- Dezember 09, 2021
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Eine Kreuzfahrt mit der Mein Schiff 1 zu Corona-Zeiten. Wir wollten wissen, wie das ist.
Ärger auf der Mein Schiff 1
Der erste Eindruck war ganz eindeutig: „Wow, ein Riesenschiff!“ Die Mein Schiff 1 lag im Hafen von Kiel. Mit dem Shuttle waren wir unkompliziert vom Bahnhof gekommen und nach kurzer Zeit hatten wir die Anmeldung und Coronatests überstanden.
Das Ankommen auf dem Schiff war irritierend. Man war da und fertig. Wir suchten die Kabine selbst und fanden dort unsere Schiffsausweise. Beim Einchecken hatten wir nur einen Papierstreifen bekommen. Man hatte uns gesagt, wir sollten uns bis zur Abreise bei unserer Rettungsstation einfinden. Die meisten anderen Passagiere stürmten als erstes die Restaurants. Wir gingen brav zur Übung. Die war nach vier Minuten und einem ziemlichen Gemurmel des Mitarbeiters vorbei.
Wir gingen kurz auf die Kabine und hörten uns die Lautsprecheransagen des Tages an, die dort gespeichert waren. Als erstes liefen mehrere Abschiedsansagen und Organisatorisches der letzten Reise. Das wirkte seltsam. Dann eine Ansage des Kapitäns: „Hallo Crew, ich bin Ihr neuer Captain.“ Na super! Ein Kapitän, der noch nie als Kapitän auf diesem Schiff war! Das gab ein ungutes Gefühl, zumal sein Ton sehr leger war.
Lange Schlangen an den Bars vor der Abreise. Mit der Auslaufmelodie „Große Freiheit“ startete die Fahrt. Ich ging freudig an die Rezeption: „Hallo, ich schreibe eine Reportage über diese Reise und hätte gern einen Termin mit dem Kreuzfahrtleiter. Wir kennen TUI Cruises gar nicht und wissen nichts über das System auf diesem Schiff. Vielleicht kann er uns helfen, uns schnell zu orientieren und hat ein paar Tipps für uns.“ Das war die letzte Minute der Fröhlichkeit auf dieser Reise, denn danach gab es nur noch Stress und Nerverei. Ich musste drei Mal an der Rezeption nachfragen bis ich die Auskunft erhielt, ein Termin sei nicht möglich. Das verstand ich nicht. War ein Kreuzfahrtleiter nicht dazu da, Anfragen und Wünsche der Gäste zu beantworten? „Der Kreuzfahrtleiter spricht nicht mit Jedem“, kam die Antwort. Was für eine arrogante Haltung! Und schon manifestierte sich dieses bestimmte Bild, das mir einigen meiner Kollegen bzw. Freunde schon vor der Reise über TUI Cruises vermittelten. Ich konnte mir das nicht vorstellen und ging wirklich optimistisch auf dieses Schiff. Doch es stellte sich mir dann so dar: Eine anonym anmutende Maschinerie, die komplett außer Takt war und wo ein Passagier nicht mehr wert war als seine Kabinennummer für die Rechnung und Kontaktnachverfolgung.
Die Sache mit dem Kreuzfahrtleiter ließ mir keine Ruhe. Als wir am nächsten Mittag im Restaurant Atlantik Mediterran auf Deck 4 saßen, nachdem wir das GanzSchönGesund Restaurant nach einer halben Stunde Wartezeit verlassen hatten, gab es ein Stück entfernt Stimmung und Zuprosten mit großen Biergläsern. Es war die Führungsriege des Schiffes: Kapitän, Hotelmanager, Kreuzfahrtleiter, General Managerin… Als wir gegessen hatten, ging ich zum Tisch und begann das Gespräch: „Ich bin nicht so fröhlich wie Sie hier.“ Ich wiederholte mein Anliegen. Der Kapitän starrte auf seinen Teller, dem Hotel Manager war seine Anwesenheit bei diesem Mittagsgelage (übertrieben, man saß) scheinbar peinlich und der Kreuzfahrtleiter lachte. Die General Managerin stand auf und drängte mich mit zwei ausgestreckten Armen vom Tisch. Ich kam mir vor wie eine Kriminelle. Nein! Hier gefiel es mir nicht! Das war alles unfreundlich, ungastlich, unsympathisch und irgendwie seltsam.
Ich bekam dann per Brief doch noch einen Termin mit dem Kreuzfahrtleiter. Ich war pünktlich, er nicht. Man rief ihn von der Rezeption an. Er kam und erklärte wütend, dass er gleich in seine Abendschau müsste. Er gab mir einen anderen Termin. Auf diesen, zwei Stunden später, wartete ich. So war der ganze zweite Tag fast vorbei.
Das Gespräch mit kleinem Rundgang verlief genauso eigenartig. Wenn ich etwas fragte, meinte er: „Sie haben sicher noch keine Kreuzfahrt gemacht, denn es ist so...“ Was für eine Überheblichkeit! Ich erzählte von meinen Weltreisen auf Schiffen, Kreuzfahrtbüchern und Seereise-Reportagen, die ich seit über 20 Jahren schrieb oder dass ich fast direkt von der MS Artania hier rüber kam. Er hörte nicht zu. „Sie waren in letzter Zeit garantiert nicht in einem Hotel oder ähnlichem…“, argumentierte er, als ich einige Aktivitäten auf dem Schiff abfragte. Als Geschäftsreisende war ich fast jedes Wochenende in den verschiedensten Hotels gewesen und hatte einen guten Überblick wie die Hotels in Deutschland und der Schweiz im Verlauf der Corona-Pandemie mit Regeln und Gästeservice umgingen. „Wir haben ein einmaliges Hygienekonzept“, erklärte er und ich verglich in Gedanken mit den anderen Schiffen, die ich unter Corona-Bedingungen erlebt hatte. Naja! Und so ging das weiter…
Nur Ärgernisse! Man musste alle Veranstaltungen auf dem Schiff per App buchen: Vom Bingo über die Abendschau bis zum Kinderspielen. Erst fehlte uns die Information, dann der Internetempfang. Als die App dann lief, waren alle interessanten Termine ausgebucht. Nachfrage an der Rezeption nach Zusatzplätzen. Nein! Nach Wartelisten. Nein! Zwei Plätze für einen Kinderquizz hatten wir ergattert. Nach fünf Minuten kam der 10-Jährige aufgelöst weinend auf die Kabine gerannt. Er erzählte, dass sie ihre Kabinennummern nennen mussten und eine Frau ihm sagte: „Du bist für dieses Programm nicht geeignet. Verlasse sofort den Raum!“ Der 12-Jährige durfte bleiben. Die Altersgrenze für die meisten Programme zog sich durch die Brüder. Frage an der Rezeption nach einer Lösung. Keine! Möglichkeit für Sport in der Arena? Nein! Joggingpfad nutzen? Nur vor acht Uhr morgens. Teilnahme am Shufflebord- Treff für Kinder möglich? Erst hieß es an der Rezeption ja, nach Rücksprache mit der Leitung hieß es Nein. Was sollten die Kinder die ganze Reise auf diesem Mein Schiff 1 machen? Essen und Fernsehen auf der Kabine?
Der Ärger und die Enttäuschung wurden immer größer. Besonders der Unterschied zu dem Schiff, von dem wir gerade abgestiegen waren, der MS Artania, war extrem. Es musste doch auch irgendwo auf der Mein Schiff 1 eine gute Seele geben, der es wichtig war, dass man sich als Passagier wohl fühlte. Ich fragte an der Rezeption: Schulterzucken. Verantwortlich für alles sei die General Managerin, meinte eine Rezeptionistin. Die von der Rezeption waren da wirklich nett und sie ließen mich wissen, dass wir ihnen schon langsam Leid taten, spätestens seit dem Tag, als ich mit meinem weinenden Sohn vor ihnen stand und nach der Begründung für den Rauswurf fragte. Oder als wir das im Tagesprogramm beschriebene Austernbuffet suchten, das es gar nicht gab. Erwähnt sein sollte an dieser Stelle, dass ich nie die Einzige an der Rezeption war. Es gab oft lange Schlangen mit Passagieren, die Anliegen hatten.
Das Gespräch mit der General Managerin darf ich nicht beschreiben. Sie schickte mir danach einen Brief, in dem sie mir erklärte, dass das Gespräch, in das ich mit der Frage, was für meine Kinder an Bord noch möglich wäre, gegangen bin, unter dem journalistischen Codex Drei stattgefunden hätte. Was ich aber schreiben darf, waren ihre Vorschläge für die Beschäftigung der Kinder auf der Mein Schiff 1, die sie mir danach schriftlich zukommen ließ: Sie empfahl die Abendschau (die Aufzeichnung einer Bord TV Talk-Sendung mit dem Kreuzfahrtleiter), den Skandinavischen Markt (Essensstände auf dem Pooldeck), Portraitfotos am Schiffsbug (die man dann kaufen musste), ein Iris-Fotoshooting (Fotos kaufen) und ein Schokoladen Bufett, das es für alle auf dem Pooldeck gab. Warum das Gespräch nachträglich von ihr unter den Codex gestellt wurde, den meist nur wichtige Politiker verwenden, kommentiere ich nicht. Ich war sehr entspannt, höflich und wertschätzend in dem Gespräch.
Die gesamte Reise war durchzogen von solchen Ärgernissen und ein Gefühl von Entspannung kam gar nicht auf. Selbst der eine Kellner, der nett zu uns war und zu dem wir jeden Abend in das Restaurant Atlantik Klassik gingen, wurde uns in der Mitte der Reise genommen. Wenn wir so traurig bei ihm saßen, hatte er gemeint: „Sie können jederzeit zu mir kommen.“ Eines Abends war er weg. Wie die Kollegen sagten, abberufen in den Suiten-Bereich. Wieder Tränen in den Augen. Er war unsere einzige Bezugsperson auf dem Schiff gewesen. Ich fragte, ob das üblich wäre, die Station innerhalb einer Reise zu wechseln. Man antwortete, dass das sonst nie so gehandhabt wurde.
Diese spezielle Reise hat uns gar nicht gefallen. Dafür aber das Schiff: Modern, hell, mit kreativen Raumdekorationen. Toll! Dass alle Getränke inklusive sind, auch Cocktails und Spirituosen, ist auch ein Vorteil gegenüber anderen Schiffen. Man könnte daraus schließen, dass unter einem anderen Management vor Ort, Reisen auf den Mein Schiffen richtig gut sein könnten. Vielleicht hatten wir einfach nur Pech mit dieser Personalbesetzung.