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Dr. med. Thorsten Jacobi über besondere Zuwendung und finanzielle Risiken
Wer im Krankenhaus liegt, möchte Genesen, sich wohl fühlen und das Gefühl haben, dass sich Ärzte, Schwestern und Pfleger um einen kümmern. Gerade das Dresdner Diakonissenkrankenhaus ist für seine besondere Fürsorge bekannt. Im zweiten Teil unseres Interview mit Dr. med. Thorsten Jacobi sprachen wir mit Ihm über Zuwendung, Neuerungen und Finanzen.
Was ist Ihnen in ihrem Krankenhaus persönlich wichtig?
Dr. Jacobi: Beginnend mit zwei Diakonissen betreuen wir seit 1844 kranke Menschen. Über all die Jahre sind Pflege und Zuwendung ein untrennbarer Teil geblieben. Viele Patienten suchen unser Haus gerade deswegen auf und erzählen uns, dass sie sich wohlgefühlt haben und man sehr auf sie eingegangen sei. Mir ist es wichtig, zwischen den Patienten zu differenzieren, die das besonders benötigen oder nicht so sehr. Erstere sind für mich sehr schwer Erkrankte, Tumorpatienten oder solche mit altersbedingten oder chronischen Leiden. Die andere Gruppe umfasst eher Patienten, die aufgrund eines Lebensereignisses kommen, also beispielsweise wegen eines Unfalls, eines Knochenbruchs oder auch eines Leistenbruches. Für diese ist die Zuwendung natürlich auch wichtig, aber nicht nur. Hier stehen eine optimale Logistik in der Klinik, reibungslose Abläufe und aktuelle klinische Standards im Vordergrund. Für einen schwer kranken Patienten ist die Taktfrequenz nicht so entscheidend, sondern eher, dass er die Behandlung versteht und mitgenommen wird. Auf diese Unterscheidung wollen wir den Fokus richten.
Was ist in der Richtung schon passiert?
Dr. Jacobi: Wir haben zum Beispiel 2012 ein ambulantes Operationszentrum gebaut, was sehr in die Richtung gute Logistik und optimale Behandlung geht. Für die Tumorpatienten sind unsere Tumorzentren, das Darmkrebs- und Pankreaskarzinomzentrum, das Brustzentrum und das Prostatakarzinomzentrum bedeutsam. Wir versuchen, in unserer Ausgestaltung beiden Seiten Rechnung zu tragen. Es gibt bei uns eine neue Notfallambulanz, das geht eher in Richtung Management und Organisation. Der nächste Schritt ist, für die Patienten mit einem kurzstationären Aufenthalt die Zimmersituation zu verbessern.
Ist das in anderen Krankenhäusern noch nicht so sehr bewusst geworden, dass man da überhaupt unterscheiden muss?
Dr. Jacobi: Das würde ich nicht unbedingt sagen. Aber wir erleben, dass wir als Krankenhaus verschiedene Schwerpunkte setzen und mehrere Dinge gleichzeitig leisten müssen. Tumorpatienten möchten zum Beispiel mehr Fürsorge, aber auch mehr Ruhe haben, da ist es vielleicht nicht gut, wenn alle zwei oder drei Tage die komplette übrige Zimmerbelegung ausgetauscht wird. Ein sehr schneller Behandlungsprozess ist für diese Patienten nicht entscheidend, teilweise nicht einmal förderlich für die Heilung.
Wird der Bereich der Zuwendung auch honoriert?
Dr. Jacobi: Ich denke, dass die Krankenhäuser sich in die Richtung entwickeln, aber jede Klinik hat auch ihre eigenen Stärken. Während unser Schwerpunkt eben „Zuwendung leben“ ist, ist der Fokus einer Universitätsklinik eher im Bereich der hochspezialisierten Medizin angesiedelt. Ich glaube, das sollte jedes Krankenhaus für sich entscheiden und entsprechend ausbauen.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Dr. Jacobi: Wir sind schon seit mehreren Jahren dabei, unseren Campus örtlich und räumlich umzugestalten. Der Beginn war das ambulante Zentrum, gefolgt von der Notfallambulanz und dem Sprechstundentrakt, der ebenfalls in Richtung der gewachsenen ambulanten Aufgaben geht, die wir hier mehr und mehr übernehmen. Dazu benötigen wir natürlich Räumlichkeiten und Logistik. Das reicht von der Anmeldung und dem Wartebereich, bis hin zu Sprechstundenzimmern oder Räumen für hygienische Maßnahmen und der Organisation dahinter. Aber den Teil haben wir schon geleistet. Momentan bauen wir ein Parkhaus und im Sommer haben wir ein medizinisches Versorgungszentrum eröffnet. Ein Traum für uns wäre noch ein Bereich nur für Tumorpatienten.
Und für die anderen Patienten?
Dr. Jacobi: Warum kann es zum Beispiel nicht so sein, dass man für seine geplante Behandlung vom Parkhaus aus in die richtige Etage fährt – zum Beispiel für eine Gallenblasen-OP kann das auch Hotelcharakter haben, da benötigt man keine großen Intensiveinheiten. Da ist man drei Tage da und fühlt sich wohl und die Schwester muss nicht bei jedem fünf- oder achtmal kommen, wie das vielleicht für einen Tumorpatienten wichtig ist, mit ganz anderen Anforderungen. Wenn sie zum Beispiel notgedrungen in ein Krankenhaus aufgrund eines Sportunfalls mit Kniebinnenschaden müssten, was spräche dagegen, die Tage nach der Operation in einem schönen Zimmer mit Blick auf die Elbe zu verbringen. Warum kann man das nicht so machen? Vieles ist einfach historisch gewachsen, doch mittlerweile hält da auch ein gesunder Dienstleistungsgedanke Einzug. Wir benötigen beides, Zuwendung und Dienstleistungscharakter.
Wie sieht es da mit der Finanzierung aus?
Dr. Jacobi: : Für die Ausstattung der Krankenhäuser ist in der Hinsicht bisher zu wenig geleistet worden. Die Investitionspauschalen werden von den Ländern zur Verfügung gestellt. Der Krankenhausbereich ist unterfinanziert, gerade wenn man die erwähnten Neuerungen angehen will. Die Krankenkassen sind dagegen für die Finanzierung des Tagesgeschäfts zuständig. Leider erreichen sie eine gesunde Finanzierung ihres Hauses nur noch durch Mehrleistungen. Aktuelle Tarifabschlüsse, wie zum Beispiel des Marburger Bundes machen die Finanzierung der Krankenhäuser nicht einfacher. Um den entsprechenden finanziellen Spielraum insbesondere für Investitionen zu schaffen, nehmen heutzutage Krankenhäuser Kredite auf, die entsprechend refinanziert werden müssen. Dies schaffen sie nur mit entsprechenden leistungsfähigen Struktureinheiten. Landeseigene Fördermittel sind momentan keine Alternative, da die Zeit bis zur Bewilligung viel zu lange dauert. Wir brauchen jetzt die Veränderungen und müssen entsprechend aktiv werden. Von der Bevölkerung wird unser Haus zwar sehr gut angenommen, aber trotzdem haben wir keinen Grund, uns auf den Ergebnissen der Vergangenheit auszuruhen.
Dr. med. Thorsten Jacobi
Dr. Jacobi studierte an der Humboldtuniversität Berlin und der TU Dresden. Er promovierte 1991 zum Thema Tumorzellen und Gerinnungssystem und war anschließend als Arzt im Praktikum verschiedener Chirurgien und als Notarzt tätig. Seit 1995 fungierte er am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus als Assistenzarzt, später als Oberarzt in der Klinik für Viszeral- und Thorax- und Gefäßchirurgie. Zu seinen anerkannten Spezialisierungen zählen mittlerweile der Facharzt für allgemeine Chirurgie, spezielle Viszeralchirurgie, Gefäßchirurgie und die Zusatzqualifikation Proktologie. Seit 2003 ist er Chefarzt am Diakonissenkrankenhaus Dresden im Bereich Viszeralchirurgie und Proktologie und seit 2014 Ärztlicher Direktor des Hauses. Neben seiner Mitgliedschaft in verschiedenen Chirurgischen Vereinigungen engagiert er sich in Fachverbänden Koloproktologie, Gastroenterologie und Viszeralchirurgie.