- 3282 Aufrufe
Gewerbliche Infizierung bei Gemeinschaftspraxen
Üben Ärzte in Gemeinschaftspraxen neben freiberuflichen auch gewerbliche Tätigkeiten aus, kann dies dazu führen, dass die Praxis ihren freiberuflichen Statuts verliert und in vollem Umfang gewerblich wird (Abfärbe- oder Infektionstheorie des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). In einem solchen Fall tritt unter anderem die Gewerbesteuerpflicht des Gewinns bzw. des Gewerbeertrags ein. Die OFD hat in einer Verfügung vom 16.08.2016 zur Abfärberegelung darauf hingewiesen, dass die gewerbliche Infizierung auch durch die sogenannte integrierte Versorgung in Gemeinschaftspraxen eintreten kann. Gemäß den entsprechend zwischen Arzt und Krankenkasse abgeschlossenen Verträgen zahlt die Kasse bei der integrierten Versorgung für die Behandlung von Patienten nämlich Fallpauschalen, die sowohl die medizinische Betreuung (freiberufliche Tätigkeit) als auch die Abgabe von Arzneien und Hilfsmitteln (gewerbliche Tätigkeit) abdecken. Nach Auffassung der Vertreter der obersten Finanzbehörden der Länder kommt es dabei in Gemeinschaftspraxen durch den gewerblichen Anteil der Fallpauschalen zu einer gewerblichen Infizierung der gesamten Praxiseinkünfte. Die OFD weist jedoch darauf hin, dass dies nur dann der Fall ist, wenn die gewerblichen Nettoumsatzerlöse eine Bagatellgrenze in Höhe von 3 Prozent der Gesamtnettoumsätze und zusätzlich den Betrag von 24.500 Euro im Veranlagungszeitraum übersteigen. Diese Schwellenwerte hat das BFH in mehreren Urteilen festgelegt, die inzwischen von der Finanzverwaltung allgemein anerkannt sind. Bei einer Überschreitung der Bagatellgrenzen kann die gewerbliche Infektion noch vermieden werden, indem die gewerbliche Tätigkeit der Praxis auf eine beteiligungsidentische Schwesternpersonengesellschaft ausgelagert wird (Ausgliederungsmodell). Eine solche Auslagerung wird von der Finanzverwaltung bei Gemeinschaftspraxen jedoch nur anerkannt, wenn sich die Tätigkeit der gewerblichen Gesellschaft eindeutig von der der Gemeinschaftspraxis abgrenzen lässt. Hierzu bedarf es vor allem eines entsprechend gestalteten Gesellschaftsvertrags sowie der getrennten Führung der Bücher und der Bank- und Kassenkonten. Laut der OFD-Verfügung ist eine gewerbliche Tätigkeit nicht gegeben, wenn im Rahmen der integrierten Versorgung Hilfsmittel verwendet werden, ohne deren Einsatz die ärztliche Heilbehandlung nicht möglich wäre (z. B. Einsatz künstlicher Hüftgelenke). Hier ist die Abgabe von Hilfsmitteln und Medikamenten derart eng mit der eigentlichen Behandlung verbunden, dass sie nicht selbständig betrachtet werden kann, sondern Bestandteil der ärztlichen Gesamtleistung ist. Der Hilfsmitteleinsatz stellt somit keine gewerbliche Tätigkeit, die eine gewerbliche Infizierung herbeiführen könnte, dar.