• Januar 17, 2022
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Nur auf Zeit eine Schwester des Atlantiks

Die Geschichte der Ostsee

Aus geologischer Sicht ist die Ostsee ein außerordentlich junges Meer. Die Geschichte beginnt erst nach dem Ende der jüngsten Eiszeit vor etwa 15.500 Jahren, als mit dem Abschmelzen der Gletscher im Gebiet der heutigen Ostsee eine stark gegliederte Becken- und Schwellenlandschaft freigelegt wurde.


Das Gletscherschmelzen führte zu einem sogenannten eustatischen Meeresspiegelanstieg. Unter diesem Begriff fasst man alle global wirkenden Veränderungen des in den Meeren befindlichen Wasservolumens zusammen. Verursacht werden sie durch allgemeine klimatische Veränderungen, wie die globale Erwärmung am Ende einer Vereisungsperiode. Der derzeitige Meeresspiegelanstieg infolge des Treibhauseffektes gehört auch zu den eustatischen Prozessen.

Zu Beginn der Ostseegeschichte stehen eine Reihe von Eisstauseen, entstanden durch den Rückzug der Gletscherfront. Vor etwa 15.500 Jahren entstand daraus ein größerer zusammenhängender Baltischer Eisstausee. Diese Phase endete etwa vor 12.200 Jahren mit dem plötzlichen Absinken des Wasserspiegels um ca. 25 Meter. Als Ursache vermutet man, dass das Eis im Gebiet um Billingen im südlichen Mittelschweden einen Weg in Richtung Kattegat freigegeben hatte, der nun der Entwässerung des Stausees diente.

Damit beginnt die nächste Phase der Entwicklung der Ostsee, die Phase des Yoldia-Meeres, benannt nach der Muschel Yoldia arctica, die an Salzwasser gebunden ist und in Meeresablagerungen dieser Zeit gefunden wurde. Ihr Auftreten beweist, dass das Ostseebecken damals zumindest zeitweise mit dem Atlantik verbunden war. Die Yoldia-Phase hielt bis etwa 10.800 Jahre vor heute an.

Mit dem fortschreitenden isostatischen Anstieg Schwedens verengte sich die Verbindung zwischen dem Ostseebecken und dem Kattegat. Vor ungefähr 10.800 Jahren war diese Verbindung so schmal geworden, dass das Wasser im Ostseebecken gestaut wurde. Eine neue Phase der Ostsee-Entwicklung hatte begonnen, die des Ancylus-Sees. Benannt wird dieses Stadium nach der Süßwasserschnecke Ancylus fluviatilis. Ihr Vorkommen belegt, dass das Wasser dieses Sees Süßwasser war. Vor etwa 10.400 Jahren setzte relativ plötzlich ein starker Rückgang des Wasserspiegels ein. Offenbar hatte sich die Verbindung des Ancylus-Sees und Kattegat in diesem Zeitraum plötzlich erheblich verbessert.

Im Zeitraum von 10.200 bis 9.000 vor heute war die Verbindung zwischen Ostseebecken und Kattegat groß genug, um ein erneutes Aufstauen des Ancylus-Sees zu verhindern. Salzhaltiges Wasser konnte allerdings zu keiner Zeit einfließen. Abgesehen vom Arkonabecken und einem See an der tiefsten Stelle der Mecklenburger Bucht waren weite Teile des deutschen Küstenvorfeldes Festland. Das änderte sich jedoch mit den zunehmenden Auswirkungen des globalen eustatischen Meeresspiegelanstiegs. Im Zeitraum von 8.800 bis 8.000 Jahren vor heute ließ sich ein außerordentlich schneller Anstieg des Meeresspiegels um 2,5 cm pro Jahr verzeichnen. Diese Phase der Entwicklung wird Litorina-Meer genannt, nach der Salzwasser anzeigenden Schnecke Litorina litorea. Durch die folgenden Überflutungen kam es zu einer tiefgreifenden Umgestaltung der Küstenlinien, besonders in der südlichen und westlichen Ostsee. Das Litorina-Meer war der heutigen Ostsee schon sehr ähnlich. Bis vor 6.000 Jahren verlangsamte sich der Wasserspiegelanstieg auf Werte von durchschnittlich ca. 0,3 cm pro Jahrhundert.

Mit der Verlangsamung des Meeresspiegelanstiegs spielten Küstenausgleichsprozesse eine zunehmend wichtige Rolle bei der Gestaltung der Ostseeküste. Dementsprechend dominierten in der südlichen und westlichen Ostsee wind- und strömungsgesteuerte Abtragungs-, Transport- und Anlandungsprozesse gegenüber eustatischen und isostatischen Vorgängen. Durch diese Küstenausgleichsprozesse entstand die heutige Form der Küste Mecklenburg-Vorpommerns und Warnemündes, und diese Vorgänge sind auch heute noch außerordentlich wirksam.