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Multiple Sklerose bleibt rätselhaft, aber ihr Schrecken schwindet

Trotz aller medizinischen Fortschritte bleibt Multiple Sklerose unheilbar. Moderne Rehabilitation macht das Leben mit dieser Krankheit immer erträglicher. 

 

Die Autoimmunstörung Multiple Sklerose raubt die Leistungsfähigkeit der Betroffenen oft mitten im Arbeitsalltag. Die HELIOS Klinik Schloss Pulsnitz bietet eine auf den individuellen Fall abgestimmte Rekonvaleszenz, um die Menschen möglichst schnell wieder ins Erwerbsleben zurückzubringen. Selbst nach schwereren Krankheitsschüben soll die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen erhalten bleiben. In den sorgsam restaurierten Gebäuden und weitläufigen barocken Gartenanlagen des Pulsnitzer Schlosses eröffnet sich den Patienten ein umfangreiches Rehabilitationsangebot. Hier arbeiten die Ärzte mit einem patientenorientierten Behandlungsansatz unter dem sich die Fachklinik für neurologisch-neurochirurgische Rehabilitation, unter dem Ärztlichen Direktor und Chefarzt Prof. Marcus Pohl, die Zertifizierung durch die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft verspricht. 

 

Wie macht sich Multiple Sklerose bemerkbar?
Prof. Pohl
: Für einen MS-Betroffenen ist die Krankheit am Anfang sehr schwer zu erkennen. Plötzlich sieht er verschwommen, die Sehkraft eines Auges ist beeinträchtigt, er hat ein Taubheitsgefühl im Gesicht oder am Arm. Er registriert Ungeschicklichkeiten, verursacht durch Koordinationsstörungen, etwa im Bereich der Hand. Da dies erstmal wieder verschwindet, wird darauf nicht weiter reagiert. Erst wenn es zu Lähmungen kommt oder die Koordinationsstörungen das Gehen behindern, sucht man medizinische Hilfe. Aufgrund der häufig auftretenden Sehbehinderungen ist der erste Kontakt nicht selten ein Augenarzt, obwohl es sich um eine Störung des Zentralen Nervensystems handelt. Verlässliche Hinweise auf die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose sind wiederholte körperliche Ausfälle. Spätestens beim Dritten oder Vierten solcher Schübe erkennen die Patienten eine Regelmäßigkeit, die sie einen Neurologen konsultieren lässt. Da die Symptome in der Bevölkerung inzwischen bekannter sind, wird dieser Weg immer häufiger gewählt.
Sobald ein erster ärztlicher Kontakt stattfindet, wird die Diagnose meistens gleich gestellt. Hausärzte, Internisten und Augenärzte, die in der Regel vom MS-Betroffenen aufgesucht werden, kennen die Krankheit heutzutage sehr genau und wissen, wie man die Krankheit frühzeitig erkennt und behandelt. 

 

Gibt es Bevölkerungsgruppen, die für Multiple Sklerose besonders anfällig sind?
Prof. Pohl
: Es sind auf jeden Fall eher Frauen betroffen. Offenbar hat die Anfälligkeit für Multiple Sklerose aber auch damit zu tun, an welchem Ort der Erde der Betroffene lebt. Auf der nördlichen Halbkugel ist die Erkrankungswahrscheinlichkeit weit höher. Wechselt man im Erwachsenenalter den Aufenthaltsort von der nördlichen in die südliche Hemisphäre, behält man das erhöhte Erkrankungsrisiko. Als Altersgruppe trifft es vor allem die 20 bis 40 Jährigen, Menschen also, die meistens voll im Arbeitsleben stehen und darum unter plötzlich verminderter Leistungsfähigkeit besonders leiden. 

 

Welchen Verlauf nimmt die Krankheit? 

Prof. Pohl: Die Prognose ist abhängig vom Verlauf. Es gibt drei unterschiedliche Verlaufsformen. Häufig beginnt die Erkrankung schubförmig. Die Beschwerden verebben jedoch bald und die Symptomatik bildet sich vollständig zurück. Weiterhin gibt es einen Verlauf bei dem im ersten und zweiten Jahr Schübe auftreten, die für den Patienten zu immer mehr körperlichen Einschränkungen führen, weil die Entzündungen Spuren zurücklassen, die sich nicht mehr vollständig zurückbilden. Im Fall der dritten, ungünstigsten, aber zum Glück seltensten MS-Krankheitsform, ist der Verlauf von Anfang an progredient, mindert also kontinuierlich die Bewegungsfähigkeit und Selbständigkeit der Patienten. 

 

Wie reagieren Sie mit Ihrer Behandlung auf diese Formen?
Prof. Pohl
: Multiple Sklerose ist eine chronische Erkrankung. Für eine langfristige Behandlung haben sich Multiple Sklerose-Zentren, also Akutkliniken, Ambulanzen oder neurologische Praxen spezialisiert, um die Patienten optimal zu betreuen. In der Rehabilitation hingegen bekämpfen wir die durch die Schübe entstandenen neurologischen Symptome mit dem Ziel, die Betroffenen möglichst bald wieder in den Arbeitsbetrieb zu integrieren. Die Schübe können erhebliche Störungen im sozialen Umfeld, in der Familie und bei der Arbeit verursachen. Wir haben aber auch den Anspruch, gerade Patienten im zweiten MS- Verlauf, wo also jeder Schub zu einer weiteren Verschlechterung geführt hat, dabei zu unterstützen, möglichst lange aktiv im Alltag zu bleiben. 

 

Lässt sich für Multiple Sklerose so etwas wie Vorsorge durchführen? 

Prof. Pohl: Nicht wirklich, denn wir wissen nicht, wann die Schübe solcher neurologischer Symptome auftreten. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen über die Folgewirkungen im Gehirn bei Multipler Sklerose. In monatlich durchgeführten Kernspintomografien fand man im Gehirn Entzündungsherde, die eine vorhandene Aktivität der Erkrankung anzeigten, die von den Patienten allerdings nicht wahrgenommen wurden, also keine Symptome verursachten. Generell ist es gut, fit und aktiv zu bleiben, denn sobald die Einschränkungen durch Multiple Sklerose auftreten, lässt diese körperliche Fitness den Patienten die Einschränkungen besser überwinden. Es ist viel zur Ernährung bei Multipler Sklerose geschrieben worden, aber nichts davon hilft nachweislich, die Schübe zu vermindern. 

 

Dennoch gibt es immer wieder Nachrichten über neue MS-Medikamente auf dem Markt. Kommen die auch bei Ihnen zum Einsatz?
Prof. Pohl
: Wissenschaftler haben schon vor vielen Jahren entdeckt, dass immunsystembeeinflussende Medikamente auch für die MS-Patienten wirksam sind. Heute sind diese Medikamente etabliert und sehr wirksam. Damit erreichen wir hier immerhin, dass die Entzündungen im zentralen Nervensystem nicht so aus- geprägt und die Schübe seltener sind. Nachdem man früher mit klassischer Chemotherapie gleich das ganze Immunsystem beeinträchtigte, gibt man heute präziser wirkende Medikamente in Spritzen- und Tablettenform. Relativ neu sind Medikamente, die sehr selten gegeben werden müssen und deren Wirkung dann für mehrere Jahre vorhält. Selbstverständlich führen wir die medikamentöse Behandlung bei den Betroffenen in der Rehabilitation fort. 

 

Wie ist Ihre Klinik für die MS-Behandlung ausgerüstet? 

Prof. Pohl: Die meisten Patienten kommen zu uns über die Rentenversicherungsträger. Es gibt hier klare Behandlungsempfehlungen, welche Therapieformen, sei es Gruppen-, sei es Einzeltherapie in welcher Häufigkeit und Intensität angewendet werden sollen. Da wir aber die Zertifizierung der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft anstreben, werden wir unser Behandlungskonzept selbstverständlich anpassen. Jedenfalls benötigen wir für das Zertifikat räumliche, strukturelle und organisatorische Voraussetzungen, die wir jedoch bereits weitgehend erfüllen. Hier im Schwerpunkt kümmern wir uns gegenwärtig mit unseren Behandlungsteam bestehend aus Fachärzten für Neurologie, Neuropsychologen und Therapeuten verschiedener Disziplinen um unsere MS-Patienten. Besonders hervorheben will ich unser Angebot im Bereich der Musiktherapie und der Kunsttherapie. Weiterhin nutzen wir neben Wassertherapie und Kletterwand unsere Gartentherapie im barocken Schlossgarten, um die Leistungsfähigkeit der Patienten anzukurbeln. Bei all dem legen wir großen Wert darauf, die Therapiepläne gemeinsam mit dem Patienten zu besprechen. 

 

Wie sehen sie die Heilungschancen für Multiple Sklerose in der Zukunft? 

Prof. Pohl: Ich erinnere mich an einen Lehrfilm aus dem Jahr 1995 in dem die Heilungsmöglichkeit Multipler Sklerose für das Jahr 2020 prognostiziert wurde. Das ist sicher unrealistisch aus heutiger Sicht. Aktuell erhofft sich die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft eine Impfung gegen die MS für das Jahr 2050. Die Wissenschaft hofft, dass man den menschlichen Organismus an den Auslöser gewöhnen kann oder gar mit einem Impfstoff die Krankheit gar nicht erst entstehen lässt. Ähnlich wie bei der Bekämpfung des Heuschnupfens, könnte eine Desensibilisierung eine Verbesserung bewirken. Auch eine Stammzellentransplantation wäre denkbar, da im Tierreich Stammzellen entdeckt wurden, die Autoimmunkrankheiten unterdrücken. Dennoch ist es für mich fraglich, ob Multiple Sklerose jemals geheilt werden wird. 

 

„Neben den klassischen neurologisch-therapeutischen Rehabilitationsverfahren (z. B. Physiotherapie und Ergotherapie) bieten wir Musiktherapie und Kunsttherapie an. Außerdem nutzen wir auch eine Kletterwand und unsere Gartentherapie im barocken Schlossgarten, um die Leistungsfähigkeit der Patienten anzukurbeln.“