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Nur nicht den Kopf verlieren

Plattwürmer sind wahre Meister der Regeneration

Einige können es und andere nicht: Während den Säugern die Regenerationsfähigkeit von Körperteilen in der Evolution verlorengegangen ist, können einige niedere Tiere noch immer ganze Extremitäten nachwachsen lassen - beim Plattwurm geht das sogar mit dem Kopf. Die Forscher am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden haben inzwischen herausgefunden, wie sie diese Fähigkeit, wenn sie verlorengegangen ist, wieder reaktivieren können. Normalerweise arbeitet Gruppenleiter Dr. Jochen Rink in seinem Labor mit dem Plattwurm Schmidtea mediterranea, der für seine erstaunliche Regenerationsfähigkeit bekannt ist. Unter Forschern, die die Regeneration im Hinblick auf mögliche Therapien bei Menschen erforschen, ist er deshalb weltweit zu einem beliebten Modellorganismus geworden. "Wir können den Plattwurm in 200 Teile zerschneiden, und aus jedem Schnipsel wächst wieder ein neuer Wurm", erklärt Rink. Der nahe Verwandte Dendrocoelum lacteum ist dazu nicht in der Lage: Teilt man seinen Körper hinter einem bestimmten Punkt, bildet er kein neues Kopfende aus, und die abgeschnittene Schwanzspitze geht ein. Um zu verstehen, weshalb beide Würmer ein unterschiedliches Regenerationsverhalten zeigen, verglichen die Forscher sie auf genetischer Ebene. Die Lösung fanden sie im Signalprotein Wnt: Dieser Ligand löst eine Nachrichtenkette aus, an deren Ende das Molekül ß-Catenin steht. Ist dieser Signalweg im hinteren Teil des Wurms aktiviert, verhindert er die Neubildung des Kopfes. Den Forschern gelang es, diesen Prozess komplett abzuschalten und so die Regenerationsfähigkeit nachträglich wiederherzustellen; innerhalb von 21 Tagen wuchsen nun auch bei Dendrocoelum neue Köpfe, die voll funktionsfähig waren.

»Wir dachten, wir müssten hunderte Hebel in Bewegung setzen, um Regenerationsfähigkeit entscheidend zu beeinflussen. Nun haben wir aber gelernt, dass einige wenige Schaltstellen reichen, an denen man ansetzen muss.«

Diese Experimente haben gezeigt, dass selbst ein so komplexer Vorgang wie die Regeneration nicht endgültig defekt sein muss, sondern genetisch wieder aktiviert werden kann. Die Lösung erscheint vergleichbar einfach. "Wir dachten, wir müssten hunderte Hebel in Bewegung setzen, um Regenerationsfähigkeit entscheidend zu beeinflussen", erklärt Rink. "Nun haben wir aber gelernt, dass einige wenige Schaltstellen reichen, an denen man ansetzen muss."

Auf den Menschen sind diese Erkenntnisse jedoch nicht unmittelbar übertragbar. Rink hält es nicht für seriös, jetzt schon zu hohe Erwartungen zu wecken. "Doch unsere Experimente haben gezeigt, dass man über Vergleiche zwischen regenerierenden Arten und ihren nicht-regenerierenden Verwandten die genetischen Knotenpunkte identifizieren kann, welche für Regeneration ausschlaggebend sind - das ist ein wichtiger erster Schritt", betont er.

Die Arbeiten am Plattwurm führten die Max-Planck-Forscher mit Kollegen vom DFG- Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) durch. Zeitgleich erforschen auch eine amerikanische und eine japanische Gruppe die Wnt-Signalkette bei verschiedenen Plattwürmern, die unterschiedliches Regenerationsverhalten zeigen. Irgendwann sollen uns die identifizierten Gene helfen, in regenerativen Therapien noch größere Erfolge zu erzielen, aber in der praktischen Anwendung ist bisher noch immer der "Wurm" drin...