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Die Wiege der Sterneköche

Seit über 40 Jahren führt für die besten Köche der Welt kein Weg am Tantris vorbei
Eckart Witzigmann, Heinz Winkler und Hans Haas - die Küchenchefs des Tantris wurden zu Stars der Kochszene. Zahlreiche Kochschüler wurden hier ausgebildet, zum Beispiel auch der Dresdner Sternekoch Stefan Hermann. Lesen Sie eine Münchner Erfolgsgeschichte!
Ende der 60er Jahre
Der Bauunternehmer und Gourmet aus Leidenschaft Fritz Eichbauer reist mit seiner Frau Sigrid-Ursula zum Essen nach Frankreich und in die Schweiz. Kulinarisch von der französischen Küche und architektonisch von den Schweizer Mövenpick-Restaurants inspiriert, planen sie ihr Traum-Restaurant für München. Das Gebäude des Architekten Prof. Justus Dahinden aus Zürich erinnert an einen modernen Sakralbau. Die Farben: Hummerrot und Trüffelschwarz, die Decken und Wände aus orangefarbenem Teppich. "Exotisch und fremd" sollte das Tantris sein. Die Fabelwesen aus Beton auf dem Vorplatz und im Restaurant stammen vom Schweizer Künstler Bruno Weber.
1971–1978: Die Zeit unter Küchenchef Eckart Witzigmann
1971: Fritz Eichbauer kann auf Empfehlung von Paul Haeberlin, Auberge de l'Ill, Illhäusern, den jungen aufstrebenden Küchenkünstler Eckart Witzigmann für das Tantris gewinnen und holt ihn aus Washington D.C. zurück nach Deutschland. Am 2. Dezember öffnet der Gourmet-Tempel seine Pforten. Die Anfangszeiten sind hart. Produktqualität und Vielfalt sucht man in Deutschland vergebens. Das Münchner Publikum versteht Witzigmanns Kochkunst - noch - nicht. Der kundige Chef de Service Gerald Gratzer hat viel zu tun, den Gästen die noch nie da gewesene Qualität auf dem Teller zu erläutern. Immer höflich klärt Gratzer auf und freut sich, wenn ein Bayer in Janker und Lederhosen Krebse bestellt.
1973: Fachleute werden schon bald auf die Genialität von Witzigmanns Küche aufmerksam. Bereits ein Jahr nach Eröffnung vergibt der Guide Michelin Deutschland seinen ersten Stern ans Tantris.
1974: Der Guide Michelin vergibt zum ersten Mal zwei Sterne an sieben Restaurants in Deutschland, darunter das Tantris in München.
1975: Die Zahl der Gäste steigt kontinuierlich. Klaus Besser und Gert v. Paczensky, zwei Pioniere der deutschen Esskritik, schreiben Elogen auf das Tantris. Wolfram Siebeck nennt in seinem ZEIT-Artikel vom März 1975 Eckart Witzigmann "wahrscheinlich einen der größten Küchenchefs, die je in der deutschen Gastronomie arbeiteten". Witzigmann löst sich von der französischen Klassik. Er zündet Gaumen- Feuerwerke, die für die kommenden zwei Jahrzehnte die deutsche Gastronomie überstrahlen werden. Höchste Sensibilität verbunden mit unbändiger Lust am überwältigenden Geschmack und untrüglichem Gespür für den verborgenen Reichtum eines Produkts. Französisches Handwerk, österreichische Seele: Daraus entstehen Kochkunstwerke wie Karpfen-Pörkölt mit Paprika, mit frischem Ingwer gefüllte Taube mit Zitronensauce und dann natürlich Dukatenbuchteln, Mohnnudeln, Kaiserschmarrn...
1978: Das Tantris wird Maßstab für die deutsche Spitzengastronomie. Mit Eckart Witzigmann und seinen Tantris-Schülern beginnt eine Gastronomiebewegung, die den Herald Tribune veranlasst, analog zum Wirtschaftswunder vom deutschen Küchenwunder zu sprechen. Witzigmann wird zum Koch des Jahres gwählt. Im September 1978 verlässt Witzigmann das Tantris und macht sich mit seinem Restaurant Aubergine selbstständig.
1978 – 1991: Die Zeit unter Küchenchef Heinz Winkler
Nachfolger wird der 29-jährige Südtiroler Heinz Winkler, der - nur als kurze Zwischenstation geplant - bei Witzigmann die "Nouvelle Cuisine" im Tantris lernen wollte. Skepsis von Gästen und Journalisten begegnen ihm. Es folgt ein Einbruch im Geschäft, aber Winkler arbeitet hart daran, das Publikum zurückzuholen und neue Gäste zu gewinnen. Es gelingt ihm erstaunlich schnell.
1979: Winkler erhält die Ehrung Koch des Jahres. Peter Kluge, seit 1973 im Tantris, wird Restaurant-Chef, berät die Gäste kompetent und wacht über den Weinkeller, der sich bis zu Paula Boschs Einstieg als erste Sommelière im Tantris auf 700 Sorten und 60.000 Flaschen vergrößern soll.
1981: Im November 1981 verstummen die letzten Kritiker: Der Guide Michelin vergibt drei Sterne an Tantris-Küchenchef Heinz Winkler und sein Team. Das Jubiläums-Fest zum zehnjährigen Bestehen wird ein rauschendes Fest. Winkler entwickelt seinen Stil der Cuisine Vitale, einer überwiegend leichten, differenzierten, von Kräuteraromen durchzogenen Küche mit Gerichten wie Rotbarbenfilet auf Beaujolais-Spinat, Timbale von Lachs und Jakobsmuscheln und Wildtaube mit Petersilien-Mousse.
1983: Winkler versteht es, das Restaurant Tantris in Szene zu setzen. Er holt Prominenz und prominente Veranstaltungen ins Haus. Unvergessen die BAMBI-Verleihung 1983 mit 220 Gästen, als der Tisch von Verleger Prof. Dr. Hubert Burda mit Stars wie Larry Hagman, Charlton Heston und Cher spontan einen Menügang nachbestellt: Baby-Langusten mit Basilkum-Nudeln. Die Küche ringt um Fassung und schafft das Unmögliche: Das "da capo" wird den Gästen serviert. Mitte der 80er Jahre: Das Tantris wird zur Institution, die getragen von Winklers Geschäftssinn, der Konsumfreude der achtziger Jahre und der Lust der Deutschen an der Grande Cuisine wirtschaftlich floriert.
1991: Winkler eröffnet seine "Residenz" in Aschau.
Seit 1991: Die Zeit unter Küchenchef Hans Haas
Es folgt die zweite "Wachablösung" im Tantris. Mit der Wahl des Tirolers Hans Haas knüpft Tantris-Patron Fritz Eichbauer in gewisser Weise an die Anfänge seines Hauses an. Hans Haas hatte bei Paul Haeberlin und bei Eckart Witzigmann in der Aubergine am Herd gestanden, bevor er in Frankfurt am Main den "Brückenkeller" zum besten Restaurant der Stadt machte. Auch Haas hat mit Vorbehalten zu kämpfen, wie sie gegen Nachfolger eines gefeierten Vorgängers wohl üblich sind. Der souveräne Meisterkoch räumt sie im Handumdrehen aus. Mit Hans Haas kommt Paula Bosch. Sie ist der erste hauptberufliche Sommelier des Tantris, die erste Sommelière Deutschlands.
Bisher hatte Restaurant-Chef Peter Kluge die Klienten beraten und über den Weinkeller gewacht, was bei einer wachsenden Anzahl von Weinen (700) und Flaschen im Keller (60.000) nicht mehr zu schaffen war. Es dauert eine Weile, bis sie dem Weinkeller ihre Handschrift geben kann, aber dann "konnte ich tatsächlich tun, was ich wollte," erinnert sich Paula Bosch an ihre Anfangszeit. Sowohl Haas als auch Bosch verstehen sich im besten Sinne des Wortes als Gastgeber. Der Gast steht im Mittelpunkt. Wenn er sich wohl fühlt und glücklich und zufrieden nach Hause geht, dann haben sie alles richtig gemacht. Anfang der 90er Jahre: Mit Haas hält die regionale Küche - lange bevor sie modern wird auf höchstem Niveau Einzug im Tantris. Er baut sich seinen Stamm an Produzenten und Lieferanten im bayerischen Umland auf: Das Lamm stammt aus Niederbayern, der geräucherte Aal aus der Nähe von Augsburg. Sein Küchenstil: natürlich und einfach in der Zubereitung, konzentriert auf den Geschmack des Produkts. Ihm gelingt eine einzigartige Mischung aus Bodenständigkeit und wahrer Kochkunst.
1995: Gault Millau Deutschland kürt Hans Haas zum Koch des Jahres.
1996: Paula Bosch beginnt eine wöchentliche Kolumne über Weinempfehlungen für das Magazin der Süddeutschen Zeitung zu schreiben. Sie bringt das Thema Wein einem breiteren Publikum näher. Die Kolumne erreicht im Laufe der Jahre Kultstatus. Wenn Bosch einen Wein empfahl, war dieser oft schon nach Stunden im Handel ausverkauft.
2000: Restaurantleiter Peter Kluge geht nach 27 Jahren in den wohl verdienten Ruhestand. Neuer Chef de service wird Dominique Metzger. Der Service betont weiterhin eine sehr persönliche Note. Auf überholte Werte wird bewusst verzichtet.
2002 - 2004: Das Tantris wird renoviert. Der beauftragte Architekt Stephan Braunfels geht behutsam vor. Die Teppiche, braun-schwarz für den Boden und orange für die Wände werden in der Schweiz originalgetreu nachgewebt, orangefarbene Lampenschirme nach dem 70er Jahre-Original in Italien gefertigt. Das Restaurant erstrahlt in neuem Glanz und hat an ursprünglichem Charakter und magischer Atmosphäre gewonnen.
2006: Zum 35-jährigen Jubiläum vertraut Fritz Eichbauer das Tantris der nächsten Generation an: Sohn Felix führt die Familientradition fort. Beim Jubiläumsfest kochen Witzigmann, Winkler und Haas mit vielen ihrer früheren und nun selbst besternten Tantris-Schüler für über 300 Gäste auf. Paula Bosch erhält den Meininger-Award "Excellence in Wine & Spirit" und bekommt ein Jahr darauf gemeinsam mit Harald Grassnitzer den Bacchus Preis von der ÖWM verliehen.
2009: Rakhshan Zhouleh, profunder Weinkenner und Sommelier, wird Gastgeber im Tantris. Als gebürtiger Perser ist er von einer Kultur der Gastfreundschaft geprägt. Seine Service-Philosophie: den Gast nicht durch das Tantris überwältigen, sondern ihn mit großer Selbstverständlichkeit empfangen und begleiten.
Mai 2011: Nach 20 Jahren im Tantris und über 30 Jahren in der Gastronomie beschließt die Grande Dame des Weins, Paula Bosch, neue berufliche Wege zu gehen. Sie verlässt das Tantris und macht sich als Wein-Beraterin selbstständig.
August 2011: Seit nunmehr 20 Jahren prägt Hans Haas, charakterisiert als "Meister der Einfachheit", den Stil der Tantris-Küche. Und seit nunmehr 20 Jahren kocht Haas gemeinsam mit seinem Küchenteam ununterbrochen auf Zwei-Sterne-Spitzenniveau. Kein anderes Restaurant in Deutschland ist so lange ununterbrochen mit zwei (seit 1974) oder drei Sternen ausgezeichnet worden.
4. Dezember 2011: Inhaber-Familie Eichbauer lädt zum großen Gala- Diner, um den 40. Geburtstag des Tantris gebührend zu feiern. Der Einladung folgen Menschen, die das Tantris geprägt haben wie Eckart Witzigmann, Heinz Winkler, Paula Bosch und der ehemalige Restaurantleiter Peter Kluge. Hans Haas kocht für die geladenen 160 Gäste mit seinen internationalen Freunden Marc Haeberlin, Norbert Niederkofler, Karl & Rudolf Obauer, Xavier Pellicer, Michel Troisgros sowie Jean-Georges und Cedric Vongerichten.
September 2012: Das Tantris wird vom Bayerischen Landesamt für Denkmalschutz in die Liste schützenswerter Baudenkmäler aufgenommen. Der Schweizer Architekt Prof. Dahinden ist über die Nachrichten aus München hoch erfreut: "Sie hat in mir echte Festtagsstimmung ausgelöst. Die Anerkennung der Ess- und Trinkarena in München überragt für mich alle anderen Akklamationen, die meine Bauten weltweit erhalten haben. Denn in den Räumen des Tantris kommt die Ganzheit der Emotionen der Menschen zum Schwingen. Das Tantris ist eine Form gewordene Emotion."
Mai 2013: Gastgeber Rakhshan Zhouleh möchte sich wieder verstärkt seinem Leidenschaftsthema Wein widmen und verlässt daher Ende Juli das Tantris. Inhaber-Familie Eichbauer dankt Herrn Zhouleh für mehr als vier Jahre Herzblut, Zuverlässigkeit und Feingefühl. Serviceleiter Christian Pachl und Klaus Hafner werden die Aufgaben von Herrn Zhouleh zukünftig mit übernehmen.
Oktober 2013: Der Tantris Sommelier´s Table ist ein interaktives Erlebnis für kulinarische Genießer und verspricht eine ungezwungene Atmosphäre. Ein Erlebnis für alle Sinne. Sommelier´s Table heißt der neue Trend, bei dem eine kleine, exklusive Runde in der Tantris-Lounge Platz nimmt und die Künste unserer Sommeliers mit verfolgen kann.