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Sophienkeller Taschenberg 3
Hier wird man schon vor der Tür begrüßt. Eine Dame in historischem Gewand fängt uns oben an der Treppe ab und reicht uns einen Gutschein hinterher. „Hier, da können Sie unten etwas gratis trinken.“ Hoppla, ob das so geplant war? Wir waren „von hinten“ durchs Kempi reingekommen und fest entschlossen, in den Gewölben gegenüber dem Zwinger zu Mittag zu essen. Die Dame war bestimmt gedacht, Touristen auf der Straße zu werben. Wir nehmen den Gutschein höflich mit, lösen ihn aber nicht ein. Das trauen wir uns nicht. Unten angekommen, fühlen wir uns für einen Moment in den großen Hallen verloren. Wo darf man sich hinsetzen? In der Mitte des Hauptraumes lange, leere Bankreihen. Etwas erhöht dann durchaus gut besetzte Tische. Wir finden einen leeren Tisch in der Ecke. Kerzen brennen, rustikales Holzambiente. Gemütlich. Eine hübsche Kellnerin mit blondem langem Haar und Dirndl mit Rüschenbluse bringt uns die Karte. Schon ist man(n) zufrieden. Wir wählen von der Mittagskarte die „Heißblütigen süß-sauren Hähnchenfiletstreifen mit angriffslustigem Reis“ für 8,50 Euro. Aber die blonde Maid rät uns ab. Das wäre doch nur die Mittagskarte, und dieses Essen hätte heute noch kein anderer bestellt. Ob es nicht gut schmecken würde, fragen wir. „Naja, es ist eben nur Hühnchen mit Reis.“ Stattdessen folgen wir ihrem Rat und bestellen Sauerbraten mit Riesenknödel und Stücke vom Spanferkel. Das sei das typische Essen im Sophienkeller. Während der Wartezeit spazieren, nein wandeln wir auf dem Weg, na Sie wissen schon wohin, durch die Gewölbe. Wir müssen durch die hell erleuchtete Halle und kommen uns vor wie Schauspieler auf einer Bühne oder Models auf dem Laufsteg, so beäugt man uns von den „Rängen“. Wir laufen durch Gänge und Nebengewölbe und finden endlich, was wir suchen. Und siehe da: eines der ältesten Restaurants der Stadt hat die modernsten Toiletten mit automatisch öffnenden Türen und allerlei anderen Raffinessen. Cool! Beim Essen allerdings kommt eine kleine Enttäuschung groß daher – der Rat der blonden Maid war falsch. Zumindest für uns in dieser Situation. Große Portionen, mächtig, schwer, deftig. Zu viel für unseren Mittagshunger. Es schmeckt für Liebhaber deftigen Essens aber gut. Der Riesenkloß ist ein großer Kartoffelkloß. Soße bestellen wir reichlich nach. Plötzlich kommt Leben ins Gewölbe. Eine Gruppe Japaner betritt die Hallen. Wo einst August der Starke 1730 im „Zeithainer Lustlager“ dem preußischen König nicht nur seine reformierte Armee präsentierte (auch zahlreiche Köstlichkeiten in der offenenFeldküche),kommt heute eine Armee Japaner herein (ich schreibe nicht pietätlos „fällt ein“, nein so etwas schreibe ich nicht). Fotoapparate klicken, Blitzlichter flammen auf, wir werden fotografiert, die Tische, die Bänke ... Eine japanische Reiseleiterin versucht, mit der blonden Maid die Bestellung von Cola und Wasser unter den aufgeregten asiatischen Freunden aufzuteilen, während wir warten und warten. Wir wollen nur noch die Rechnung. Aber die Kellnerin und ihre Kollegin versuchen, des asiatischen Ansturmes Herr zu werden. Später, irgendwann, holen wir die Garderobe und gehen Richtung Ausgang. Nichts. Wir warten vorn am Tresen, nichts. An dieser Stelle, sagt die Rechtssprechung wohl, darf man dann ohne zu zahlen gehen. Doch wir ziehen die Kellnerin am Arm: „Bitte! Bitte bezahlen dürfen!“ Sie nimmt unser Geld und schafft es sogar noch im Trubel zu lächeln. Was will man(n) mehr?
Fazit: Eine völlig andere, historische Restaurantwelt zum völligen Abtauchen aus dem Alltag. Mittags durchaus „machbar“, abends bestimmt weitaus geselliger. Besonders für größere Freundes- und Familienrunden geeignet – und natürlich für liebenswerte japanische Touristengruppen.