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Editorial Frühjahr 2016

Das Leben ist kein ruhiger Fluss. Die Zeiten ändern sich so schnell. Menschen kommen und gehen. Neue Menschen kommen. Ich weiß, dass mir das nicht gefällt – aber wir müssen alle mit.

 

Meine Oma hatte 85. Geburtstag. Die meisten Familienmitglieder hatte ich nach dem Tod meines Papas und meiner Mami nicht gesehen. Sie waren sehr reserviert. Das war ganz unangenehm. Als ich am selben Abend mit meinen drei Kindern abreisen musste (das Haus war mit Übernachtungsgästen schon voll), stand ich eine Weile in der Dunkelheit und betrachtete das mir so vertraute Haus meiner Großeltern in dem kleinen Dorf. Hier hatte ich einen Großteil meiner Kindheit und Jugend verbracht. Heimat! Wie in einem romantischen Film kamen die alten Bilder hoch und es wurde mir bewusst, dass die meisten Menschen, die ich hier geliebt hatte, mit denen ich gelacht und gestritten hatte, einfach weg sind. 

 

Stattdessen sind neue Leute in diesem Haus. Meine Tante ist eingezogen, ihre Kinder sind nun oft hier, deren Freunde und deren Kinder. Es geht lebhaft zu, ziemliches Gewusel. Und als ich da so stand, sah ich mein Bild von hier: Meine alte Oma Frieda steht am Fenster und gibt mir Malzbonbons, mein Opa sitzt im Unterhemd auf der Bank und raucht Pfeife, mein Onkel hängt die Täubchen auf eine Leine, die er mit seinen Freunden (meistens durfte ich mit) mit dem Luftgewehr geschossen hatte. Mein Papi bastelt an unserem alten Auto und meine Mami steht oben am Fenster, raucht und macht eine Pause vom Essenkochen. Hund Flocki wuselt herum und Nachbarin Liesbeth kommt zu Besuch. Und heute? Keiner von diesem Bild ist mehr da. Komplett weg! Richtig weg! 

 

Und da stehe ich und tue den neuen Leuten sicher unrecht, wenn ich mir doch so sehr wünschte, dass die Menschen von früher wieder hier wären. Dass alles so wäre wie immer.
Früher habe ich gern Familiensagas gelesen. Irgendwann fand ich es deprimierend, dass der erste Teil um die Oma, der zweite um die Mutter und der dritte um die Enkelin ging. Alles so abgeschlossene Kapitel. Punkt! 

 

Ich solle nicht so wehleidig sein, hat meine Oma nach dem Tod meiner Eltern gesagt. Und so will ich auch nur noch Eines sagen: Wenn Sie große Familien haben, genießen Sie es! Früher war ich oft angestrengt, wenn man Weihnachten erst hierhin, dann dahin musste. Schon wieder Geburtstage, Feiertage, Sonntage. Aber Sie glauben nicht, wie sehr man das vermisst, wenn man dann Schuleinführung, Weihnachten und so weiter in Mini-Familie allein verbringen muss – ohne Mutti, Vati, Geschwister, Omas, Opas, Tanten, Onkel, Cousins oder Cousinen. Sie wissen, was ich meine. Familienfeste sind vielleicht nicht immer die Highlife-Veranstaltungen, aber sie sind so beruhigend. Es ist nicht immer harmonisch, manchmal langweilig, manchmal sehr lang. Aber trotzdem... 

 

 

Ich wünschte, wir wären nicht immer so allein! Und ich hoffe von Herzen, dass Sie es nicht sind!