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Diagnose Krebs - Wege aus seelischer Dunkelheit
Psychoonkologie hilft Krebspatienten, die psychischen Folgen und Begleiterscheinungen dieser Krankheit und ihrer Therapie zu bewältigen
Die Diagnose „Krebs“ ändert das Leben der Betroffenen einschneidend. Reagiert der Arzt zunächst mit Behandlungsvorschlägen zu der jeweiligen Krankheitsart, so registrieren die Patienten bald einen grundlegenden Wandel ihres Alltags: Die Krankheit und die Sorge um Heilung drängen in den Lebensmittelpunkt und verändern gewohnte soziale Gefüge. Für Sinn und Hoffnung einer Existenz in der Krebstherapie beschreibt Frau Dr. Claudia Böttcher, wie die Psychoonkologie in der HELIOS Klinik Schwedenstein, Fachklinik für Psychosomatische Medizin, in Pulsnitz in den Therapieverlauf eingreift.
Der Begriff Psychoonkologie vereinigt klassische Krebsbehandlung mit Psychotherapie. Wie hilft diese moderne Disziplin den von Krebs betroffenen Patienten?
Dr. Böttcher: Erfahren die Betroffenen von ihrer Krebserkrankung, sehen sie sich zunächst mit konkreten Therapiemaßnahmen konfrontiert. Im Fokus stehen für sie beispielsweise die Verträglichkeit einer möglichen Chemotherapie oder der Verlauf einer Operation. Die mitunter starke psychische Belastung, die der Diagnose folgt, wird dabei von den Patienten oft nicht realisiert. Während einige ihren Zustand offen signalisieren, muss dieser bei anderen immer wieder nachgefragt werden. Obwohl der Arzt die Patienten in der Regel beim Erstkontakt auf die Möglichkeit eines psychoonkologischen Angebots hinweist, wird der psychische Betreuungsbedarf oft erst dann offenbar, wenn der Patient während der onkologischen Therapie Verständnislosigkeit äußert oder nicht nachvollziehbar weitere therapeutische Schritte ablehnt. Besonders aber wenn man aus der Obhut des Arztes in den Alltag zuhause entlassen wird, werden die unterschwelligen Belastungen offensichtlich. Hier tritt die Psychoonkologie in Form einer nachsorgenden Maßnahme auf den Plan.
Was wird dann unternommen?
Dr. Böttcher: Wenn der Patient nachdem ersten Klinikaufenthalt wieder nach Hause entlassen wird, realisiert er eine neue, durch den Krebs geprägte Situation. Der gewohnte Alltag ist zugunsten neuer Abhängigkeiten von der Krankheit verändert. Es kommt zu psychischen Reaktionen, denen wir entgegenzuwirken versuchen. Der Psychoonkologe muss die Therapieform und die Heilungschancen der diagnostizierten Krebsart dabei genau kennen. Um zu erfahren, welchen Verlauf die jeweilige Krankheit nimmt, kooperieren wir mit allen an der Therapie beteiligten Disziplinen. Oft geht es darum, den Patienten darauf hinzuweisen, dass der Verlauf der Krankheit auch tödlich sein kann und der Abschied von seinen Nächsten besprochen werden sollte. Andersherum nehmen viele Betroffene ihre Krebsdiagnose sofort als sicheres Todesurteil ohne zu wissen, dass viele Krebsarten eigentlich heilbar sind. Wir führen den Patienten einerseits die Perspektive einer vollständigen Heilung vor Augen und zeigen andererseits die palliativen Möglichkeiten auf, wenn nicht mehr geheilt werden kann. Unterstützend wirksam ist dabei auch die Behandlung von eventuell vorliegenden depressiven Symptomen.
Ist Psychoonkologie damit nicht eigentlich Depressionsbehandlung?
Dr. Böttcher: Natürlich sind Psychoonkologen ausführlich in der Depressionstherapie ausgebildet. Die Behandlung eventueller psychischer Erkrankungen ist ein Teilaspekt der psychoonkologischen Betreuung. Darüber hinaus werden aber auch die Auswirkungen somatischer Therapien einbezogen. Es interessieren beispielsweise die Belastungen von Brustamputationen und allgemein das Ausgeliefertsein gegenüber Operationen. Patienten sorgen sich „was hat die OP mit mir gemacht? Wie lange kann ich als todgeweihter Krebspatient meine Kinder noch begleiten?“ Andererseits empfangen wir hier aber auch Menschen, die ihre Depressionen aus langjährig zurückliegenden operativen Eingriffen beziehen. Für solche Fälle bieten wir in der Regel Einzeltherapie an.
Therapieren Sie als Psychoonkologin ambulant und stationär?
Dr. Böttcher: Sofern es der Schweregrad der Krankheit erlaubt, sollten die Patienten in ihrer alltäglichen Umgebung behandelt werden. Dafür braucht man ambulante Versorgungsstrukturen und ambulant tätige Psychologen oder Psychoonkologen, die eine entsprechende Weiterbildung haben und sich diese Tätigkeit auch wirklich zutrauen. Man muss das im Herzen haben. Man muss es innerlich wollen, denn man wird immer mit starkem Leiden konfrontiert und erlebt dies nicht selten in Gestalt von Patienten, die lebensrettende Maßnahmen ablehnen. Hierzu sammelt der Psychoonkologe Erfahrungen als Hospitant an den onkologischen Stationen der Krankenhäuser. Aktuell nehmen wir an der HELIOS Klinik Schwedenstein nur Patienten stationär auf. Ein ambulantes Angebot soll in der Zukunft zur Verfügung gestellt werden.
Wie sehen sie Chancen und Zukunft dieses Fachs?
Dr. Böttcher: Psychoonkologie ist eine recht junge Disziplin, die in den 1980er Jahren entwickelt wurde. Von daher und auch weil sie auf einen sich ständig erhöhenden Therapiebedarf reagieren muss, hat sie hohes Wachstumspotential. Speziell hier, in der Fachklinik für Psychosomatische Medizin, wo ich seit Juli 2014 arbeite und diese Disziplin eingeführt habe, gilt es, das Geschaffene zu etablieren und in noch breiterem Spektrum zu wirken. Wartezeiten können vermieden werden, indem psycho-onkologische Versorgung nicht nur an ein paar wenigen Orten möglich wäre.