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Sänger Peter Maffay im Interview: Maffay um Mitternacht
Sänger Peter Maffay im Interview
Was verbindet Sie mit Dresden?
Maffay: Dresden ist eigentlich, seitdem wir unterwegs sind, und das sind jetzt 50 Jahre, immer wieder ein Standort, an den wir gerne zurück kommen, um hier zu spielen. Mal ganz abgesehen davon, dass mir Dresden als Stadt sehr zusagt. Ich habe ein paar Freunde hier, die ich gelegentlich besuche, auch ohne an Musik denken zu müssen oder zu wollen. Ich kenne Dresden nicht sehr gut, aber einigermaßen.
Sie haben dieses Jahr Ihr Jubiläumsalbum veröffentlicht. Ein
Rockalbum, das sofort auf Platz 1 gelandet ist, das 19. Mal hintereinander. Jetzt sind Sie auf Tournee und haben große Erfolge.
Maffay: Ja, wir freuen uns natürlich darüber, eine solche Poleposition zu bekommen. Es ist immer wieder spannend und darauf gibt es auch keine Garantie. Das kann man nicht planen. Man kann, wie viele andere auch, es natürlich darauf absehen, da zu landen. Das tun wir auch. Aber letztlich, wenn es dann passiert, ist es eine große Überraschung für uns alle. Es ist ein guter Ausgangspunkt für alles, was danach kommt und erleichtert Aktionen die danach kommen. So ist es auch dieses Mal. Wir haben das Album in Berlin am 30. August präsentiert. Der Herbst bildet die Rampe für die kommende Tournee, die dann im Februar und März stattfindet. Wir alle erleben eine sehr schnelle Zeit im Augenblick. Viele meiner
Kollegen sind ständig unterwegs, weil es viele TV-Auftritte gibt, weil der ganze Musik-Markt ein sehr dynamischer Markt geworden ist, mit vielen interessanten Facetten. Also die Zeit vergeht eigentlich wie im Fluge. Im Januar hatten wir viele Proben. Es wird so sein, dass wir nach dem SemperOpernball am nächsten Tag nach Tivandor fahren zu den Generalproben und dann in Kiel diese Tour starten.
Der SemperOpernball ist also der Auftakt der Tour.
Maffay: Ja, in gewisser Weise. Wobei die Art, wie ich beim SemperOpernball
musikalisch unterwegs sein werde, sich anschließend unterscheidet, wie wir dann auf der Tournee spielen. Das Album, das wir jetzt spielen, ist ein ziemlich eckiges Album. Ein Rockalbum - im positiven Sinne, aus meiner Sicht zumindest. Kantig, weil es für die Art und Weise steht wie wir uns im Augenblick musikalisch verstehen. Was wir in der Semperoper versuchen zum Besten zu geben, geht eher in Richtung MTV unplugged, was vor zwei Jahren stattgefunden hat. Also mehr akustische Instrumente. Wir werden vermutlich einiges aus dem neuen Album spielen, aber natürlich auf die ganzen Gassenhauer nicht verzichten. Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht nur uns Spaß macht, diese Lieder wieder zu spielen, sondern auch dem Publikum.
Wird es eher ein leiser Mitternachtsact?
Maffay: Da weiß ich nicht, ob wir das schaffen. Die Version, die man von den alten Sounds akustisch spielt sind nicht ganz so leise, wie man vermutet. Da ist auch Dynamik drin. Ich bin ein bisschen gespannt darauf, wie man mit Lautstärke in einem solchen Ambiente umgeht. Leise wird es nicht werden, aber nicht ganz so laut, wie wenn wir mit E-Gitarren dabei sind.
Sie sind zum dritten Mal beim SemperOpernball. Sie sind dem Event sehr verbunden. Sie haben 2010 die Laudatio auf José Carreras gehalten und sind auch Preisträger des Sankt Georgs
Ordens 2017. Also kennen Sie die Marke SemperOpernball.
Maffay: Ich kenne sie und habe sie bewundert. Ich kann nicht sagen, dass dieses Ambiente den üblichen Spielorten entspricht, die wir bespielen. Das sind sonst die Arenen in Deutschland oder die gängigen Open-Air-Locations. Aber die festliche Atmosphäre der Semperoper, das Programm, welches diesem Konzert voraus gehen wird, das ist spannend für mich zu beobachten. Es ist auch ein guter Treffpunkt, um alte Bekannte wieder zu sehen. Der Ball war bis jetzt immer sehr kurzweilig. Sowohl akustisch als auch optisch ist das imner ein herausragender Augenblick.
Sie sind ja aber auch nicht nur Bekannt als der Rockstar, sondern
sind auch ein sehr ernsthafter Mensch. Sie haben die Peter-Maffay-
Stiftung gegründet, die es jetzt seit über 20 Jahren gibt und die
sehr erfolgreich in Deutschland, Spanien und Rumänien agiert.
Das ist natürlich ein Thema, Soziale Gerechtigkeit, Vermeidung von Ausgrenzung. Das ist ein Thema, Unterstützung von Kindern, was sie ja sehr bewegt.
Maffay: In der Tat. Es ist unserer Arbeit sehr wichtig, sich zu positionieren. Ich glaube, als Künstler ist es gerade zu eine Verpflichtung. Und unsere Positionierung, gesellschaftlich wie auch politisch, hat eine anfassbare Kontur bekommen durch unsere Stiftung. Unsere Stiftung wurde vor 20 Jahren gegründet und widmet sich traumatisierten Kindern. Traumatisierte Kinder gibt es auf der ganzen Welt. Die Traumata sind hervorgerufen durch Konflikte und Defizite in den Gesellschaften. Wir als Akteure in der Stiftung decken einen minimalen Teil dessen ab, was es bedürfen würde.
Wie vielen Kindern können Sie helfen?
Maffay: Wenn zu uns 2.000 Kinder pro Jahr kommen, dann klingt das vielleicht viel. Aber wenn man sich vergegenwärtigt, wie viele Kinder auf der ganzen Welt unter Konflikten oder ökologischen Auswirkungen und so weiter leiden, dann ist das immer noch eine enorm winzige Zahl. Aber es hilft einem die Agonie zu überwinden und gibt das Gefühl, dass man etwas tut. Und dieses Gefühl, das haben wir. Wir haben vier Einrichtungen in Spanien, da begann das Ganze eigentlich. Dann folgten zwei Einrichtungen - eine in Deutschland und eine in Rumänien. Was damit zu tun hat, dass ich dort geboren bin und da gibt es natürlich eine autobiografi sche Affinität. Hinzugekommen ist seit drei Jahren eine neue Einrichtung, die gleichzeitig das Zentrum unserer Aktionen ist - Gut Dietlhofen in Bayern. Wir erleben also in diesen Einrichtungen die Schicksale von Kindern und versuchen, Werte an die Kinder zu vermitteln, die aus unserer Sicht
für deren Perspektive wichtig sind. Diese Kinder brauchen eine Hilfestellung und sie verdeutlichen, welche Risse es in der Gesellschaft auch hier in Deutschland gibt. Wir versuchen, solche Themen nicht nur in unserer Arbeit auf der Bühne zu integrieren, sondern auch in unser tägliches Leben und genau das machen wir
mit unserer Stiftung.
Als Siebenbürger sind Sie viel in Rumänien, haben gute Verbindungen
in Ihre Heimat und setzen sich auch da ein...
Maffay: Ja, aber das darf man nicht überbewerten. Ich muss immer darauf hinweisen, dass unser Beitrag ein kleiner ist. Wir agieren in Rumänien in einem kleinen Dorf mit 400 Einwohnern. Ungefähr 75 Prozent von ihnen sind Sinti und Roma. Es gibt eine aufgeheizte, ethnische Situation aufgrund der Lage in diesem Dorf. Es gibt kaum Arbeit oder ärztliche Betreuung. Wir haben vor Jahren ein Ärztehaus initiiert, welches mittlerweile in einem gewissen Umfang vor allem die alten Herrschaften im Dorf bedient, aber auch Kinder. Es gibt hygienische Defizite in einem Umfang, den wir uns in einem westlichen Land wie Deutschland gar nicht vorstellen können. Es ist eine prekäre Situation, vor allem im Winter, für die Leute, die am Existenzminimum leben. In dieser Atmosphäre zu leben und zu agieren ist nicht einfach.
Man vergisst, dass das auch ein Teil Europas ist.
Maffay: Wir werden uns darüber jeden Tag immer mehr klar, dass das ein Teil von Europa ist. Gar nicht so weit von uns entfernt leben Menschen unter diesen Umständen. Da versteht man, warum die Leute dort weg wollen. Sie möchten eine lebenswertere Perspektive erreichen. Man versteht die Beweggründe dieser
Menschen ein bisschen besser. Das ist ein zentrales Thema in der Gesellschaft und auch hier in Deutschland. Die Arbeit in Rumänien ist für uns nicht nur als Hilfestellung für die Kinder wichtig, mit denen wir dort zu tun haben, sondern auch für unser eigenes Selbstverständnis und unsere Möglichkeiten der Positionierung.
Wir haben auch damit zu tun, dass wir mit Behörden und Politikern zusammenarbeiten, weil sie uns gelegentlich über gewisse Hürden hinweg helfen können. Insofern läuft man sich immer wieder mal über den Weg. Vor Jahren haben wir für diese Gegend eine Kulturwoche ins Leben gerufen, um zu zeigen, wie vielschichtig die ethnische Konsistenz der Gesellschaft dort zu einem Motor geworden ist. Diese Dörfer entwickeln sich langsam nach vorn und das wollten wir verdeutlichen. Bei solchen Anlässen ist die Politik immer zugegen und präsentiert sich. Das ist toll und nicht aufgesetzt. Viele engagierte Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft kommen da zusammen.
Einer Ihrer größten Songs war: „Über sieben Brücken musst
du gehen“...
Maffay: Ich habe den Titel ja nicht geschrieben. Das hätte ich natürlich gerne. Auch Karat haben es nicht geschrieben, sondern nur gesungen. Es ist ein bisschen ein eigenes Lied geworden,dadurch, dass unser Publikum das Lied akzeptiert (hat) und im damaligen Westen dieses Lied zum Hit gemacht hat. Später, als die Wende kam, wurde dieses Lied eine Art Hymne, die für die Wiedervereinigung steht.
Bezeichnen Sie sich als einen politischen Künstler?
Maffay: Irgendwann muss man bekannt geben, wofür der Mensch auf der Bühne wirklich steht. Es ist nicht verwunderlich, dass viele meiner Kollegen sich über die Bühne hinweg artikulieren. Einer meiner engsten Kumpel, Udo Lindenberg, ist ein solcher Ku?nstler, der sich sehr früh und immer wieder positioniert hat. Wir haben immer artikuliert, dass wir für eine vielschichtige Gesellschaft sind und die Radikalisierung in der Gesellschaft verurteilen, die in die rechte Richtung, aber auch in die entgegengesetzte geht. Wir wissen, dass das unser demokratisches Denken bedroht und verletzt und man deshalb aufpassen muss, dass diese Energien nicht zu groß werden. Daher gehört es immer zu unserer Arbeit.
Das findet man auch in Ihren Liedern...
Peter Maffay: Auf unserem letzten Album gibt es zum Beispiel ein Lied, das am Anfang sehr polarisiert hat, aber im Grunde genommen klar macht, wo wir stehen. Das Lied heißt „Morgen“. Es hat etwas zu tun mit den ganzen Erosionen in der Gesellschaft. Es hat etwas damit zu tun, dass Keile zwischen die Gesellschaften getrieben werden und man etwas dagegen unternehmen muss zu Gunsten der neuen Generation. Wenn wir jetzt nichts unternehmen und denken, die vielen ökologischen und gesellschaftlichen Fragen hinterlassen wir den kommenden Generationen, dann wird das eine nicht wirklich lebenswerte Welt. Das kann nicht unser Ziel sein.Das bedeutet aber auch, dass man sich jetzt bewegen muss. Ein so festlicher Ort wie die Semperoper ist ein guter Platz, um solche Dinge zu thematisieren.
Hans-Joachim Frey über Peter Maffay
„Es ist nicht so einfach, einen Künstler für den beliebten Mitternachtsact des
SemperOpernballs zu finden, weil er eine immer größere Rolle bekommen hat. Als wir im Januar vor 15 Jahren angefangen haben, da hatten wir die Idee, eine Reihenfolge festzulegen. Es gibt die Eröffnungsgala von bis zu zwei Stunden, die Eröffnung des Tanzes und anschließend den Mitternachtsact. Schon damals haben wir begonnen, verschiedene Künstler einzuladen. Irgendwann gab es eine Neukonzeption in Zusammenarbeit mit dem Mitteldeutschen Rundfunk, ob wir den Mitternachtsact auch live im Fernsehen übertragen können. Dadurch hat der Act eineandere Dimension bekommen und eine andere Wertigkeit. Kriterien dafür waren, dass es ein bekanntes Gesicht vom deutschen Pop-, Schlager- oder Rockmarkt sein soll. Es ist uns immerhin gelungen,in den letzten Jahren, auch in ganz enger Abstimmung und Verhandlungen des MDRs, dass als Mitternachtsact bekannte Stars wie Udo Jürgens, Roland Kaiser oder Helene Fischer da waren. Letztes Jahr war Andreas Gabalier hier. Das war eine ganz besondere Mischung. Dieses Jahr freue ich mich, dass wir einen Künstler haben, der schon auf dem Opernball war. Einmal hatte er einen kurzen Song gesungen. Peter Maffay ist eine große Marke in Deutschland, ein ernsthafter Gesprächspartner, ein wunderbarer Künstler, einer der ganz Großen in Deutschland. Wir hatten ein ganz tolles, langes Vorgespräch - auch über wirklich ernsthafte Themen.