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Diagnose auf Umwegen - Humangenetik
Forscher haben einen neuen Ansatz vorgestellt, um für seltene Erbkrankheiten verantwortliche Gene zu finden.Ein Team des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München (TUM) untersuchte dafür nicht nur die DNA selbst, sondern auch die RNA. Dadurch steigen die Trefferchancen bei der Suche deutlich, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ‚Nature Communications‘ zeigen konnte.
In ihrer Gesamtheit sind sogenannte seltene Erkrankungen alles andere als selten. Etwa acht Prozent der Weltbevölkerung sind von ihnen betroffen. Der Großteil dieser Erkrankungen hat genetische Ursachen.Um Therapien entwickeln zu können, ist es wichtig, herauszufinden,welche Gene die Krankheiten auslösen. Seit einigen Jahren sind Forscherinnen und Forscher in der Lage, das gesamte Genom zu sequenzieren.Darin steckt auch die Information zu den krankmachenden Veränderungen.Die Schwierigkeit besteht darin, sie zu finden.
Datenmenge erschwert Suche nach Erbkrankheiten
„Stellen Sie sich eine Liste mit drei Millionen Basenpaaren vor, das ist schon für sich genommen eine große Menge an Daten“, sagt Dr. Holger Prokisch, Gruppenleiter am Institut für Humangenetik des Helmholtz Zentrums München und der TUM. Findet man in dieser Aufstellung veränderte Gene, heißt das noch lange nicht, dass sie die Ursache der Erkrankung sind: Jeder Mensch trägt Genvarianten in sich, in den meisten Fällen sind sie harmlos. Um überhaupt Aussagen dazu treffen zu können, welche Teile des Genoms verändert sind, muss man mehrere Datensätze vergleichen. Ohne Computerprogramme wäre die Suchevöllig aussichtslos, aber auch mit ihnen geht es nicht ohne Tricks. Um die Datenmenge einzuschränken, wird die Suche beispielsweise oft auf die „codierenden“ Teile des Genoms beschränkt. Dadurch fallen Bereiche aus der Analyse heraus, die keinen konkreten Bauplan für ein Molekül enthalten. Dennoch liegt die Erfolgsquote mit diesem Ansatz bei gerade einmal 50 Prozent.
Neuer Ansatz über RNA-Sequenzierung
„Unsere Ansatz war es, nicht nur die DNA aus Zellen zu sequenzieren,sondern auch die RNA“, sagt Laura Kremer, Erstautorin der Studie.*„Ein besonderer Vorteil dieser Methode ist, dass eine Sequenzierung der RNA Fehler zeigt, die bei der Umsetzung des Codes aus der DNA entstehen. Auch wenn in der Bauanleitung für ein Molekül selbst keine Abweichung enthalten ist, können Variationen in den nicht-codierenden Teilen des Genoms beeinflussen, wie dieser Plan umgesetzt wird“,ergänzt Daniel Bader, ebenfalls Erstautor. Wenn man nur die codierenden Teile des Genoms untersucht, werden diese Variationen nicht erfasst.Eine Sequenzierung des gesamten Genoms würde dagegen zwar alle Abweichungen zeigen, aber keine Schlüsse auf ihre Auswirkungen zulassen.
Das Team untersuchte Kulturen aus Hautzellen von 48 Patientinnen und Patienten mit (mitochondrialen) Erberkrankungen im Stoffwechsel.Mithilfe neuer Algorithmen konnte in zehn Prozent der Proben das auslösende Gen ermittelt werden, bei den restlichen 90 Prozent konnte die Zahl der möglichen Kandidaten auf wenige Gene reduziert werden. Prokisch zufolge lässt sich das Verfahren anpassen, um auch andere Erberkrankungen zu analysieren. „Darüber hinaus nutzen wir Hautzellen für unsere Zellkulturen, die lassen sich relativ schmerzfrei entnehmen,was gerade bei kranken Kleinkindern wichtig ist.“Julien Gagneur, Professor für Computergestützte Biologie an der TUM, ist überzeugt, dass RNA-Sequenzierungen in Zukunft neben der Genomanalyse zur Routinemethode für Ärztinnen und Ärzte werden:„Um die Ursachen für genetisch bedingte seltene Krankheiten zu finden, ist es unbedingt notwendig, auch den nicht-codierenden Teil des Genoms zu untersuchen. Genau das kann unsere Methode leisten.“