• Januar 22, 2022
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Wer bei uns in Dresden italienisch Essen möchte, hat eine riesige Auswahl an Restaurants. Aber nicht hinter jedem italienischen Restaurant verbirgt sich auch ein „echter Italiener“. Wir haben uns auf die Suche begeben und für Sie die italienischen Originale in Dresden aufgespürt und stellen Sie ihnen vor.

„Vieles habe ich von der Oma in Sizilien gelernt.“

Vito Giuffrida - Delizia

„Ich bin gebürtiger Sizilianer und bin direkt am Ätna aufgewachsen. Schon vor meiner Geburt war mein Vater in Deutschland, kam dann aber zum Heiraten zurück nach Sizilien. Als ich noch jung war, sind wir nach Deutschland gezogen und ich bin in Hamburg aufgewachsen. Da habe ich auch meine Frau kennengelernt. Da sie Dresdnerin ist, sind wird 2011 hergekommen und haben gleich das Delizia eröffnet. Ich habe in Dresden ein Stück Italien wieder gefunden. Hier sind viele Familien immer noch eng zusammen. Das kenne ich aus Hamburg nicht. Die Familie hat in Dresden einen ähnlich hohen Stellenwert wie in Italien. Die Familie trifft sich am Sonntag zum Essen und tauscht sich aus. Da lege ich auch großen Wert drauf. Dass ich Koch geworden bin, kommt von zuhause. Vieles habe ich von meiner Oma gelernt in den Zeiten, die ich in Sizilien verbrachte. Unzählige Tipps und Tricks hat sie mir gezeigt, die ich heute noch in der Küche anwende. Ich versuche, typisch sizilianische Gerichte mit in die Karte aufzunehmen, keine verdeutschte italienische Küche. Ich nehme nur original italienische Produkte und Zutaten. Viele nicht-italienischen Restaurants legen da keinen Wert drauf. Nicht jeder, der denkt, er kann italienisch kochen, ist in der Lage, gute italienische Küche anzubieten. Allerdings, wenn ein Koch genug Erfahrung hat und Kenntnisse über die Materie, weil er jahrelang in Italien gearbeitet hat und erfahren hat, wie Gerichte schmecken müssen, dann soll er doch ruhig ein italienisches Restaurant eröffnen. Aber wer nichts von den Produkten versteht, die unsere Küche ausmachen, ist es kritisch zu betrachten. Wer nur die Supermarktprodukte kennt und nicht die ganze Palette, der hat schon verloren. Da es so viel gibt, was nicht auf den Markt kommt und nicht jeder kennt. Man muss den Unterschied von der einen zur anderen Salami kennen. Für den Laien sieht das alles gleich aus. Wer damit groß wird, der weiß das. Das ist wie in Deutschland, wenn du hier groß wirst, kennst du den Unterschied zwischen einer Jagdwurst und Bierschinken. Wenn ich mit 30 Jahren nach Deutschland gekommen wäre und würde versuchen, als Italiener, deutsche Küche zu kochen, dann kann das nicht klappen. Es gibt nicht-italienische Köche, die unsere Küche beherrschen und gut können und eben welche, die es weniger können. Die sollten es langsam mal lassen.“

„Wir waren immer bei Mama in der Küche.“

Guiseppe Gagliardi - Il Girasole

„Mein Bruder und ich sind nach der Schule immer bei Mama in der Küche gewesen und haben ihr geholfen. Wenn ich koche, kommen noch immer die Erinnerungen daran zurück, da ich so in Neapel aufgewachsen bin. Die Kochleidenschaft ist mir quasi angeboren und anerzogen worden in der Kindheit. Das hat mich bis nach Deutschland begleitet. Genau wie die Begeisterung für die Agrarwirtschaft. Im Kreis Salerno habe ich Olivenbäume stehen. Das daraus entstehende Olivenöl verwenden wir hier ausschließlich im Restaurant Il Girasole. Viele der Produkte, die wir hier zum Kochen verwenden, kenne ich noch aus meiner Kindheit. Qualitative Produkte sind wichtig für italienische Gerichte. Das eigene Produzieren von Zutaten für die Küche, gehört für mich zum echten italienischen Restaurant dazu. Auch, dass ich morgens um fünf Uhr auf dem Markt bin und die Zutaten für meine Küche einkaufe. In Dresden weiß man schon, dass ich immer der Erste auf dem Markt bin. Aber wer liebt, was er tut, der arbeitet nicht, der lebt. Manchmal habe ich aber auch die Schnauze voll und schimpfe über alles und habe keine Lust mehr. Meine Frau fragt mich dann immer, was sie dann mit mir machen soll. Nach zwei Wochen meint sie, müsste sie mich begraben, weil mir die Arbeit fehlt. In Dresden bin ich mittlerweile heimisch und die Stadt ist für mich wie ein kleines Kind. Seit der Wende habe ich die Entwicklung der Stadt miterlebt, darauf bin ich stolz. Jeden Kran, den ich sehe, ist für mich eine Freude. Oft gehe ich abends an der Südhöhe spazieren und gucke über die Stadt und sehe mir das Panorama an und sehe die vielen Kräne. Es gibt dazu auch einen (sächsischen) Spruch: Wo keine Kräne stehen, ist keine Zukunft. Aber Dresden hat viele Kräne. Die nicht echt-italienischen Restaurants bieten Pizza und Pasta an wegen des Geldes. Viele machen alles nur wegen Geld, das stört mich. Wenn man ein bisschen Stolz hat, bin ich der Meinung, sollte man nur seine landestypischen Speisen machen. Ich war 21 Jahre als Schausteller im Raum Stuttgart unterwegs und habe Pizza und Pasta verkauft. Hin und wieder wurde mir angeboten, bei anderen Veranstaltungen Würstchen zu verkaufen, das habe ich nicht gemacht. Ich bin bei meinen Sachen geblieben. Für meine Einstellung habe ich viel Respekt und Sympathie erhalten. Zum Beispiel diese Pizzaliefer-Services. Das ist eine Katastrophe. Eine richtige Katastrophe!“

„Bei uns im Restaurant geht es manchmal drunter und drüber.“

Pasquale Cavallaro - Vecchia Napoli

„Ich bin mit meiner Familie 2004 nach Dresden gekommen. Seitdem ist das Vecchia Napoli in unserer Hand. Ursprünglich stammen meine Eltern aus Neapel. Mein Vater ist schon in den 1960er Jahren nach Deutschland gekommen. Leider ist er 2006 verstorben und ich übernahm das Geschäft. Schon zu Beginn habe ich mitgearbeitet und meinen Vater in der Gastronomie unterstützt. Bei mir in der Familie sind alle Gastronomen, auch meine Oma damals in Neapel. Ich gehöre zu der zweiten Generation der Gastarbeiter in Deutschland. Obwohl ich hier aufgewachsen bin, ging es bei uns zu Hause doch recht italienisch zu, was mich geprägt hat. Das italienische Blut und das Temperament habe ich mitbekommen. Bei uns im Restaurant geht es manchmal drunter und drüber. Aber der echte Italiener in mir zeigt sich, wenn es um meine Liebe zum FC Napoli geht. Das ist meine Fussballmannschaft. Wenn es um Fussball geht, bin ich ein echter Italiener. Liebe zum Fußball und zum Essen, das ist italienisch für mich. Beim Kochen muss die Vielfältigkeit und die Frische der italienischen Küche gewürdigt werden. In meinen Augen muss, bei einem echten Italiener, mindestens der Pizzabäcker und der Koch ein Italiener sein, sonst funktioniert das nicht. Der Rest vom Team ist egal, aber die beiden Positionen müssen von Italienern besetzt werden. Das ist nicht das alleinige Geheimnis für eine gute italienische Küche. Auch Nicht-Italiener können gute Pasta zu bereiten. Wer die fachlichen Qualitäten hat und die Erfahrungen, der kann das. Dennoch frage ich mich, warum werden hauptsächlich unsere Gerichte kopiert? Warum macht ein Döner-Imbiss Pizza und nicht einfach die  Landesgerichte. Die meisten Restaurants, die italienisches Essen kopieren, legen keinen Wert auf die Produkte und verwenden das Billigste vom Billigen und treiben so unsere Preise in den Keller. Das ist einfach schade. Da wird sich auch niemals eine Lösung finden lassen, weil Jeder das macht, was er will. Wäre ich jetzt Türke und kein Italiener, dann würde ich versuchen, meinen Döner so gut zu verkaufen, wie ich kann. Aber man kann in Deutschland alles auf seine Karte schreiben und einen einfachen Teller Nudeln mit Sauce kann Jeder zu Hause kochen. Auch, wenn das mit italienischer Pasta nichts zu tun hat. Genauso ist das bei Restaurants oder Imbissen, die Pizza und Pasta anbieten. Da gibt es keine Verbindung zur echten italienischen Küche.

„Viele kaufen billige Produkte, die nichts mit italienischer Qualität zu tun haben.“

Salvatore Andreacchio - La Torre und Il Grottino

„Ursprünglich komme ich aus Kalabrien in Süditalien und bin 1992 nach Deutschland gekommen. Erst nach München, dann 1996 nach Dresden. Als ich das Il Grottino in Dresden-Plauen eröffnete, gab es keine Probleme. Viele Dresdner kannten mich und wussten, wie ich koche. In der zweiten Woche nach der Eröffnung wurde allerdings die Straße vor dem Lokal gesperrt, weil sie neu gemacht wurde. In dem Moment dachte ich, jetzt ist das Geschäft tot. Gerade eröffnet und schon die Straße gesperrt. Eigentlich wollte ich das Restaurant in der Zeit der Baustelle schließen, konnte ich am Ende aber nicht. Jeden Abend war es voll besucht. Die Leute sind abends in Gummistiefeln ins Restaurant gekommen und haben dann vor der Tür die Schuhe gewechselt. Das war unglaublich. Die ersten fünf Jahre waren meine Frau Giovanna und ich komplett alleine im Restaurant. Nur mein Sohn Matteo war noch hinten bei mir in der Küche. Als gelernter Koch ist es mein Ziel, unseren Gästen nicht nur die italienische Essenskultur nahezubringen, sondern auch das damit verbundene Lebensgefühl - die Entschleunigung des Alltags beim Essen. Dass sich die Leute wieder Zeit nehmen für das Essen. Aber auch, dass es mehr gibt als nur Pizza und Pasta. Die italienische Küche hat eine große Palette an Zutaten, wie ich von meiner Oma Carmela früh beigebracht bekommen habe.

Heute versucht Jeder seinen Teil vom Kuchen abzubekommen. Wenn man das auf saubere Art und Weise versucht, dann ist das in Ordnung. Das Problem sehe ich darin, das nicht echt-italienische Restaurants unsere Essenskultur kaputt machen. Viele achten nicht auf ihre Zutaten und kaufen billige Produkte, die nichts mit italienischer Qualität zu tun haben. Wobei, manche machen besseres italienisches Essen, als so mancher Italiener. Aber Jeder sollte seine landestypischen Spezialitäten anbieten. Wenn ich Pasta mit Tomatensauce mache, muss ich vorher wissen, wie das zu schmecken hat, damit es italienische Pasta ist. In vielen nicht echt-italienischen Restaurants weiß das Keiner. Da wird nur irgendwas zusammengekocht. Bei mir im Restaurant finden sie kein deutsches, französisches oder pakistanisches Gericht. Ich könnte es anbieten,  mache ich aber nicht, weil ich Italiener bin. Italiener mit einem italienischen Restaurant, mit italienischen Produkten und Gerichten. Und nichts anderes.“

„Der Fleiß meiner Mutter war der Grundstein.“

Luigi Murolo - Ausonia I

Am 13. Dezember 1996 eröffnete ich das Ristorante Ausonia auf der Königstraße in Dresden. Die Anfänge waren sehr mühsam, da nach der Eröffnung die Königsstraße aufgegraben wurde und sechs Monate lang kein Kunde Zugang zum Lokal hatte. Aber ich ließ mich nicht von meinem Vorhaben abbringen und konnte auf die Unterstützung der Familie bauen. So sehr, dass ich 2012 das Ausonia 2 am Neumarkt eröffnen konnte. Dieses wird von meinem Sohn Tuzio Murolo geführt. Damals wie heute arbeitet die ganze Familie eng zusammen. Wenn man älter wird, merkt man, dass Familie alles ist. Meine Mutter kam damals alleine nach Deutschland und begann hier als Gastarbeiterin im Raum Stuttgart zu arbeiten. Eine alleinstehende Frau mit Kindern, die so fleißig war, dass sie nach nur zwei Jahren ihr eigenes Restaurant eröffnete. So hat sich das alles entwickelt. Heute ist sie 93 Jahre alt und lebt mit meiner Schwester in Mailand. Der Fleiß meiner Mutter war der Grundstein für unser Leben in der Gastronomie, das bekam man in die Wiege gelegt. Wir sind so alle in der Küche großgeworden. Meine Kinder auch. Als sie geboren worden sind, waren sie gleich mit mir in der Küche. Ihre Mutter hat bedient, ich gekocht. Damit mein Sohn ruhig war und nicht weinte, habe ich ihm Zucker in den Mund gesteckt. Das ist echt italienisch. Auch mein Benehmen, meine gesamte Mentalität ist echt italienisch. Das steckt in einem - diese italienische Lockerheit. Das lieben die Deutschen auch so an uns Italienern und kommen gerne zu uns zum Essen. Im gastronomischen Hinblick verschafft uns das einen Vorteil gegenüber anderen Nationen. Daher ist es schade, dass sich jedes Restaurant „italienisch“ nennen darf, ohne dass wirklich ein „echter Italiener“ dahintersteht. Ich würde es befürworten, wenn sich solche Betriebe „Restaurant italienischer Art“ nennen müssten. Aber da gibt es in Deutschland keine Regelungen.“

„Heute kommen die Leute, essen schnell und gehen wieder. Das ist schade!“

Gianfranco Cretaro - Il Golfino

„Mit meinem Restaurant, dem Il Golfino da Franco, bin ich seit 10 Jahren selbstständig. 1994 bin ich nach Deutschland gekommen, weil ich ein bisschen die Welt sehen wollte. Zuerst war ich in Frankreich und Spanien, dann bin ich nach Dresden gekommen. Eigentlich komme ich aus Lazio bei Rom. Damals nach der Wende, gab es hier in Dresden viel zu tun und viel Arbeit. Das war eine gute Zeit. Angefangen habe ich im Baubereich bis ich 1997 wieder als Kellner in die Gastronomie eingestiegen bin, da ich das auch in Italien gelernt hatte. Schon damals war es ein schöner und auch ein angesehener Beruf. Den Leuten einen schönen Abend bereiten, Speisen empfehlen und den Wein. Es gab viel Interaktion mit den Gästen. Heute kommen die Leute, essen schnell und gehen wieder. Das ist schade. Wir als echte Italiener versuchen ,unseren Gästen auch die italienische Gemütlichkeit beim Essen, das Verweilen nahe zubringen, was nicht echt-italienische Restaurants nicht können. Wer als Gast zum Griechen geht, möchte auch das da ein Grieche dahinter steht. Das macht schon eine ganz andere Atmosphäre. Leider denken viele Leute, dass italienische Küche einfach ist oder es reicht, wenn man Italien aus dem Urlaub kennt. Aber das ist dann kein echtes italienisches Essen. Ich finde es schade, das Nicht-Italiener italienisches Essen machen, obwohl sie ihre eigenen Landesspezialitäten vielleicht viel besser kochen können. Ich mache ja auch keine deutsche Küche, nur weil ich hier lebe. Oder schreibe „Willkommen beim Deutschen Franco“ an mein Restaurant. Das wäre auch nichts und passt nicht. Ich war 24 Jahre alt, als ich herkam. Jetzt bin ich 46 Jahre alt, habe also mein halbes Leben in Dresden verbracht. Darum ist es eine zweite Heimat für mich geworden. Die erste bleibt immer Italien - das ist drinnen im Herzen. Die Stadt hat mich reifen lassen und erwachsen werden. Der Aufbau einer Existenz, die Gründung einer Familie, das prägt und lässt einen verwurzeln. Ich bin mit der Stadt gewachsen. Dresden ist einfach eine so schöne Stadt, groß, aber dennoch übersichtlich. In Italien ist alles hektischer und lebendiger, es herrscht ein anderer Lebensrhythmus in den Städten. Manchmal vermisse ich das, aber die Ruhe genieße ich auch.“

„Das Geheimnis einer guten italienischen Küche ist viel Liebe.“

Francesco Tancorre - Fellini

„Ich bin in Apulien geboren und in Turin aufgewachsen. Mit 16 Jahren kam ich dann mit meiner Familie nach Deutschland. Damals sind wir erstmal nach Frankfurt am Main gezogen. Seit rund 10 Jahren bin ich nun in Dresden. Unser Restaurant, das Fellini, ist seit 2013 unter meiner Leitung. Es ist ein Familienbetrieb. Neben mir war zu Beginn meine Mama stärker involviert. Aber sie hat sich etwas aus dem Geschäft zurückgenommen. Meine Mama hat immer gesagt: „Einfache Küche reicht.“ Das verfolge ich auch heute noch. Neben den guten Zutaten, ist das Geheimnis einer guten italienischen Küche, viel Liebe. Hast du schlechte Rohstoffe, kannst du kein gutes Essen machen. Schon damals in Apulien hat meine Mama viel gekocht. Es ist typisch, dass in einer italienischen Familie immer viel zusammen gekocht und gegessen wird und als Kind guckt man zu und sich auch viel ab. Das richtige Restauranthandwerk habe ich später in der Lehre gelernt und auch Vieles aus der Praxis in der Küche. Aber Italiener bleibt man immer. Ich wünsche mir, ich könnte von mir sagen, dass ich die deutsche Ordnung schon übernommen habe. Aber das ist nicht so. Ich bin schon so viele Jahre in Deutschland, aber damit kämpfe ich immer noch. Das Chaos ist immer da. Das italienische Chaos. Es ist schwer zu sagen, warum die Deutschen so gerne italienisch essen. Aber das ist mit Sicherheit ein Grund dafür, warum es so viele Restaurants mit Pizza und Pasta gibt, bei dem kein Italiener ein Auge drauf hat. Klar gibt es Leute, die sind seit 20 Jahren in einer italienischen Küche tätig, selbst keine Italiener, aber die können besser italienisch kochen als so mancher Italiener, der dort aufgewachsen ist. Nur, weil ein Koch Italiener ist, heißt das nicht automatisch, dass er gut italienisch kochen kann. Was ich schade finde, ist, dass heute Jeder ein italienisches Restaurant eröffnen kann und das nicht überprüft wird durch einen Verband. Das finde ich nicht in Ordnung.“