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Im Takt der falschen Wellen - Ein Besuch im Maritimen Simulationszentrum in Warnemünde

Ein Besuch im Maritimen Simulationszentrum in Warnemünde

Wenn man vor dem rundlich geformten, silbrigen Gebäude in Warnemünde steht, fragt man sich, was hinter den sonst für die Öffentlichkeit verschlossenen Türen ist. Normalerweise dürfen hier nur Mitarbeiter und erfahrene Seeleute, Offiziere, Kapitäne und Studenten hinein, die in Zusammenarbeit mit der Hochschule Wismar ausgebildet werden. Aber für uns hat man eine Ausnahme gemacht.

Gespannt begrüßen wir Diplomingenieur Sven Herberg, der sich bereit erklärt hat, uns das Zentrum zu zeigen. Zuerst führt er uns zu einem Modellschiff im Glasschaukasten und erklärt: "In der Zeit der DDR diente dieses Fischereischiff als Ausbildungsplattform, doch eine Sanierung war zu teuer, darum wurde 1998 das Simulationszentrum eröffnet." Dann geht der Rundgang weiter in die einzelnen Bereiche der drei verschiedenen Simulatoren. Der "Vessel Traffic Services Simulator" stellt einen Tower in Häfen nach und wird nur für Weiterbildungen des Personals der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung genutzt. Den erfahrenen Seeleuten werden Situationen im Tower vermittelt, in denen sie je nach Erfordernis im Bereich Verkehrsüberwachung, und -lenkung reagieren müssen. "Wir üben auch speziell Notfallsituationen", so Herberg. Der "Ship Engine Simulator", unsere nächste Station, stellt einen Maschinenkontroll- und einen Maschinenraum nach. "Eine Simulation dauert hier ein bis zwei Stunden", so Herberg. "Im letzten Semester und in der Weiterbildung sind die durchzuführenden Übungen sehr komplex."

Dann der Höhepunkt: Wir dürfen in den "Ship Handling Simulator" und eine Simulation miterleben. Im Instruktorraum, den jeder Bereich hat, werden die Simulationen überwacht. Aufgeregt gehen wir die Wendeltreppe in den Simulationsraum hinauf und finden uns auf der Brücke eines Schiffes wieder. Zumindest sieht es für uns aus wie eine echte Brücke mit Bordmonitoren, Kommunikationsgeräten, Radar, Schiffsapparaten und auch einem großen Panaoramafenster, durch das wir das Meer sehen können. Ein virtuelles Meer natürlich. Und doch fühlt man sich auf ein reales Schiff versetzt, denn man hat den Eindruck, dass der Boden durch den eingebauten Vibrationsmechanismus schwankt. Auch das surrende Geräusch von Schiffsmotoren erzeugt diese Illusion. Der diplomierte Ingenieur lächelt über unsere Reaktionen, denn wir schwanken wirklich im Takt der virtuellen Wellen. "Bewegt sich der Boden wirklich?", fragen wir fassungslos über die Stärke des vermittelten Eindrucks. "Findet es selbst heraus", meint er nur schmunzelnd. Beim Umsehen fällt natürlich das feststehende Ende der Wendeltreppe auf, auf welcher wir auf die Brücke gelangt sind. Natürlich bewegt sich der Boden nicht. Der Instruktor beeindruckt uns noch mit der Darstellung der verschiedenen Tageszeiten. Plötzlich wird es Nacht auf dem Meer, und außer den Lichtern der Geräte ist nichts mehr zu sehen. Wir bekommen eine ungefähre Vorstellung von der schwierigen Orientierung auf dem nächtlichen Meer. Dann graut der Morgen, und es fallen große Schneeflocken vom Himmel. Was uns so beeindruckt, ist für die Studenten nur Beiwerk. Sie müssen sich unter diesen beinahe realen Bedingungen mit der Führung des Schiffes beschäftigen, lernen Abstände zu anderen passierenden Schiffen einzuschätzen. "Dabei sind auch Segler und Fischerboote nicht zu unterschätzen", so Herberg. Leider ist die Simulation beendet. Beeindruckt verlassen wir den Raum.

Ingenieur Sven Herberg erklärt uns abschließend: "Wir können im 3D-Format theoretisch alle Häfen der Welt darstellen, und so kann man virtuell in jeden Hafen einfahren." Noch gibt es nicht für jeden Hafen ein entsprechendes Programm, ca. 40 Mitarbeiter des Bereiches Seefahrt der Hochschule Wismar arbeiten im Simulationszentrum daran.

Trotz der virtuellen Darstellung der Situationen auf dem Meer sind die realen Gefahren und Unwettersituationen natürlich niemals zu unterschätzen oder genau zu berechnen. Doch lernen hier in Warnemünde die Kapitäne und Offiziere den richtigen Umgang damit, was die Meere für alle viel sicherer macht.