geäst geleitet werden. Da gilt es, Ruhe zu bewahren und die Pferde im Zaum zu halten. Manchmal sind Höhlen so niedrig, dass die Reiter absitzen und sogar die Pferde sich ducken müssen, damit sie die andere Seite des Berges erreichen.

Jederzeit wieder

Die Augen von Irmtraut und Jürgen funkeln immer noch voller Begeisterung, wenn sie von ihrem Abenteuer erzählen. „Wir würden es jederzeit wieder machen“, da sind sich beide einig. Auf dem Rücken der Pferde im Wilden Westen gen Sonnenuntergang zu reiten, für die sympathischen Dresdner ein gelebter Traum. „Mal schauen, was als Nächstes kommt, Träume gibt es noch viele“, so die Rentner.

(Disy Herbst 2006)