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120. Beitrag: "Nicht wirklich fit" (14. Mai)

Nein, gerade fit bin ich nicht. Nachdem es mir nach dem Ende unserer Weltreise vor zwei Wochen seelisch nicht besonders gut ging, bin ich nun körperlich schlapp. Da hat mich doch eine kleine Erkältung, die Louisa vom Kindergarten mit nach Hause gebracht hat, wirklich umgehauen...
Sagt man nicht immer, Körper und Geist gehören zusammen? Wenn man mit sich nicht im Einklang ist, zieht der Körper mit. Auf dem Schiff waren wir die ganzen Monate nicht krank gewesen. Die Ärztin hatten wir nie kennen gelernt, wo das Hospital war, wusste ich nicht. Fit, energiegeladen und fröhlich sind wir durch den Tag gehüpft. Dabei hatten wir oft nur wenig Schlaf und hatten ein zeitlich straffes Pensum, besonders bei einer Häufung von Landtagen. Aber aus einem unergründlichen Potential an Zufriedenheit, freiliegenden Emotionen, die auch heraus durften und Zuversicht konnten wir viel Kraft schöpfen. Dazu kam natürlich die Seeluft, viele Vitamine durch den täglichen Früchteteller, den wir uns jeden Tag auf die Kabine bestellten und überhaupt regelmäßiges und gesundes Essen.
Und hier? Tja, ich schleppe mich etwas gedrückt durch die Tage. Einige bezeichnen es auch als entspannt. Gut, wenn es nach außen so wirkt. So habe ich zum Beispiel mein Auto noch nicht wieder angemeldet, laufe viel und fahre mit der Straßenbahn. Wer mich kennt, muss lächeln - ich bin kein Fan der öffentlichen Verkehrsmittel. Die festen Pläne, die Wartezeiten und die müden Gesichter der anderen Fahrgäste waren mir immer ein Greuel. Besonders schlimm ist für mich das Warten. Generell. Wenn man Zeit vergeudet. Lebenszeit, die man hätte sinnvoller nutzen können. Nun, zurzeit vergeude ich auch Lebenszeit. Eigentlich hätte ich heute in Hamburg sein sollen. Bis zum Bahnhof bin ich gekommen heute früh um sechs Uhr. Aber dann hat die Vernunft zugeschlagen und ich bin zurück nach Hause. Mit hohem Fieber sollte man keine Geschäftsreisen machen. Eine Einsicht, die mir die letzten Jahre gefehlt hat. Wichtige Termine oder Events habe ich auch mit 40 Fieber geschafft. Ich erinnere mich an einen Presseball, wo ich so hohes Fieber hatte, dass mir der Schweiß wie Wasser unterm Ballkleid lang lgelaufen ist. Außer meinen glasigen Fieberaugen, die einige vielleicht auf den Wein hätten schieben können, hatte man mir nichts angemerkt. Aber heute? Ich stand am Bahnhof und wusste sicher – ich würde es nicht schaffen.
Meine Power ist noch nicht zurück. Die Kraft, die eigenen Grenzen zu überschreiten - Gesundheit hin, Gesundheit her. Aber ist das immer erstrebenswert? Apropos Power.
"Wie kommst du denn hier an?", hatte mein Friseur Alexander Seidel gefragt, als ich letzten Freitag dort war. Ich schlenderte, hatte die Kopfhörer vom iPod auf den Ohren und war - das glaubt mir hier kaum einer - eine halbe Stunde zu früh da. Sonst bin ich dort immer in letzter Minute, manchmal auch leicht zu spät, dynamisch hinein gestürmt. "Ich bin mir nicht sicher", hatte Alexander sein Urteil über meine Weltreise formuliert. "Viereinhalb Monate das Geschäft allein zu lassen, selbst mit guten Leuten und der Leitung aus der Ferne per Internet..." Er hatte den Kopf abwägend bewegt. "Aber wahrscheinlich bist du einfach ein Stück weiter als wir anderen", schloss er und erzählte von einem Bekannten, der im Februar zwei Wochen wegen Burn Out völlig flach gelegen hätte. Ich entspannte mich und erlag so entspannt bei der Wahl der Frisur auch noch seinem Willen und ging mit dunklen Haaren hinaus (die habe ich nun logischerweise immer noch).
Was will ich euch damit erzählen? Das muss ich selbst erstmal überlegen. Einmal könnte man das Geschriebene auf mein Fieber schieben... He, nicht lachen - ich bin krank. Aber etwas Sinnvolles steckt auch in dem Text. Vielleicht die Erkenntnis, dass meine Lebensweise vor der Weltreise - "Powern bis zum Umfallen" - auf Dauer nicht gewinnbringend für den Körper und fürs Geschäft ist. Dass es gut ist, positive UND negative Gefühle rauszulassen und auszuleben, statt sie zu unterdrücken. Dass man auf seinen Körper hören sollte und ihm bei Krankheit eine Pause gönnen und dass Straßenbahn fahren gar nicht so schlimm ist.
Aber in jedem Schlechten steckt auch etwas Gutes. Weil ich heute nicht nach Hamburg gefahren bin, kann ich euch jetzt schreiben und - ich ärger mich so über meine schlappe Verfassung und finde es so schade, jetzt nicht dort zu sein, dass sich etwas in mir regt, was ich als Teil meiner Gesundung erkenne. Es ist ein kleiner Zorn auf mich selbst und meine "Jetzt reiß dich aber mal zusammen!" - Mentalität scheint wieder durch. Und ich bin sicher, wenn mein Kopf wieder klar ist und mein Herz sich vom Schiff und den Leuten dort gelöst hat, funktioniert auch mein Körper wieder.
PS: Allerdings werde ich schon nächste Woche wieder auf der "Amadea" sein. Warum und wie lange, das erzähle ich euch in den nächsten Tagen. Dann kommen auch die Antworten (wegen Fieber verschoben:-))
"Amadea" - Spruch: "Die ganze Mannigfaltigkeit, der ganze Reiz und die ganze Schönheit des Lebens setzen sich aus Licht und Schatten zusammen" Leo Tolstoi

Anja Fließbach: Montag, 14 Mai 2007, 12:12 Uhr