• Dezember 19, 2022
  • 3251 Aufrufe

Früher war an dieser Stelle der Wormserhof - eine Kneipe in Striesen. Nach der Wende begann die Glanzzeit: Das Giardinio war DER Hit für italienisches Essen in Dresden. Legendäre Kellner wie Gianfranco, tolle Gäste, die von hier (und vom Max eine Ecke weiter) ihre Karrieren begannen, die zu den erfolgreichen Dresdnern der heutigen Zeit führten. Hier wurden morgens im 5 Uhr die Gläser über die Schulter geworfen, hier saß man nachdem alle Gäste gegangen waren mit dem Wirt beim Rotwein, hier feierten Geschäftsleute ihre Familien-Feiern, hier war es so voll, dass man nur mit Beziehungen reinkam und dann auch gern mehrere Scheine von Trinkgeld gab. Schließlich war der Wirt auch stets großzügig mit Weinflaschen zum Nachhauseweg, Grappa und Ramazotti.

Und dann wechselten die Besitzer, Salvatore eröffnete das La Torre, einige Stammgäste gingen, andere blieben. Die folgenden Jahre waren ähnlich, aber die familiäre Atmosphäre nahm von Jahr zu Jahr ab. Je seltener Salvatore selber da war, desto normaler wurde das Restaurant. Dann übergab er viel Verantwortung an die Kinder, die sind nett, ruhig und zurückhaltend. Salvatore selbst kümmert sich hauptsächlich um sein Restaurant in Bautzen. Das Herz fehlt seitdem im La Torre. Die Identifikation läuft über zwei Kellner, die schon lange da sind. Die arbeiten hier routiniert, durchaus verkaufsorientiert und haben das Zepter scheinbar übernommen. Extras gibt es schon lange nicht mehr, der Smalltalk ist sehr abgehackt, Flexibilität in der Platzwahl ist nicht möglich (2er und 4er - Tische werden auch bei leerem Lokal streng vergeben). Der Ton ist hart, aber nicht herzlich. Es ist eben, wie überall und immer im Leben: Nicht mehr so wie früher. Gingen wir vor 20 Jahren hier nicht täglich essen (Laufdistanz von unserer Redaktion), wurde es dann einmal die Woche, einmal im Monat, nun 2 Mal im Jahr.

Es ist nun ein etwas trockenes, solides italienisches Stadtteil-Lokal, das seine Gäste hat für die Schuleinführung oder das Mittagessen der Lehrer aus der Pohlandschule. Aber das Flair, das ein Italiener haben sollte – Herz, Leidenschaft und „Hallo Bella“ - fehlt. Eure Frage, wie wir das Essen im La Torre einschätzen, wollen wir gern beantworten. Da wir viele Jahre Stammgäste waren, haben wir die Entwicklung mitverfolgen können. Klares Fazit. Es ging nach unten. Da man uns da kennt, haben wir für einen neutralen Test einfach über Lieferando an eine Mitarbeiterin bestellt. Als zweiten Teil waren wir dann nochmal vor Ort. Das Essen der Bestellung war nicht so toll. Es dauerte lange. Erst stand 45 Minuten da, es kam nach 90 Minuten. Besonders unangenehm war die Pasta mit Rinderfilet-Spitzen. Das Fleisch war so knorpelig, dass man es nicht essen konnte. Beim 2. Teil des Tests, direkt im Restaurant, war es besser. Die Fotos seht Ihr beim Durchklicken. Aber es schmeckte nicht besonders, nicht so, dass man es genießen würde, nicht so, dass man die Augen schließt vor Freude. Als Salvatore noch vor Ort war, kannten wir das Qualitäts-Versprechen: Alles frisch, durchaus teuere Produkte und davon reichlich. Wie es jetzt ist? Es fehlt der intensive Geschmack bei der Tomatensoße, es fehlt das Vollmundige beim Gemüse, es fehlt auch hier - so empfinden wir das - das Herz. Es schmeckte im Restaurant. Aber nicht so, dass man deshalb noch einmal kommen würde. 

Aber wenn wir Salvatore zufällig einmal durch das Fenster sehen und wissen, er steht in der Küche, stürmen wir sofort hinein. Bis dahin suchen wir andere Italiener in Dresden und fragen Euch nach Euren Empfehlungen. Am Ausgang im La Torre werden den Gästen Olivenöl zum Kauf angeboten und Orangen. Wir fragen die hübsche Frau, ob wir ein Foto für diesen Instagram-Kanal und den Restaurant-Führer vom @disy_magazin machen dürfen und bekommen neben der Erlaubnis auch ein Lächeln. Wie schön! Auch, wenn es die männlichen Kellner nicht so mit Herzlichkeit haben, war dieses Lächeln doch für uns ein versöhnlicher Abschluss.