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Streben nach Erfolg - Wenn es zur Obsession wird

Das Streben nach Erfolg liegt im Ursprung der Menschen und war zu früheren Zeiten eines der wichtigsten Überlebensstrategien. Erfolg, das hieß Beute und Nahrung, stand gleichbedeutend mit dem eigenen Überleben und dem des Clans. Später hieß Erfolg, etwas zu erreichen. Und auch heute gilt, dass die Suche, die Anstrengung und der Wunsch nach Erfolg dem eigenen Stillstand entgegenwirken. Wer sich nicht ständig zu verbessern versucht, bleibt im Vergangenen stehen. Dennoch kann das Erfolgsstreben auch in eine Sucht umschlagen und zur reinen Obsession werden. Wie so vieles, hat das Streben Glanz- und Schattenseiten, wie auch dieser Artikel zeigt. 

 

Warum wollen wir Erfolg um jeden Preis? 

Erfolg, oder dessen Definition, ist umgebungsabhängig. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Streben nach ihm bereits in den menschlichen Vorfahren vorhanden war und gleichfalls ein überlebenswichtiger Baustein in allen Lebewesen ist. In all diesen Fällen ist der Erfolg jedoch völlig unterschiedlich von dem heutigen Verständnis zu bewerten und kann in genau drei Bereiche aufgeteilt werden: 

 

Verteidigung - hier steht die eigene Verteidigung und die der Familie, des Reviers oder das Clans im Mittelpunkt. Der Bereich lässt sich wunderbar in der Tierwelt beobachten und war in der menschlichen Frühzeit einer der wichtigsten Bestandteile des Fortbestands. 

 

Nahrung - die Suche oder das Erjagen von Nahrung ist nicht nur überlebenswichtig, sondern führte bei Menschen und führt noch heute bei Tieren zu einer direkten Belohnung. Die erfolgreiche Jagd sichert den Fortbestand, die gerade erjagte Nahrung ist der Lohn für die Mühe. 

 

Vermehrung - auch die Partnerwahl - sowohl bei Menschen als auch bei Tieren - ist ein Bereich des Erfolgs und die Fortpflanzung der Lohn. 

 

Generell ist das menschliche Hirn so gestrickt, dass das Streben nach Erfolg quasi tatsächlich in der Genetik verankert ist. Dabei gibt es zwar keinen direkten Bereich, der für Erfolg steht, doch das Belohnungszentrum des Hirns springt auf die Gefühle, die das Erreichen eines Ziels mit sich bringt, an. Der ganze Prozess spielt sich im Hirnbereich Nucleus accumbens ab. Aber was geschieht beispielsweise im Fall eines gewonnenen Pokerspiels oder einer gelungenen Verhandlung im Job?

  • Gehirnaktivierung - das Hirnareal wird durch das erreichte Ziel aktiviert. Es wird aktiv und steuert diverse Prozesse in den Nachbararealen. 
  • Ausschüttung - ähnlich wie ein Pokerspieler Geld ausgeschüttet bekommt, überschüttet das Hirn nach einem Erfolg den Körper mit Glücksgefühlen und Zufriedenheit. Gleichzeitig steigt die Konzentration des Glückshormons Dopamin im Körper an. Dieses ist mitunter für den eigenen Antrieb verantwortlich. 
  • Folge - Erfolg macht glücklich, zufrieden und motiviert, es wieder zu versuchen.

 

Gerne wird Erfolg mit einer Sucht gleichgesetzt, beziehungsweise damit, dass Erfolg süchtig machen kann. In gewisser Weise stimmt dies, denn der Körper verlangt erneut nach diesem guten Gefühl, das die letzte Errungenschaft ausgelöst hat. Da zudem dieselben Bereiche angesprochen werden, die auch bei der Drogeneinnahme reagieren, lässt sich der Vergleich durchaus ziehen. Das Streben nach Erfolg ist auch aus diesem Grund ein menschliches Bedürfnis, das eine lange Geschichte hat: 

 

Erfolg und Glücksspiel

Nicht nur in der Antike war Glücksspiel bekannt, auch lange vor Christus wurden verschiedene Arten von Spielen gepflegt. Gewiss spielte immer die Unterhaltung eine Rolle, doch durch den Aufbau des Gehirns war das Streben nach dem Erfolgserlebnis und des Siegs im Spiel unweigerlich mit dem Glücksspiel verbunden. Bei einem gewonnenen Spiel ist natürlich nicht alleine das Glücksgefühl und die biologische Belohnung innerhalb des Körpers ein Faktor, sondern es gibt den direkten materiellen Erfolg. Das Zusammenspiel aus beiden Faktoren - dem süchtig machenden Glücksgefühl und dem Gewinn - kann zur Kehrseite des Erfolgswunsches führen. 

 

Erfolg und Entwicklung

Es darf ruhig gesagt werden, dass ohne die Gefühle, die ein Erfolgserlebnis in einem Menschen selbst auslöst, keine Entwicklung stattfinden könnte. Viele Erfindungen wären niemals ans Tageslicht gekommen, hätte das Gehirn des Erfinders nicht bereits in den Anfangszügen Glückshormone ausgeschüttet und den Erfinder im Geheimen belohnt und ermutigt, weiterzumachen. Und diese Tatsache gilt noch immer und selbst bei Erfindungen, die längst bekannt sind. Das Streben nach der Verbesserung eines Produkts oder eines Werkes ersetzt nun das Streben nach dem Erfolg, das Produkt überhaupt bekannt zu machen. 

 

Welche positiven Auswirkungen hat das Erfolgsstreben auf Menschen? 

Auf die Menschheit an sich bezogen, bedeutet <link erfolg-2016.3942.0.html>das Erfolgsstreben nichts anderes als die Vermeidung des Stillstands. Zugleich gibt es hinsichtlich der Frage zwei Arten des Erfolgs, die immer zu unterscheiden sind: 

 

Äußerer Erfolg - das sind die Ziele, die eine Gesellschaft insgesamt aufsteckt und die von außen an Personen gestellt werden. Erfolg im Arbeitsleben, gute Noten in der Schule, das öffentliche Auftreten, der Gesellschaftswandel an sich - all das sind von außen aufgestellte Ziele. Sicherlich ist in einigen Bereichen jeder selbst für das Erreichen des Ziels verantwortlich, in anderen Bereichen jedoch werden die Aufgaben auf die Gesellschaft aufgeteilt und jeder hat einen Anteil an dem Erfolg oder Misserfolg. 

 

Innerer Erfolg - dieser steckt in jedem einzelnen Menschen. Selbst diejenigen, die von sich behaupten, Erfolg sei ihnen egal, streben nach Erfolg - sie definieren ihn nur anders. Beispielsweise setzt sich jeder, der jeden Tag einen Apfel essen möchte, ein Ziel und jeder verzehrte Apfel ist ein Erfolg. 

Niemand möchte in der Vergangenheit verharren, sondern sich weiterentwickeln. Aus diesem Grund ist das Streben nach Erfolg ein wichtiger Anker der Weiterentwicklung jedes Einzelnen. Der einzige Unterschied ist nur, wie man Erfolg für sich selbst definiert und welche Ziele aus dem eigenen Wunsch heraus erreicht werden sollen. Wird das Streben überwiegend von außen und Dritten angestoßen und basiert es nicht auf dem eigenen Wunsch, können mitunter die Glückshormone und letztlich das motivierende Dopamin ausbleiben, wodurch natürlich die Belohnung ausbleibt.

Wann werden daraus ernsthafte Probleme? 

Das Streben nach Erfolg ist positiv und natürlich. Problematisch wird es, wenn das Streben zu Gier wird und sich eine Sucht entwickelt. In diesem Fall hat das nicht ausschließlich Auswirkungen auf den Betroffenen, sondern eventuell auch auf die Umwelt. Je nach Persönlichkeit des Betroffenen und eventuellen psychischen Merkmalen kann sich daraus eine ernste Situation ergeben. 

 

Erfolg ist Macht

Wer süchtig ist nach dem Erfolg, ist nicht selten süchtig nach der Macht, die dieser mit sich bringt. Das lässt sich besonders gut in wirtschaftlichen oder beruflichen Bereichen erkennen. Mit dem Aufstieg in einem Unternehmen oder durch den Aufstieg des eigenen Unternehmens kommt ein Erfolgreicher in die Situation, sich über andere zu erheben. »Vom Boden abgehoben« oder »mit dem Kopf durch die Decke« sind nur zwei Redewendungen, die das Szenario gut beschreiben. Teilweise ist zu erkennen, dass die Personen sich zuerst nur im beruflichen Umfeld verändern, später jedoch wirkt sich dieser Machtvorteil auch im privaten Bereich aus. 

 

Erfolg erzeugt Druck

Das genaue Gegenteil tritt ein, wenn ein Erfolg nicht wiederholt werden kann oder wenn er ausbleibt. In diesem Fall geben etliche Menschen sich und den Erfolg auf, wahlweise, weil sie dem äußeren Druck oder ihrem eigenen nichts entgegensetzen können. Dies kann gut geschehen, wenn das Erfolgsstreben ohnehin von Dritten angestoßen wurde und sich die betroffene Person unter Druck gesetzt fühlt. Letztendlich ist dies ein hervorragendes Beispiel für »den Kopf in den Sand stecken«. Am Ende steht hier oft die Depression. 

 

Erfolg als Sucht

Hier lässt sich als Beispiel die Spielsucht anführen. Das nächste Spiel wird ein Gewinn, es muss wieder und wieder und wieder probiert werden - ohne Berücksichtigung der negativen Folgen. Diese treffen den Einzelnen direkt und indirekt, da er zumeist selbst an dem Wissen, süchtig zu sein, leidet, aber auch, weil er seine finanzielle Situation immer weiter herunterreißt und oftmals Freunde und Familie verliert. 

 

Fazit - gesundes Streben ist wichtig

Ganz ohne Erfolgsstreben geht es nicht, jedoch muss jeder für sich eine gesunde Balance finden. Das gilt für jeden Einzelnen, doch auch für eine Gesellschaft an sich, denn auch hier kann das Streben nach Erfolg zu einer auferlegten Sucht werden, die alles aus der Balance wirft. Wer für sich selbst erkennt, immer weitere, größere und höhere Erfolge zu benötigen, sollte unbedingt einen Schritt zurücktreten und überlegen, nicht professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

 

Text: Rolf Thinnes