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Das Dresdner Uniklinikum ist eine Marke!

Professor Dr. Michael Albrecht - vom Studenten der Filmhochschule zum Klinikumsvorstand


Professor Dr. Michael Albrecht ist seit Juni 2002 medizinischer Vorstand des Universitätsklinikum Carl Gustav Carus. Unter seiner Leitung entstanden Kooperationen mit Havard und der größte Neubau in der Geschichte des Klinikums wurde realisiert. Dem gelernten Anästhesisten ist es wichtig, nicht nur Sprecher, sondern Macher zu sein. Im Disy-Gespräch erzählt Prof. Albrecht über veraltete Auswahlkriterien und die Notwendigkeit von Markenbildung im Medizinbereich.

Seit 1999 müssen die Vorstände der Kliniken aus Medizinern bestehen. Warum ist es wichtig, zwischen einem medizinischem und einem kaufmännischem Vorstand zu unterscheiden?
Albrecht: Es war ja nicht so, dass es früher keinen medizinischen Vorstand gab. Vorher war das halt ein 'Frühstücksdirektor', der hat sich engagiert und für den medizinischen Leistungsteil gekämpft. Der gesamte Verwaltungsapparat unterstand aber dem kaufmännischen Vorstand. Wenn das ein Mediziner war, der das parallel zu seiner eigentlichen Arbeit erledigt hat, konnte der häufig nicht zu den Sitzungen kommen oder sich nicht darauf vorbereiten. Wir stellen keine Waren her, aber wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, wir behandeln Patienten. Unser Kerngeschäft ist die Medizin und nicht die Verwaltung. Das bedeutet, wenn dieses Unternehmen jemand leitet, dann sollte der etwas von dem Kerngeschäft verstehen. Zu behaupten, jemand, der BWL studiert hat und Bilanzen lesen kann, sei automatisch in der Lage ein Klinikum zu leiten, halte ich für falsch. Mir hat hier in Dresden auch der Ansatz gefallen, dass man damals als eine der ersten Kliniken Deutschlands gesagt hat, dass wir hier ein Unternehmen führen.

Wie lässt sich eine Klinik mit einem Unternehmen vergleichen?

Albrecht: Wir haben 6000 Mitarbeiter, wir haben einen Umsatz von mehreren 100 Millionen Euro. Da ist es sehr wichtig, dass man wie ein Unternehmen strategisch gut aufgestellt ist und damit die Arbeitsplätze gesichert werden können. Dafür braucht man beides, sowohl eine betriebswirtschaftliche als auch eine medizinische Kompetenz. 2002 hieß es, dass wir einen Vorstand bilden, wie in einem Aktienunternehmen. Wir wollten keine Gewerkschaftsvertretung aus Berufsgruppen heraus. Wir brauchen auch zwei Vorstände im Unternehmen, die das ganze leiten, und die auch dafür haften. Wenn etwas schief geht, dann sogar mit dem Privatvermögen. Nachdem festgelegt wurde, dass ich der Sprecher bin, hat mich die Aufgabe gereizt. Ich war Dekan und dachte mir, es gibt jetzt zwei Wege: Entweder ich gehe zurück in die Klinik und ärgere mich darüber, welche "Idioten" in diesem Laden hantieren, oder ich sorge dafür, dass die Dinge besser gemacht werden. 2002 bin ich hauptamtlich zum Vorstand geworden. Inklusive Fünfjahresvertrag, persönlicher Haftung, Zielvereinbarung und allem was dazu gehört. Klar hätte ich es bequemer haben können als verbeamteter Professor hätte mir im Grunde nichts passieren können. Es war ein persönliches Wagnis, denn ich wusste weder, ob ich der Aufgabe gewachsen bin noch ob es mir auf Dauer Spaß machen würde.

»Wir haben 6000 Mitarbeiter und einen Umsatz von mehreren 100 Millionen Euro. Da ist es sehr wichtig, dass man wie ein Unternehmen strategisch gut aufgestellt ist, damit die Arbeitsplätze gesichert werden können.«

Gerade, wenn man bisher nichts mit betriebswirtschaftlichen Themen zu tun hatte, klingt die Aufgabe nach einem Risiko...

Albrecht: Glücklicherweise hatte ich mich für diese Themen schon immer interessiert. Außerdem habe ich regelmäßig an Fortbildungen zum Thema Management und Betriebswirtschaft teilgenommen. Da bin ich also durchaus erfahren. Man muss bedenken, dass bereits eine einzelne Fachdisziplin eigentlich ein mittelständischer Betrieb ist. Da gibt es 100 Ärzte, 300 Schwestern, Sachmittelumsatz und so weiter. Da geht der Umsatz in den zweistelligen Millionenbereich. Im Grunde ist man also nichts anderes, als ein mittelständischer Unternehmer. Nur mit dem Unterschied, dass diese für Fehltritte haften. Nach einem Jahr musste ich mich dann entscheiden, ob ich es auf Dauer mache oder nicht. Inzwischen bin ich in der dritten Amtsperiode, zu je fünf Jahren. Bisher hat sich noch keiner grundlegend über meine Arbeit beschwert.

 

In anderen Kliniken wird mehr Geld umgesetzt, zum Beispiel in München.

Albrecht: Es kommt aber nicht auf die Größe alleine an. Was ich hier an Freiheiten und Flexibilität habe, ist in München oder Berlin nicht möglich. Dort hätte mir ständig jemand dazwischen geredet. Das hat auch etwas mit der Akzeptanz der Leute zutun. So lange es gut und erfolgreich ist, muss man sich nicht rechtfertigen. Sollte ich in Zukunft etwas anderes machen, würde ich auch die Branche wechseln. Vielleicht Manager in einem anderen Großunternehmen sein. Die Probleme und Prinzipien sind die gleichen.

 

Wie kam denn die Kooperation mit Harvard zustande?

Albrecht: Ich habe gesucht, wo die besten im Bereich Medizin sind. Ich hatte das Glück, Freunde in Boston und Harvard zu haben. Ich bekam mit, wie sich die Marke Harvard selbst in die Welt getragen hat. Die sind in alle Welt gegangen, um ihre Marke teuer zu verkaufen. Über meine Freunde habe ich mir das intensiv angesehen. Die sagten dann, ob wir nicht auch etwas von Harvard übernehmen wollten. Mitte der 90er habe ich als Studiendekan das problemorientierte Lernen eingeführt. Anschließend sind wir eine von Harvard anerkannte Institution geworden. Ich war gerade in Montreal, da kommen aus 19 Ländern der Welt Leader zusammen, 60 Chefs der großen Kliniken. Dort haben wir darüber diskutiert, was die gemeinsamen Probleme sind und was wir in Zukunft verbessern müssen. Wenn man da sitzt, zwischen dem Chef vom Kings College in London oder John Hopkins in Baltimore, sieht man schnell: Viele Dinge laufen ähnlich und man kann viel von den anderen lernen.

 

Wie wichtig ist die Marke Uniklinikum?

Albrecht: Man kann noch so tolle Leistungen abliefern, wenn die Menschen es nicht bemerken, hat man nichts gekonnt. Die Marke muss aber auch immer die Leistung dahinter abbilden und hat etwas mit Emotionen zu tun. Rot-Weiße Streifen werden zum Beispiel viele mit Marlboro verbinden, selbst wenn sie gar nicht rauchen. Damit verbunden ist ein bestimmtes Gefühl. Das ist eine simple Markenbildung. Als ich 1993 hierher kam, wusste kein Taxifahrer etwas mit dem Begriff Uniklinikum anzufangen. Auch der Ruf der MedAk war nicht gut. Das Bild herrschte noch Ende der 90er Jahre, wie wir in Umfragen festgestellt hatten. Da habe ich verstanden, wie schwer es ist, für so ein Unternehmen ein neues Image zu entwickeln. Heute können wir sagen, das Dresdner Uniklinikum ist eine Marke!

 

Was macht die Marke Uniklinik Dresden aus?

Albrecht: Wir haben drei Gesundheitszentren, wir haben eine emotionale Ausstrahlung und stehen für seriöse Qualität, das ist etwas Besonderes.

 

Auf einer Skala von Null bis 100 Prozent, wo sehen Sie das Uniklinikum?

Albrecht: Zugegeben, bei 100 Prozent stehen wir nicht. Aber da wollen wir natürlich hin. Dabei stellt sich natürlich die Frage, in welchen Bereichen wir diese Zahl erreichen wollen. 100 Prozent Akzeptanz werden wir wohl nie erreichen, müssen wir auch nicht. Ein paar Ecken und Kanten sind wichtig. Unser Ziel ist ein hoher Grad an Zufriedenheit, wir wollen eine Eigenständigkeit, ein bestimmtes Profil haben, so dass die anderen Standorte Respekt vor uns haben. Wir wollen bestimmte Trends früher erkennen als andere, wir wollen als einen Tick cleverer gesehen werden. Wir haben hier zum Beispiel das erste Krebscenter Deutschlands gegründet. Diese Innovationskraft ist uns unheimlich wichtig.

 

Welche anderen Projekte betreuen Sie?

Albrecht: Ich vertrete unser Unternehmen deutschlandweit. Ich bin Vorsitzender des Gesamtverbandes aller Universitätskliniken und Aufsichtsrat in einigen Unternehmen. Außerdem arbeite ich auch als Berater, betreue in dieser Funktion zum Beispiel Kliniken im Ausland bei Neubauten.

 

Haben Sie einen Traum, den Sie im Klinikum gerne verwirklichen wollen?

Albrecht: Wir haben ein paar Dinge, die auch gerade im Bau sind. Das Netzwerk zwischen den Unikliniken ist mir wichtig. Ich würde mir auch wünschen, dass wir mit anderen Kliniken so zusammen arbeiten, dass man als ein Unternehmen auftritt. Ich möchte, dass wir zum Beispiel Niederlassungen haben, die mit in den Verbund gehören. Das wir nicht nur universitäre Medizin abdecken, sondern das gesamte Spektrum.