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Der Musiker

Nicht jeder verträgt einen Besuch in der Rechtsmedi­zin. "Man braucht einen klaren Cut zwischen Beruf und Privatleben", sagt Andrej Klein. Als Strafverteidiger ist es unvermeidlich, auch unangenehme Fälle zu haben. Umso wichtiger ist es, nach der Arbeit abzuschalten und zum Beispiel - so der ausgebildete Solo-Cellist - Musik zu machen. Dennoch gab es für den gebürtigen Berliner nie eine Alternative zum Anwaltsberuf. "Ich komme zwar aus einer Ärztefamilie, aber nach der Wende stand für mich fest, dass ich Anwalt werde. Gerade das Strafrecht hat mich immer interessiert und da gibt es nur drei Mög­lichkeiten: Richter, Staatsanwalt oder eben Anwalt." Klein entschied sich für den Anwalt, auch weil er gern sein eigener Herr ist. Nach vie­len Jahren als Partner einer größeren Kanzlei führt er seit 2012 eine eigene, auf Strafrecht und Steuerrecht spezialisierte Kanzlei - sein Idealbild als Jurist, Freiberufler und Kaufmann. Parallel dazu ist er seit 2006 Anwaltsrichter und sieht das Strafrecht vom Richtertisch aus. Nach dem Studium in Dresden hatte er auch einen Großteil sei­nes Referendariats an der Elbe verbracht. Seit 2002 ist er Fachanwalt für Strafrecht und seit 2003 für Steuerrecht. Das Steuerstrafrecht ist mittlerweile sein Schwerpunkt. "Zuletzt hatte ich unzählige Selbstan­zeigen auf dem Tisch, in verschiedensten Varianten", erzählt er. Von dem alten Herrn, dessen Vater 1937 ein Konto in der Schweiz eröffnet hat und es über die Zeiten unberührt ließ, bis hin zu einer Mandantin, die vergessen hatte, die 70 kg Gold aus der gemeinsamen Ehe nach dem Tod ihres Mannes der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Doch die wirklich spannenden Geschichten passieren im Strafrecht. So sorgte der Fall eines Heimleiters für hohe mediale Aufmerksamkeit, dem eine jugendliche Bewohnerin mehrfachen Missbrauch vorwarf und die sich sogar mit dem angeblich gemeinsamen Kind in einer großen Boule­vardzeitung ablichten ließ. "Dass sich die Geschichte letztendlich als unwahr herausstellte und alle Gutachten den Vorwurf widerlegten, half dem Mann leider nicht mehr", erzählt der auch heute noch erschütterte Anwalt. "Einen Tag vor der Verhandlung bekam ich einen Anruf von der Polizei. Man habe neben zwei Leichen einen Abschiedsbrief an mich gefunden. Der Mann und seine pflegebedürftige Mutter hatten dem Mediendruck nicht standgehalten und waren von einer Brücke gesprungen." Doch zum Glück gehen nicht alle Verfahren, von denen RA Klein einige in anonymisierter Form auf seine Internetseite gestellt hat, so tragisch aus. Da gab es auch den Fall des Falschwanderers. "Ein Mann hatte sich in der Sächsischen Schweiz verlaufen. Ihn fand ein Parkwächter, der ihm nicht etwa half, sondern wegen Eindringens in die Kernzone eines Naturschutzgebietes anzeigte. Ein Fall für das Gericht?" Und so ist für den einen dramatisch, worüber ein anderer nur den Kopf schüttelt - oder Cello spielt.