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In Dresden entsteht derzeit ein Partnerstandort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen

Seit 2015 hat das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) neben Heidelberg einen zweiten Standort: Dresden. Viele Faktoren sprachen für die Stadt an der Elbe, schließlich hat die Krebsforschung hier eine langjährige Tradition. Wir sprachen mit Prof. Dr. Michael Baumann, Professor für Radioonkologie und geschäftsführender Direktor am NCT Dresden über den Austausch zwischen den Städten, ein neues Zuhause für das NCT und die Vorteile für Patienten. 

 

 

 

 

 

 

Welches Ziel hat sich das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen gesetzt?
Prof. Baumann
: Unser Ziel ist es, dass sich das NCT in Heidelberg und in Dresden unter den allerbesten Krebsbehandlungs- und -forschungszentren der Welt positioniert. Zu diesem Ziel tragen unter dem Dach des NCT Dresden Ärzte und Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der TU Dresden, des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden UKD, des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf sowie des Deutschen Krebsforschungszen- trums, kurz DKFZ in Heidelberg bei. 

 

Was spricht aus Sicht des Patienten für das NCT?
Prof. Baumann
: Zunächst einmal können sich alle Patienten mit Krebserkrankungen darauf verlassen, im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen eine Therapie zu erhalten, die allerhöchsten internationalen Ansprüchen genügt, sowohl bei häufigen als auch bei besonders seltenen Krebsarten. Dies setzt heute immer voraus, dass Spezialisten der einzelnen Fächer gemeinsam für je- den Patienten die individuell beste Behandlung in sogenannten Tumorboards diskutieren, eine gemeinsame Empfehlung abgeben und die Behandlung eng abgestimmt durchführen. Darüber hinaus widmet sich das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen der Erforschung und Anwendung von individuell maßgeschneiderten Krebsbehandlungen. Das heißt, dass durch Methoden wie die molekular-biologische Untersuchung des Tumors speziell auf den Patienten oder die Patientengruppe abgestimmte Diagnoseverfahren und Therapien angeboten werden. Um Forschungsergebnisse schnellstmöglich in die klinische Behandlung von Patienten überführen zu können, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschern und forschenden Ärzten notwendig. Das NCT Dresden bietet dafür eine Plattform. Eine solche Forschung muss aber breitaufgestellt werden. Das werden wir in Zukunft nicht nur in Deutschland häufiger sehen, sondern auch international. Die für Patienten unglaublich attraktive und zukunftsgerichtete personalisierte Onkologie benötigt große Strukturen, nationale Zentren und funktionierende Netzwerke. 

 

Was sprach für Dresden als zweiter Standort des NCT?
Prof. Baumann
: Das sind im Grunde drei Faktoren. Zum einen entstehen langjährige Verbindungen zum Standort Heidelberg. Beispielsweise wurde hier in Dresden vor einigen Jahren der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg eingerichtet. Das ist ein sehr objektiver, wissenschaftlich gut untersetzter Telefondienst, bei dem Patienten und Ärzte anrufen können, um sich nach Behandlungsoptionen zu erkundigen. Dresden ist die einzige Außenstelle, die das DKFZ hat. Auch in der Forschung besteht eine enge, langjährige Zusammenarbeit. So hat die Bundesregierung vor einigen Jahren be- schlossen, dass die Gesundheitsforschung stärker in Netzwerken aufgestellt sein muss. Daraus entstanden die deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, wie für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eben auch für Krebs – das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung, kurz DKTK, wurde 2012 am Standort Dresden gegründet und aufgebaut. Es beruht wie alle diese Zentren auf einem internationalen Wettbewerb, an dem sich Universitäten deutschlandweit beworben haben und nur die besten ausgewählt wurden. Dresden ist Mitglied des DKTK und damit einer von acht Standorten in Deutschland, bei denen die internationalen Gutachter befunden haben, dass die Krebsforschung besonders stark ist. 

 

Was ist der dritte Grund, der für Dresden sprach?
Prof. Baumann
: Auch in der klinischen Anwendung innovativer Forschung gibt es Parallelen. Seit über zehn Jahren gibt es mit dem Universitäts KrebsCentrum, kurz UCC, ein Comprehensive Cancer Center in Dresden. Es war eine der ersten Gründungen dieser Art in Deutschland – übrigens zur gleichen Zeit, wie das NCT in Heidelberg. Zudem wurde es auch als eines der ersten Zentren beim Exzellenzwettbewerb der Deutschen Krebshilfe aufgenommen. Die bereits seit langen Jahren gepflegten Verbindungen nach Heidelberg sowie die jeweils am Standort etablierten Comprehensive Cancer Center in Heidelberg - das NCT Heidelberg - und in Dresden das Universitäts KrebsCentrum – kurz UCC - sind zusammen hervorragende Voraussetzungen, die uns zu einem idealen PartnerfürHeidelberg machen.

 

Inwieweit ergänzen sich Dresden und Heidelberg?
Prof. Baumann
: In Heidelberg und Dresden arbeiten bereits seit mehreren Jahren Arbeitsgruppen auf dem Gebiet der radioonkologischen Forschung an gemeinsamen Forschungsthemen zusammen. Im Jahr 2010 wurden die Standorte durch die da- malige Bundesministerin für Bildung und Forschung zum Nationalen Zentrum für Strahlenforschung erklärt. Seitdem bilden das OncoRay auf Dresdner Seite und das Schwesterinstitut HIRO in Heidelberg gemeinsam das National Center for Radiation Oncology. Auch im Bereich der Hämatoonkologischen Forschung gibt es zahlreiche langjährige Kontakte zwischen Kollegen an beiden Standorten.

 

Der Austausch an Know-How und Ergebnissen ist also sehr rege? 

Prof. Baumann: Der ist in der Tat sehr rege. Es ist aber nicht so, dass beide Standorte absolut identisch arbeiten. Das ergäbe wenig Sinn. Klar, einige Bereiche müssen an beiden Standorten ab- gedeckt und harmonisiert werden. Für den Patient muss es egal sein, ob er in Dresden oder in Heidelberg ins NCT geht. Er muss sich darauf verlassen können, an beiden Standorten die gleiche, exzellente Therapie zu bekommen.

 

Wo liegen in Dresden die Schwerpunkte?
Prof. Baumann
: Die Schwerpunkte liegen auf der technologischen Weiterentwicklung der Therapieformen, der radioonkologischen Grundlagen- und Translationsforschung, sowie der Verbesserung der bildgebenden Verfahren in der Radioonkologie, der Radiopharmazie und dem Einsatz von robotischen Verfahren und der Bildgebung in der Chirurgie. Diese Vielfalt ist nur gemeinsam mit den Dresdner Partnern des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus, dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und der Medizinischen Fakultät der TU Dresden möglich. In Heidelberg gibt es diese Forschungsbereiche allerdings auch. Aber auch da arbeiten Heidelberg und Dresden nicht an identischen Forschungsfragen. Die Forschungsprogramme der beiden Standorte ergänzen sich gut – genauso wie die technische Infrastruktur. So arbeiten Wissenschaftler beider Standorte unter anderem in gemeinsamen Forschungsprojekten und nutzen so die am jeweiligen Standort vorhandene Infrastruktur standortübergreifend optimal aus.

 

Das NCT befindet sich noch im Aufbau. Was planen Sie in naher Zukunft? 

Prof. Baumann: Neben dem Aufbau und der Erweiterung zentraler Einrichtungen, wie der Molekularen Tumor Diagnostik oder einem Daten- und Studienzentrum werden wir im Rahmen des NCT-Aufbaus fünf weitere Professoren in verschiedenen Bereichen berufen. Wir wollen uns damit noch weiter verstärken und Patienten noch speziellere Therapien anbieten. 

 

Welche Bereiche werden mit den neuen Professoren genau abgedeckt?
Prof. Baumann
: Die neuen Professoren werden in den Bereichen (translationale) Medizinische Onkologie, Chirurgie, Bildgebung und Kombinationstherapie forschen und behandeln. Dafür setzen sie unter anderem stärker als bisher Methoden der molekularen und genetischen Analyse ein. Mit dieser Molekularen Tumordiagnostik wird es möglich sein, die Behandlung einzelner Patienten oder Patientengruppen besser verträglich und wirksamer zu gestalten. Im Bereich der Bildgebung setzen wir innovative Technologien, wie das PET-MR ein. Dafür braucht es Experten, die wir als Professoren rekrutieren, um entsprechend starke Arbeitsgruppen aus Ärzten und Forschern aufzubauen. So hoffen wir, in den nächsten fünf bis zehn Jahren, unseren Patienten noch bessere Methoden anbieten zu können. 

 

Mit welchen Einrichtungen arbeiten Sie bei der molekularen Diagnostik zusammen?
Prof. Baumann
: In der Forschung arbeiten wir zum Beispiel mit dem Biotec Dresden, dem Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik oder dem Zentrum für Regenerative Therapien Dresden –zusammen. Aber hier muss man unterscheiden zwischen Forschung und dem, was für Patienten angewandt werden darf. Da gibt es natürlich und auch zu Recht eine Menge gesetzlicher Rahmenbedingungen, die in der Medizin aber nicht unbedingt in der Forschung gelten. Darum müssen im medizinischen Bereich eigene Plattformen geschaffen werden, auf denen Wissenschaftler eng mit zugelassenen Ärzten zusammenarbeiten – eben solche Plattformen wie das NCT. Diese gibt es eben noch lange nicht in jedem Krankenhaus und auch nicht in jeder Universitätsklinik. Im Bereich der molekularen Diagnostik gehören das Deutsche Krebsforschungszentrum – einer der Träger des NCT Dresden – und der NCT-Partner in Heidelberg sicher zur Weltspitze. Dort sind auch Plattformen aufgebaut, die es nur in einer Handvoll Zentren auf der Welt gibt – einschließlich Amerika.

 

Inwieweit fördert das Land Sachsen das NCT? 

Prof. Baumann: Die Entscheidung, dass das NCT zukünftig neben Heidelberg nun auch am Standort Dresden aufgebaut wird, ist erst vor einem Jahr gefallen. Entsprechend sind die Verträge noch jung und die Aufbaumittel stehen erst seit Anfang 2015 zur Verfügung. Bis zum Jahr 2019 wachsen die Mittel für das NCT Dresden kontinuierlich an. Damit wird erst 2019 die volle Ausbaustufe mit einer Fördersumme von 15 Millionen Euro pro Jahr erreicht sein. Das Land Sachsen ist mit einem Anteil von 10 Prozentz der Fördersumme beteiligt. Den Rest stellt der Bund. Das ist eine so- genannte 90:10-Förderung. Zusätzlich stellt der Freistaat Sachsen ohne Beteiligung des Bundes Gelder in Höhe von 22 Millionen Euro für ein NCT-Gebäude zur Verfügung. Dieses Gebäude wird die bereits bestehenden onkologischen Einrichtungen am Campus ergänzen und so den onkologischen Campus bereichern. Wir hoffen, dass wir 2018 in das neue Haus ziehen können. Schon 2016 wird das neue UCC-Gebäude bezogen. Dieses wird durch das Uniklinikum mit Hilfe der deutschen Krebshilfe gebaut und ist kurz vor der Fertigstellung. Direkt in Verbindung mit diesem wird ab 2016 das Haus für das NCT gebaut. Ab 2018 werden wir damit allen Krebspatienten einen Anlaufpunkt auf dem Klinikumscampus anbieten können. Die bisher langen Wegen zwischen unterschiedlichen Behandlungsorten auf dem Campus reduzieren sich dadurch erheblich. 

 

Worauf sind Sie beim NCT besonders stolz?
Prof. Baumann
: Besonders stolz bin ich darauf, dass Dresden durch eine sehr konsequente Strategie im Bereich der Krebsforschung und -behandlung oft ein Vorreiter gewesen ist. Dazu gehört eben auch der Aufbau des Universitäts KrebsZentrums, mit dem wir bereits 2003 begonnen haben. Zu diesem Zeitpunkt hat man in Deutschland an vielen Orten noch nicht gewusst, was ein Comprehensive Cancer Center überhaupt genau ist. Mit Heidelberg und München waren wir eines der ersten Zentren überhaupt in Deutschland, die solche multidisziplinären Strukturen aufgebaut haben. Dass wir ebenso konsequent und zur fast gleichen Zeit mit dem HZDR das OncoRay aufgebaut haben, finde ich ebenso bemerkenswert. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass Universitäten und die Helmholtz Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V. gemeinsame Strukturen, Gebäude und Infrastrukturen aufbauen und betreiben. Das ist etwas Besonderes. Die Krebsforschung in Dresden ist jetzt international bekannt. Ohne diese Entwicklungen wäre Dresden nicht zum NCT gewor- den. Innerhalb des NCT müssen wir aber dennoch unsere Haus- aufgaben machen. Woran wir gerade hart arbeiten, ist die individuelle Präzisionsonkologie zu etablieren. Wir wollen biologisch maßgeschneiderte Therapien anbieten und in diesem Bereich in den nächsten Jahren zu den Top-Zentren auf der Welt gehören.