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Nur für Mutige
Eisbaden mit Dr. Stefan und Elke Hummel von den Heiligendammer Seepferdchen
Das Thermometer zeigt 6 Grad, der Himmel ist wolkenlos und strahlend blau. Nur der Wind weht uns eisig und frisch um die Nasen und bei dem Gedanken an unsere Verabredung fröstelt es uns schon: Eisbaden in der Ostsee mit Dr. Stefan Hummel und seiner Elke Hummel von den Seepferdchen Heiligendamm. Treffpunkt ist die Median Klinik, in der Dr. Hummel Chefarzt der Pulmologie ist. Von dort aus geht es mit dem Auto Richtung Vereinshaus der Seepferdchen, direkt an den Strand.
Das Winterschwimmen oder Eisbaden genannt, bezeichnet das Baden zwischen Oktober bis Mai. Dazu gehört eine Wassertemperatur von unter 15 Grad und ein eiserner Wille, ins Wasser zu gehen. Der gesundheitliche Nutzen von Kälte ist schon seit Hippokrates bekannt. Beim ersten Kontakt mit dem kühlen Nass reagiert der Körper intensiv. Ein heftiges und schmerzhaftes Stechen ist am ganzen Körper zu spüren. „Dafür sind die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin verantwortlich, die die Durchblutung automatisch in Gang bringen“, erklärt Dr. Hummel.
Inzwischen sind wir am Strand angekommen. Wir sehen dick vermummte Winterspaziergänger, die erstaunte Blicke wechseln, als sich Dr. Hummel und seine Frau „bade-fertig“ machen. Ein kleines Mädchen spricht aus, was vermutlich alle Umherstehenden denken: „Ist das nicht viel zu kalt zum Baden?“ Hummels lachen und schütteln den Kopf. Sie sind langjährige Winterschwimmer und gehen fast täglich in die Ostsee. „Vor zwölf Jahren kamen wir zum Winterschwimmen, damals noch an der Müritz und heute jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit in der Ostsee“, erzählt der Mediziner. Wir frieren schon beim Zuschauen, dabei hat das Winterschwimmen einen großen gesundheitlichen Nutzen bei richtiger Dosierung, wie uns Dr. Hummel berichtet. Hat der Körper sich an den Kältereiz gewöhnt, erfolgt eine positive Stressreaktion beim Wasserkontakt, die zu Gegenregulationen führt. Das Abwehrsystem wird gestärkt, Infekten wird vorgebeugt und Bakterien und Viren werden vom Körper wirksamer bekämpft. „In der Rheumatologie können 80 Prozent der Beschwerden mit Kälte behandelt werden. Bei uns in der Klinik nutzen wir außerdem die Freisetzung von Glückshormonen bei den Patienten, die an Depressionen leiden, aber auch für Asthmaerkrankte bildet das Winterschwimmen einen positiven Effekt.“
Seit fünf Jahren ist das Eisbaden eine feste Behandlungsform der Median Klinik. In einer Saison nehmen etwa 10 Prozent der Patienten an der Behandlung teil (Di und Do um 16.00 Uhr) und gehen mit Dr. Hummel ins Wasser. Den Mut seiner Patienten belohnt der Doktor mit viel Spaß und einer Urkunde, in der festgehalten wird, bei wie viel Grad ins Wasser gegangen wurde. Anfangs war das Interesse der Patienten gering. Wer hüpft auch schon freiwillig in eiskaltes Wasser? „Nur die Verrückten“, lacht Hummel. Jetzt geht es auf ins Wasser, halbnackt und mit selbst gestrickter Pudelmütze. Aber zuvor wird das festetablierte Ritual der Seepferdchen abgehalten. „Mit den Patienten gibt es immer eine rhythmische Erwärmung mit dem Fliegerlied, dann stellen sich alle preußisch exakt parallel zu der Ostsee auf und ich rufe: ´Wir grüßen die Ostsee unser heiliges Meer mit einem dreifachen Eis frei, Eis frei, Eis frei!´“
Kaum gesagt, sprinten Hummels los in die 6 Grad warme Ostsee. Wir und die restlichen Strandläufer schauen beeindruckt, einige schütteln den Kopf. Nach ein paar Minuten kommen sie wieder heraus ohne Gänsehaut, Rötungen oder Zittern, nur freudig strahlend und die Pudelmütze auf dem Kopf tragend. „Das entscheidende beim Eisbaden ist“ sagt Dr. Hummel, „die Dosierung. Trainierte Winterschwimmer können gefahrlos mehrere Minuten im Wasser bleiben, für Anfänger reichen 20 bis 30 Sekunden. Wer länger drin bleibt, kann seiner Gesundheit schaden. Man sollte einen Arzt konsultieren, bevor man jubelnd ins Wasser springt. Es gibt Kälteallergien oder andere Risiken, die man im Vorfeld nicht abschätzen kann, auch wenn man sich gesund fühlt.“